Trommelnde Klangreisen
Die katalanische Riesen-Bigband Coetus trommelt auf allem, was sich dafür eignet: auf Tambourins, Bombos, Pfannen, Töpfen und selbsterfundenen Instrumenten. Auf dem Weltmusik-Festival TFF Rudolstadt geben die Spanier am Wochenende ihr Deutschlanddebüt.
Über die anfangs zu hörenden Grillen schiebt sich fast brachial der Klang der Perkussion: Der von großen Bombos, rhythmisch aneinander geriebenen Muscheln und Metallbestecken und vorneweg einem halben Dutzend viereckiger Tamburine: mit Händen oder Stöcken geschlagene "panderos cuadradros", die vor allem im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, teils auch in Portugal zu Hause sind. Diese über gut drei Minuten lang suggestive Hochspannung verbreitende Eigenkomposition schuf Aleix Tobias, der Kopf der 16-köpfigen Truppe, der ansonsten zumeist Traditionals für die Arbeit mit Coetus heranzieht. Das 2008 in Barcelona aus katalanischen Musikern formierte Ensemble ist nicht einfach nur eine gutgelaunte "Trommelgruppe" mehr, sondern ein wahrlich beeindruckender, trans-iberischer Klangkörper - in seiner Form und Herangehensweise einzigartig – der sich zu Recht "Orquesta de Percusión Ibérica" nennt.
Aleix Tobias: "Alles mögliche von der Iberischen Halbinsel - und zwar nur von dort - kommt bei uns vor. Ein paar traditionelle Instrumente teilt sich Katalonien mit dem Rest der Halbinsel, es sind also eher iberische Instrumente. Manchmal scheint es mir, dass diese Perkussionskultur als weniger wertvoll betrachtet wird. Die Leute kennen sehr gut die afrikanische, brasilianische, kubanische oder indische Perkussion. Doch hier kennt man nur den Flamenco, die Folklore kaum. Dabei sind all diese Instrumente einfach ganz toll, haben viel zu bieten. Unsere Arbeit ist die Wiederbelebung - nicht der Wiederbelebung willen - sondern weil es uns gefällt."
Vorbilder in Brasilien und Afrika
"Wir wollten an die Tradition großer Perkussionsensembles anknüpfen, so wie sie in Brasilien, Afrika und anderswo existieren, wollten so wie diese mit unserer Instrumentation verfahren. Denn hierzulande gibt es die Kultur solcher Gruppen nicht. Oder nur vereinzelt, wie die dieser großen 'Trommeln von Calanda', in Aragón. Dort werden in der Karwoche 200, gar 500 Bombos zusammen gespielt. Doch nicht alle in einem Rhythmus, sondern jeder auf eher eigene Faust, ein wenig chaotisch. Eine sehr traditionelle, religiöse, weniger eine musikalische Angelegenheit."
Als sehr kreativer, vielseitiger Schlagwerker ist Aleix Tobias in der Szene gefragt und selbst Schrittmacher vieler Projekte. Übers "klassische" Studieren hinaus zog es ihn in die Welt, hin zu anderen Perkussionstraditionen. Bei allem In-die-Ferne schweifen verlor der Enddreißiger letztlich nie die Bodenständigkeit – wie auch Coetus hören lässt. Alles Denkbare an Perkussion kommt geschickt zum Einsatz: Teils unbekannte, vergessene Tambourin-Varianten, musikalisch tradierte Alltagsgegenstände wie Pfannen, Tonkrüge und Töpfe, Mörser oder Hacken genauso wie selbsterfundene Instrumente gestalten neuartige Klanglandschaften.
Nicht nur Trommeln – auch Singen und Tanzen
In "La Molinera", einem Traditional aus León, bekommen die Musiker – wie in den meisten ihrer Tracks gesangliche Unterstützung. Hier ist es der singende Perkussionist und exzellente Volkstänzer Eliseo Parra, der Aleix Tobias und weitere Coetus-Musiker seit Langem in seine eigenen Projekte einspannt. Parra wiederum war und ist umgekehrt wichtiger Motor und Mentor in der Entwicklung des Perkussionsorchesters. Auf den Alben und auch oft live mit von der Partie bei seinen jüngeren Musikerkollegen - dieser wundersam alterslose Bruder im Geiste, der einst über die Popmusik im Folk landete.
Eliseo Parra: "Da meine Lehre keine traditionelle ist, sondern eine des Rock, des Jazz, der Salsa, ist mein Zugang eher unbefangen. Wenn die Leute meinen: Das klingt aber sehr modern und dabei doch altertümlich! - Dann sage ich ihnen, dass da überhaupt kein Geheimnis dahintersteckt. Ich benutze einfach mein musikalisches Rüstzeug, das ein anderes ist, für diese Musik, in die ich mich einst verliebt habe. Von Hause aus Perkussionist, liegen mir natürlich besonders die bewegten Stücke. Und tatsächlich fußen auch alle, fast alle ... in Tänzen. Und ja, ich liebe es einfach zu tanzen, ich MUSS tanzen - das lässt sich nicht vermeiden." (lacht)
Besagter "Tanzzwang" ist ja quasi Programm beim Rudolstädter TFF, und so wird das Deutschlanddebüt von Coetus mit Sicherheit eine Art "Heimspiel", für das die Spanier bestens gerüstet sind, wie Aleix Tobias versichert:
"Jede Art Konzertbühne gefällt uns: sowohl in Theatersälen zu spielen wie auf großen Open-Air-Bühnen, wo man die Leute zum Tanzen bringen will. Entsprechend dem Auftrittsort wählen wir dann auch unser Repertoire aus - entweder mehr aufs Zuhören ausgerichtet oder eben mehr auf Party. Diese Musik birgt beide Seiten, aber vor allem geht's um Fiesta."