Wie MTV das "M" abhanden kam
Einst war MTV Kult, im Zeitalter von YouTube jedoch ist der Sender in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Ist also das Internet Schuld am Niedergang von MTV? Nein, meint der Musikwissenschaftler Martin Likendey: Das Problem fing mit musikfernen Inhalten an.
Madonna in einem weißen Brautkleid mit Puffärmeln, Michael Jackson umgeben von einer Horde Zombies – als MTV Europe vor 30 Jahren an den Start ging, um den europäischen Markt mit Musikvideos zu versorgen, schrieb der Sender Musikgeschichte.
MTV und VIVA – Konkurrenz belebt das Geschäft
Doch der Import aus den USA bekam in Europa schnell Konkurrenz – von VIVA. Die Konkurrenz habe den beiden Sendern gut getan, findet Martin Likendey, Musikwissenschaftler an der Universität Koblenz-Landau.
Likendey arbeitete damals für VIVA und hatte MTV deshalb stets im Blick. Als der Mutterkonzern von MTV, Viacom, VIVA aufkaufte, habe dies das Ende einer Ära eingeleitet.
"Die großen Zeiten sind – würde ich sagen – vielleicht ab 2000 vorbei. Vor allem ab dem Zeitpunkt, wo Viacom auch VIVA gekauft hat und dann auch entsprechend das Konkurrenzmodell nicht mehr bestand."
Dating-Shows statt Musikvideos
Doch nicht nur die fehlende Konkurrenz führte dazu, dass MTV in den 2000er Jahren an Bedeutung verlor. Auch die Entscheidung, auf andere Inhalte als Musikvideos zu setzen, veränderte das Profil des Senders. MTV kam die Musik abhanden.
"Es ging auf jeden Fall dann zu Ende, als die MTV-Macher sich entschlossen haben, auf musikfremde Format zu setzen. 'Beavis and Butthead' waren ja noch musikaffin. Aber wenn da Dating-Shows dazu kommen oder die 'Simpsons', dann ist das ganze Ding natürlich erledigt. Sie dachten, dass man auf jeden Fall mit der Zeit gehen muss. Und da sich ja eigentlich die komplette Fernsehlandschaft entsprechend verändert hat, haben die dann halt versucht, auf ihre Weise das nachzuvollziehen."
YouTube kills the TV-Star?
MTV – das waren hochwertig produzierte Musikvideos, in denen sich die Stars glamourös inszenierten. YouTube hat ein Revival des Musikvideos eingeleitet. Hier kann sich jeder als Star inszenieren. Ob das immer glamourös ist, ist eine andere Frage.
Doch manch einer, der einst auf der heimischen Couch ein Gitarrenvideo drehte, hat es dank YouTube ins Rampenlicht geschafft.
"Natürlich ist diese YouTube-Idee, der YouTube-Kanal, wo jeder sich selber broadcasten kann, eine wunderbare Gelegenheit für Newcomer oder für Leute, die eben nicht an den normalen Musikmarkt angepasst sind, sich irgendwie durchzusetzen – auch mit Eigenproduktionen. Und das war dann der große Gewinn, der quasi durch diese YouTube-ähnlichen Kanäle – insbesonder YouTube – dann gemacht wurde. Justin Bieber ist ein Beispiel dafür."
MTV prägt bis heute
Auch wenn Musikvideos heute hauptsächlich im Internet angeschaut werden, die Ästhetik der MTV-Ära prägt bis heute die Produktion von Musikvideos.
"Die MTV-Ära als ästhetische Idee, die gibt es, glaube ich, weiterhin. Nicht nur in den Musikvideos, sondern auch in dem ganzen Drumherum. MTV hat sich mittlerweile ja auch an den YouTube-Kanal angepasst sozusagen. Die haben ja auch ihren eigenen Kanal dort und gehen also da auch mit.
Die Frage ist, inwiefern da jetzt noch das Fernsehen in Frage kommt, um solche Sachen in irgendeiner Art und Weise so gut ans Publikum zu bringen, wie das Fernsehen das früher konnte. Und wie gut es heute das Internet kann."