30 Jahre nach Freilassung Mandelas

Soweto als Modell für die Regenbogennation

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Der Schriftsteller Niq Mhlongo vor der Vilakazi Street in Soweto - hier wohnte der Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela
Der Schriftsteller Niq Mhlongo vor der Vilakazi Street in Soweto - hier wohnte Nelson Mandela. © Leonie March
Von Leonie March |
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30 Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas hat sich das ehemalige Wohnviertel des Friedensnobelpreisträgers gewandelt. Doch trotz Gentrifizierung und Touristenschwemme ist Soweto für den Schriftsteller Niq Mhlongo Inspirationsquelle und Trendlabor.
Vor dem ehemaligen Haus Nelson Mandelas macht sich eine Tanzgruppe warm – junge Männer und Frauen in traditionellem Zulu-Lendenschurz und Perlenröckchen. Busladungen Touristen kommen jeden Tag her, um auf den Spuren des berühmten südafrikanischen Freiheitskämpfers zu wandeln. Souvenirstände, Restaurants und Cafés säumen die Vilakazi-Street in Soweto.
Nichts erinnert mehr an früher, sagt der Schriftsteller Niq Mhlongo: "Ich bin in dieser Straße aufgewachsen. Zwölf Jahre habe ich hier gelebt. Mein Debütroman 'Dog Eat Dog' spielt hier. Wenn ich an Soweto und ans Schreiben denke, dann denke ich an diesen Ort hier. Nicht an die gentrifizierte Straße von heute, sondern an die von damals. Hier hat unser Weg zur Demokratie begonnen."

Klatschgeschichten als Inspiration

Mhlongo ist stolz darauf, an einem derart historischen Ort aufgewachsen zu sein. Das zweistöckige Reihenhaus, in dem der heute 46-Jährige mit seiner Familie gelebt hat, liegt auf dem Weg zum Hector Pieterson Museum, das an den Schüleraufstand von 1976 erinnert.
Heute liegen Mhlongos Bücher dort in dem kleinen Buchladen aus. Er gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Südafrikas. Soweto ist seine Inspirationsquelle.
"Meistens läuft das so, dass ich irgendwo sitze, etwas beobachte oder den Leuten zuhöre. All das verarbeite ich in meinen Texten – von Klatschgeschichten bis zu politischen Diskussionen, wie die Frage des Landbesitzes oder die hohe Arbeitslosigkeit", beschreibt der Schriftsteller den kreativen Prozess.

In Soweto entstehen Trends

Mhlongo schreibt mit Biss und Humor. Wer seine Romane und Kurzgeschichten kennt, meint seine Charaktere auf der Straße wiederzuerkennen. Die Figuren sind direkt aus dem Leben gegriffen. Sie sprechen sogar so wie die Einwohner Sowetos, die während der Apartheid als billige Arbeitskräfte aus ganz Südafrika hierher geholt oder zwangsangesiedelt wurden. Ein Slang mit Elementen aus allen elf Landessprachen.
"Die Apartheid war auf der Trennung der Bevölkerungsgruppen aufgebaut. Das hieß auch, dass beispielsweise ein Shangaan nichts mit einem Zulu zu tun haben sollte. Doch Soweto hat sich dagegen gewehrt, indem es eine gemeinsame Sprache und Subkultur kreiert hat. Insofern ist Soweto ein Modell dafür, was die Regenbogennation und Einheit bedeuten", sagt Mhlongo.
Wenn Soweto niest, bekommt das ganze Land einen Schnupfen, lautet eine alte Redewendung. Das gelte bis heute, meint der Autor. Trends entstünden in Soweto, Debatten nähmen hier ihren Beginn. Und so schreibt er aus dem Mikrokosmos Soweto über Themen, die ganz Südafrika auf den Nägeln brennen, so wie zuletzt die sogenannten "schwarzen Steuern".

Lesen gilt jetzt als cool

"Black Tax" ist der Titel der Essay-Sammlung, die Mhlongo im vergangenen September herausgegeben hat. "Black Tax" bedeutet: "Wenn Niq sein Gehalt bekommt, dann hat er es nicht für sich allein, sondern teilt es mit zehn Familienmitgliedern. Wenn seine Schwester nach der Scheidung mittellos zurückbleibt, muss er sich um ihre fünf Kinder kümmern, als wären es seine eigenen. So ist es Tradition. Aber es geht auch um die Folgen der Apartheid und soziale Ungleichheit. Ich hoffe, dass weiße Südafrikaner das Buch lesen, uns dadurch besser verstehen, toleranter werden, und dass schwarze Südafrikaner diese Debatte aufnehmen."
Denn Südafrika sei längst kein Land der Lesemuffel mehr, fügt Mhlongo hinzu: "Es gibt viele, sehr erfolgreiche Buch-Clubs, die von schwarzen Südafrikanern gegründet wurden. Und es gibt immer mehr junge, schwarze Autoren, die über Themen schreiben, mit denen sich die Leute auch identifizieren können. Soziale Medien haben dabei geholfen, dass Lesen nun als cool gilt."
Als Trendsetter hat Soweto mittlerweile sogar sein eigenes Literaturfestival, meint Niq Mhlongo zum Abschied. Nelson Mandela würde sich sicherlich darüber freuen.
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