30 Jahre "Deutscher Herbst“ - Abgeschlossen, aber noch nicht verarbeitet

Im Herbst 1977 erlebte die damalige Bundesrepublik die größte Krise seit ihrer Gründung. Zuerst entführten Terroristen der "Rote Armee Fraktion" den Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände Hanns-Martin Schleyer. Als ihrer Forderung, führende RAF-Terroristen aus der Haft zu entlassen, nicht nachgegeben wurde, folgte die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut" mit 91 Passagieren an Bord.
Mitte Oktober dann überschlugen sich die Ereignisse. Zuerst wurde die entführte Passagiermaschine auf dem Flughafen von Mogadischu im ostafrikanischen Somalia befreit. Daraufhin nahmen sich drei RAF-Terroristen im Hochsicherheitsgefängnis von Stuttgart-Stammheim das Leben. Schließlich wurde Hanns-Martin Schleyer nach mehreren Wochen Gefangenschaft ermordet.

Die "Rote Armee Fraktion" hat sich im April 1998 selbst aufgelöst. Die Geschichte des linksradikalen Terrorismus in Deutschland ist also formal abgeschlossen. Aber verarbeitet ist sie nicht. Gerade die Diskussion um einen der wenigen noch in Haft befindlichen RAF-Terroristen hat dies gezeigt. Das Gnadengesuch von Christian Klar wurde abgelehnt. Genau 30 Jahre nach dem "Deutschen Herbst" scheinen alte Feindbilder noch lange nicht ausgedient zu haben.

Viel beunruhigender ist für viele aber, dass viele Methoden, mit denen Justiz und Politik 1977 den Kampf gegen die RAF zu gewinnen suchten, heute im Zuge des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus mit meist islamistischem Hintergrund wieder en vogue sind. Rasterfahndung und Telefonüberwachung sind deshalb auch ein Thema in der heutigen Sendung.

Zu Gast sind der Politologe und Historiker Wolfgang Kraushaar und der Dokumentarfilmer Andres Veiel.

Wolfgang Kraushaar, Jahrgang 1948, arbeitet am Hamburger Institut für Sozialforschung und gilt als einer der wichtigsten Chronisten der Protestbewegung in der Bundesrepublik. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema als Autor und Herausgeber gehört zweibändige Standartwerk "Die RAF und der linke Terrorismus". Den "Deutschen Herbst" erlebte er an der Universität Frankfurt am Main.

Andres Veiel, Jahrgang 1959, bekam für "Black Box BRD" den Deutschen Filmpreis. In diesem Dokumentarfilm aus dem Jahre 2001 stellt er in Gesprächen mit Angehörigen die Lebensläufe des RAF-Terroristen Wolfgang Grams und des RAF-Opfers Alfred Herrhausen einander gegenüber. Veiel, mit 14 noch Gründer eines Ortsverbands der Jungen Union, war als junger Mann fasziniert von der "Rote Armee Fraktion". Auch wenn er Entführungen und Gewalt gegen Unschuldige stets ablehnte, dauert seine intensive Beschäftigung mit diesem Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte bis heute an.

Was geschah 1977, welche Folgen hatte dieser sogenannte "Deutsche Herbst" und was kann man daraus lernen für den heutigen Umgang mit immer neuen Formen des Terrorismus. Gisela Steinhauer diskutiert darüber heute ab 9:05 Uhr in unserer Sendung "Radiofeuilleton im Gespräch", und sie können sich mit Ihren Fragen in diese Diskussion einmischen. Rufen Sie an unter 00800-22542254 oder schicken Sie eine E-Mail an die Adresse gespraech@dradio.de.