3-D-Drucker-Dining in London

Die Molekularküche war gestern

Essbare, im 3-D-Drucker erstellte Form, gefüllt mit Rindertatar
Essen aus dem Drucker, hier Rindertatar © Foodink
Von Gerwald Herter |
In einem kleinen Londoner Restaurant wird versuchsweise nicht gekocht, sondern gedruckt. Auch Tische, Stühle und das Besteck kommen aus dem 3-D-Drucker. Die Gastgeber sind davon überzeugt, dass das die Zukunft der gehobenen Gastronomie sein wird. Im Herbst wird die Idee testweise nach Berlin exportiert.
Kunst, Forschung und Geschäft – zumindest in der Vision von Antony Dobrezensky lösen sich solche Kategorien gerade auf und sein Drei-D-Restaurant soll das beweisen:
"(Alle drei!) Erfolgreiche Unternehmen arbeiten heutzutage da, wo sich diese drei Aspekte berühren. Wir schauen ständig nachdem, was kommt. Ganz sicher gehört Drei-D-Drucken dazu."
Antony Dobrenzensky ist der Geschäftsführer der Londoner Firma Foodink. Seit drei Jahren hatte er an diesem Konzept gearbeitet, nun ist es im Stadtteil Shoreditch Wirklichkeit geworden.
Dobrezensky hat hier zusammen mit seinen Partnern ein Ladenlokal angemietet. 30 oder vielleicht 40 Quadratmeter hinter einem Schaufenster, auf dem Gelände einer alten Brauerei, zwischen Kneipen, einem Rough-Trade-Store und vielen anderen Geschäften.

Geschmack und optische Aspekte

Morgen werden hier noch einmal zehn Gäste essen, dann schließt das 3-D-Lokal wieder. Die Drei-D-Küche wird aus der Welt der Gastronomie aber nicht mehr wegzudenken sein, der spanische Spitzen-Koch Matteo Blanch ist davon überzeugt:
"Mir gefallen Geschmack, aber auch optische Aspekte. Da können wir Formen schaffen, die uns in Handarbeit nicht gelingen."
Blanch arbeitet normalerweise in der Nähe von Barcelona, in einem Restaurant, das sich der Molekularküche verschrieben hat. Die Dekomposition von Nahrung, das ist die Idee, die dahintersteht.
Molekularküche ist in der modernen Spitzengastronomie zu einem viel beachteten, sehr erfolgreichen Trend geworden. Und ähnlich betrachtet Blanch auch die Drei-D-Küche - eine neue Facette, aber keine Bedrohung für Restaurants, Kellner oder Köche:
"Nein, nein, nein! Das wird die traditionelle Gastronomie nicht verdrängen, sondern ergänzen, um feiner ausgearbeitete Gerichte anzubieten".

Schokolade lässt sich gut drucken

Blanch hat mit Schokolade angefangen. Die lässt sich in Drei-D-Druckern gut verarbeiten, wie zum Beispiel auch Humus. Die Niederländerin Nina Hoff hat sich mit ihrer Firma auf diese Geräte spezialisiert, auch sie ist in London dabei, denn die Technik gerät noch an Grenzen:
"Wir können alles drucken, was wie eine Paste ist: Schokolade, Avocado, hier auch Kaviar, das geht in Richtung Molekularküche oder Kartoffelbrei. Also haben wir viele Möglichkeiten."
Das Ausgangsmaterial befindet sich nicht in klassischen Druckerpatronen, sondern in Behältern, die an medizinische Spritzen erinnern. Beim Drucken wird die Lebensmittelpaste durch Düsen gepresst, die sich über einer Platte bewegen. Schicht für Schicht wird so aufgetragen, bis ein Muster entsteht.
Eine Vorspeise zu drucken, dauert so zum Beispiel ein paar Minuten. Der Vorgang erinnert ein wenig an die maschinelle Herstellung in Großbäckereien, eigentlich könnte man die Gerichte auch anders formen, sicher weniger exakt, aber auch günstiger.

Stühle und Tische sind biologisch abbaubar

Stühle und Tische waren ohnehin lange vor dem Essen gedruckt worden. Sie sehen aus, als seien sie aus billigem Plexiglas. Tatsächlich handelt es sich um biologisch abbaubares Material.
Der französische Architekt Arthur Mamou-Mani hat die Möbel entworfen, die nun im Drei-D-Restaurant stehen. Auch für ihn ist das nur ein erster Schritt:
"Ich denke, wir werden das Verschmelzen der digitalen und der physischen Welt erleben. Wir werden Lebensmittel aus dem Internet herunterladen, aber auch Möbel, Tische, Stühle. Eine Art von neuem Ökosystem - man wird seine Umgebung ständig erneuern, umgestalten können. Eine Revolution für unsere Art zu leben. Es passiert, wenn auch langsamer als wir denken, aber es geschieht."
Deshalb hat er sich dem Internet der Dinge verschrieben und deshalb versucht er Ideen, wie das Drei-D-Restaurant zu unterstützen. Die Gäste zahlen 250 Pfund, fast 300 Euro, für ein Essen, das zwei oder drei Stunden dauert. Noch ist das Luxus, schon bald wird sich das aus Sicht von Athur Mamou-Mani aber ändern:
"Du bekommst Spitzenküche nach Hause, es geht um die Demokratisierung der Arbeit von Drei-Sterne Köchen."

Jeder hat seine eigene Vision von der 3-D-Küche

Und so hat jeder seine Vision von der Zukunft der Drei-D-Küche: der französische Architekt, die niederländische Entwicklerin, der spanische Koch und natürlich Antony Dobrezensky von Food-Ink:
"Hier können wir Menschen inspirieren, wundervoll in die Zukunft zu blicken. Sehr positiv, aber da gibt es natürlich auch Herausforderungen. Wir müssen uns mit Essen, Ernährung und Kultur nachhaltig in die Zukunft bewegen. Darum geht es im Kern in diesem Restaurant: Wir bringen hier Leute an einen Platz, wo sie über Möglichkeiten und Herausforderungen der Zukunft nachdenken können."
Diese Auseinandersetzung mit der Zukunft soll noch in diesem Jahr auch in Deutschland möglich sein. Dobrenzensky will das Drei-D-Restaurant im Herbst nach Berlin bringen.
Eine Bildergalerie, die das Restaurant in Betrieb und die Zubereitung der Speisen zeigt, finden Sie hier.
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