Europa - ein Roman ohne Helden
Die EU funktioniere nach dem "Buddenbrooks-Prinzip", meint der Schriftsteller Robert Menasse. Und das heißt: Die vierte Generation fährt die Sache an die Wand. Gemeinsam mit dem Schriftsteller betrachten wir Europa als Entwicklungsroman.
Man könne die Geschichte der europäischen Einigung wie einen Entwicklungsroman lesen, sagt der Schriftsteller Robert Menasse. Nur funktioniere dieser leider nach dem "Buddenbrooks-Prinzip":
"Das sind die vier Generationen: Eine gründet etwas, eine baut es etwas aus und etabliert es, die dritte hält es auf ungefähr diesem Stand, und die vierte Generation fährt es an die Wand."
Die vierte Generation hat die Gründungsidee vergessen
Diesen Punkt hat die Europäische Union Menasse zufolge offenbar inzwischen erreicht:
"Weil wie bei den Buddenbrooks die vierte Generation eigentlich gar nicht mehr weiß, worum es geht. Die hat etwas geerbt, die hat etwas übernommen und kann damit überhaupt nicht mehr umgehen. Die hat die Grundidee, sozusagen die Gründungsidee vergessen und versucht, irgendwie sich das Erbe nur noch irgendwie aufzuteilen. Und das erleben wir gerade."
"Weil wie bei den Buddenbrooks die vierte Generation eigentlich gar nicht mehr weiß, worum es geht. Die hat etwas geerbt, die hat etwas übernommen und kann damit überhaupt nicht mehr umgehen. Die hat die Grundidee, sozusagen die Gründungsidee vergessen und versucht, irgendwie sich das Erbe nur noch irgendwie aufzuteilen. Und das erleben wir gerade."
Der Vertrag von Maastricht, der am 7. Februar 1992 vom Europäischen Rat unterzeichnet wurde, war, so Menasse im Deutschlandradio Kultur, ein "glorioses Kapitel" im europäischen Roman. Der entscheidende Wendepunkt zum Schlechteren sei dann der Lissabon-Vertrag gewesen.
"Seit damals befindet sich Europa in der Krise und seit damals stockt die Entwicklung. Und seit damals läuft eigentlich alles auf ein Ende hinaus, das nichts mit den Hoffnungen und Sehnsüchten und Perspektiven der Gründerzeit mehr zu tun hat."
"Seit damals befindet sich Europa in der Krise und seit damals stockt die Entwicklung. Und seit damals läuft eigentlich alles auf ein Ende hinaus, das nichts mit den Hoffnungen und Sehnsüchten und Perspektiven der Gründerzeit mehr zu tun hat."
Europäische Helden und Bösewichte
Und wie jeder Roman brauche auch Europa eigentlich Helden und Bösewichte. Wer die europäischen Bösewichte seien, ist Menasse zufolge klar: die Nationalisten. "Das sind die Feinde, die ununterbrochen das Gefüge stören, die Raub und Mord und Totschlag betreiben. Die Nationalisten sind die, die eigentlich mit Hilfe des europäischen Projekts besiegt werden sollten."
Europäische Helden sieht der Schriftsteller hingegen nicht: "Der Held wäre so was wie eine strahlende Führerfigur. Und genau darum ging es in Europa ja eigentlich nicht mehr."
Vielmehr gehe es darum, "den Helden die Souveränität jedes einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin gegenüberzustellen".