Amüsieren mit altmodischem Charme
Der Wiener Prater ist eines der größten Amüsiergelände in Europa. In diesen Tagen wird er 250 Jahre alt. Eine Ausstellung in der österreichischen Hauptstadt erzählt seine Historie - denn das sind auch 250 Jahre europäische Entertainment-Geschichte.
"So, einsteigen bitte. Einsteigen und mitfahren bitte!"
"Schön ist so ein Ringelspiel,
das ist a Hetz und kost' net viel..."
das ist a Hetz und kost' net viel..."
Das hätte sich Kaiser Josef II. nicht träumen lassen, als er 1766 das kaiserliche Jagdgebiet am rechten Donauufer für das gemeine Volk öffnete: dass sich ein Teil des riesigen Areals innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der größten Verlustierungs-Gelände Europas mausern sollte. Die Öffnung des kaiserlichen Jagdgebiets im Prater hat schon zu Rokoko-Zeiten Scharen von Vergnügungssuchenden angezogen, weiß die Kulturhistorikerin Ursula Storch:
"Das hat von Anfang an extrem gut funktioniert. Schon in den ersten zwei Wochen gab es Ansuchen von Wirten, die im Prater ein kleines Kaffeehaus, einen Limonadenstand oder ähnliches aufmachen wollten. Die haben diese Genehmigung meistens bekommen, und die hatten meistens auch schon eine kleine Unterhaltung dabei – also eine Kegelbahn, eine Schaukel oder ein Kasperltheater. Und das war dann gleichzeitig auch die Geburtsstunde des Wurstelpraters."
"Wurstelprater" heißt der Vergnügungspark übrigens nicht deshalb, weil man dort etwa Würstchen essen kann – das kann man natürlich auch – sondern weil der Prater, der vielen Puppenbühnen wegen, die hier traditionell miteinander konkurrierten, die Heimstatt des Hanswurst, Wienerisch: des "Wurstels" war.
Weitläufiges Naherholungsgebiet
Der "Wurstlprater", wie die Wiener den Rummelplatz-Bereich des Naherholungsgebiets nennen, macht jedoch nur einen kleinen Teil des sechs Quadratkilometer großen Geländes aus. Der riesige Rest – "Grüner Prater" genannt – ist eines der weitläufigsten Naherholungsgebiete Europas, mit jeder Menge Natur, aber auch mit Lilliputbahn, Planetarium, Galopprennbahn, Baseball-, Hockey- und Tennisplätzen, einem großzügigen Sommerfreibad, ausgedehnten Spazierwegen sowie dem berühmten Praterstadion im Zentrum des Ganzen. Ursula Storch hat die sehenswerte Ausstellung im Wien-Museum mit wachem Blick für soziale Gegensätzlichkeiten kuratiert:
"Im Prater haben sich eigentlich immer alle Gesellschaftsschichten getroffen, die wohlhabenden und die einfachen Leute."
250 Jahre Prater, das sind 250 Jahre europäische Entertainment-Geschichte. Waren es im 18. Jahrhundert vor allem Fesselballon-Flüge und gewaltige Feuerwerk-Spektakel, die Zehntausende Besucher anlockten, erwiesen sich im 19. Jahrhundert Wandermenagerien, Kuriositätenschauen, Lustspieltheater und alle Arten von Fahrgeschäften als Publikumsmagneten. 1898 wurde im Prater die erste elektrische Grottenbahn Europas eröffnet, sogenannte Zaubertheater warben mit "echten Geistererscheinungen", erste Stummfilm-Kinos verblüfften das Publikum, und 1890 gastierte Buffalo Bill mit seiner Wildwest-Show am rechten Donauufer. Für die Auftritte des legendären Westernhelden, der mit hunderten Cowboys, Pferden und sogenannten Indianern angereist war, wurde im Prater eigens eine Tribüne für 20.000 Besucher errichtet. Drei Monate lang waren Buffalo-Bills Auftritte in Wien ausverkauft.
Nicht mehr besonders spektakulär
"Man kann sagen, dass die Hochzeit des Praters eigentlich zwischen der Weltausstellung 1873 und dem Ersten Weltkrieg war. In dieser Zeit hat’s zum einen in der Nachfolge der Weltausstellung riesengroße Ausstellungsprojekte gegeben, in diese Zeit fällt aber auch die Eröffnung des Vergnügungsparks 'Venedig in Wien', in dessen Randbereich 1897 das Riesenrad aufgestellt worden ist. Das ist auch die Zeit der ganz großen Festveranstaltungen, die Zeit, in der der Blumencorso erfunden wird. Also, eine üppige, sensationelle Zeit für den Prater."
Und heute? Heute gibt man’s etwas billiger, zumindest im Wurstelprater. Ganze Stadtteile von Venedig werden längst nicht mehr nachgebaut im Schatten des Riesenrads. Der Wurstelprater 2016, das ist ein gar nicht so besonders spektakulärer Dauer-Rummelplatz. Mit den Disneylands dieser Welt kann er in Sachen Fun-Faktor nicht ganz mithalten. Aber das macht ja gerade den Reiz des Praters aus: Dass er sich einen gewissen altmodischen Charme erhalten hat...
Sirene, dann Ansagerin: "Eine einmalige Fahrt hier am 'Hurrican'. Einsteigen, zusteigen bitte! Mitfahren..."