Die Ausstellung "Installationen aus 25 Jahren Sammlung Falckenberg" in den Hamburger Deichtorhallen ist bis zum 24. Mai 2020 zu sehen.
Kunst zu den Missständen unserer Zeit
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Sarkastisch, furchterregend, schrill: Die Sammlung von Harald Falckenberg umfasst rund 2000 Arbeiten zeitgenössischer Kunst. In Hamburg sind Werke zu sehen, die sich kritisch mit Themen wie dem "Krieg gegen den Terror" und auch dem Kunstbegriff auseinandersetzen.
In einem großen, abgedunkelten Saal stehen etwa 180 TV-Geräte, aufeinandergestapelt zu mehreren abweisenden Mauern. Dazwischen hängen kilometerweise Drähte und Kabel, bewegen sich ununterbrochen Überwachungskameras, über die Monitore flackern Kriegsbilder. 2005 entwickelte Jon Kessler diese Arbeit über den sogenannten "Krieg gegen den Terror", in der er sarkastisch den Terror des Staates vorführt - durch Manipulation und Überwachung.
Furchterregend still ist es dagegen in Gregor Schneiders nachgebauter, gleißend heller Isolationszelle aus Guantanamo. Und schrill wird es bei Thomas Hirschhorn, der eine Kleinfamilie aus Schaufensterpuppen mit dicken Klebebandwülsten verunstaltet und so die Deformationen des Konstrukts "bürgerliche Familie" vorführt.
Kunstbegriff in Frage gestellt
Sehr gelungen konzentriert sich Deichtorhallenleiter Dirk Luckow für die Jubiläumsausstellung erstmals auf die Installationen und Skulpturen der Sammlung, an der er besonders schätzt, "dass sie so unangepasst ist. Und dass sie Seiten an der jüngeren Kunstgeschichte, der Gegenwartskunst aufdeckt, die so in den anderen Häusern in Hamburg nicht abgedeckt werden: dass es so schön bizarr, skurril, auch subversiv unseren Kunstbegriff immer wieder neu hinterfragt."
Vieles erweist sich noch immer als verstörend. So stößt man auf den vier weitläufigen Etagen immer wieder auf triste, klaustrophobisch-abgründige Räume, die sich als Sinnbilder der Gesellschaft entpuppen, die von einem unbehausten Dasein erzählen, von sozialer Ausgrenzung, Konsumterror, Vereinzelung: Da liegt ein großer Pappkarton auf einem hohen Holzgerüst, bedruckt mit dem Hinweis "Nur für Mitglieder".
Eine abgedunkelte, begehbare Rauminstallation öffnet Durchblicke in versteckte Zimmer, die so vollgestopft sind mit Alltagsgegenständen, dass nichts und niemand mehr dort hineinpasst. Und eine Papphütte hat weder Eingang noch Fenster - nur ein kleines Guckloch. Durch das sieht man einen leeren Stuhl, davor bewegt ein Masturbationsapparat einen menschlichen Arm auf und ab. Dirk Luckow:
"Das ist natürlich auch so das Anti-ästhetische, das Obszöne, das Aggressive, das Attackierende, all diese Seiten. Das Provozierende natürlich auch. Das spielt hier eine Rolle."
Späte Leidenschaft
Harald Falckenberg war 50, als er, wie er sagt, nach einem erfolgreichen Leben als Jurist und einem als Unternehmer 1994 eines als Kunstsammler begann. Unterstützt wurde er von den damals noch verpönten Künstlern Werner Büttner, Albert Oehlen und Martin Kippenberger, die ihm rieten, bloß keinen Mainstream à la Joseph Beuys zu kaufen. Harald Falckenberg:
"Das hat mir irgendwie eingeleuchtet. Und dann habe ich mich auf diese Kunst konzentriert, einer rebellischen, jugendlichen - die übrigens weltweit überall entwickelt wurde. Und da hab ich mir gesagt, dass man vielleicht doch mal eine Aufbereitung dieser ganzen Entwicklung weltweit machen kann."
Also kaufte er, als sich noch niemand dafür interessierte, Werke der drei Freunde, dazu Arbeiten von Philip Guston, Mike Kelley, Sarah Lucas, Monica Bonvicini, Santiago Sierra und vielen anderen. Heute umfasst die mittlerweile abgeschlossene Sammlung rund 2200 Arbeiten. Und als beunruhigendes, eine Haltung zu den Missständen unserer Zeit suchendes Kontrastprogramm - zum ansonsten oft sehr braven Hamburger Kunstangebot - funktioniert sie ausgesprochen gut.
Öffentliche Förderung einer privaten Sammlung
Allerdings gibt es einen Haken: Seitdem Harald Falckenberg 2011 den Deichtorhallen seine Sammlung als Leihgabe überließ, wird diese mit jährlich 570.000 Euro Steuergeldern unterstützt. Sein privates Museum führte er nur drei Jahre. Harald Falckenberg:
"Ja, ich hatte das auch mit dem Einkommen finanziert, was ich hatte. Jetzt bin ich aber pensioniert. Und es ist eben so, dass die Unterhaltung eines Hauses kostet." Und so werden nun wissenschaftliche Betreuung, Lagerung, Restaurierung und Präsentation der privaten Sammlung mit öffentlichen Geldern finanziert. Bei den chronisch unterfinanzierten Museen dürfte man nicht begeistert gewesen sein.
So lässt sich das Ende der Ausstellung als sarkastischer Kommentar über ignorantes Wegsehen lesen - gleich, ob man dabei an kaputt sanierte öffentliche Museen denkt, das Aussitzen des Klimawandels oder ganz andere menschengemachte Probleme.
Im letzten Winkel des vierten Stockwerks jedenfalls betritt man die fast völlig abgedunkelte Inszenierung des Schweizer Künstlers Olaf Breuning: eine vorzeitliche Urlandschaft, in der zwischen hohen Büschen einige menschengroße Affen hocken. Doch trotz allmählich heller und immer dringlicher aufflackerndem rotem Licht geht ihnen kein Licht auf. Tatenlos grunzen sie immer weiter vor sich hin.