30 Jahre Rostock-Lichtenhagen

Eher Flächenbrand als Einzelfall

08:51 Minuten
Mitarbeiter einer Werbefirma befestigen an der Fassade der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin Namen von Opfern des Fremdenhasses in Deutschland.
Eine Kunstaktion an der Fassade der Akademie der Künste im Jahr 2006 erinnert an die Opfer des Rassismus in Deutschland. © picture-alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Jette Studier im Gespräch mit Britta Bürger |
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Die Gewaltexzesse in Rostock-Lichtenhagen sind vielen ein Begriff. Doch auch davor schon gab es um die 100 rassistische Angriffe in kleineren Städten wie Greifswald, Wismar, Schwerin. Eine TV-Doku beleuchtet nun diese Fälle.
Heute vor 30 Jahren hat ein Mob brutale Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte in Rostock-Lichtenhagen verübt. Diese Pogrome in Mecklenburg-Vorpommern gelten bis heute als die Spitze rassistischer Gewalt. Doch Angriffe auf Migranten gab es auch schon davor. Dieser Vorgeschichte geht die TV-Doku "Verharmlost und vergessen - rechte Gewalt vor Rostock-Lichtenhagen" der NDR-Journalistinnen Karolin Kock und Jette Studier auf die Spur.

Die vielen rassistischen Angriffe vor Lichtenhagen

So sprechen sie unter anderen mit Natalia Kalougina, einer Chor-Dirigentin aus Odessa, die damals in Deutschland Schutz gesucht hat und in Schwerin gelandet war. Im Film erinnert sie sich, wie sie einen Angriff von Rechtsextremen im Mai 1991 auf ihre Unterkunft erlebt hat: "Das war schrecklich. Die Flaschen mit Molotowcocktails flogen in die Fenster und die Kinder haben vor Angst geschrien. Die Eltern mussten ihre Ohren und Augen zuhalten."
Warum die Filmemacherinnen die Recherche aufgenommen haben, erklärt Jette Studier damit, dass sie die vielen kleinen Angriffe, die nicht das Ausmaß von Rostock-Lichtenhagen hatten und damit hinter dem großen Gedenken stehen, haben sichtbar machen wollen. "Ehrlicherweise kann man sich als Ort auch schnell dahinter verstecken, wenn man nicht Lichtenhagen heißt", so Studier.
Die Filmemacherinnen wollten erzählen, dass es schon viele Fälle vor Lichtenhagen gegeben hat und auch die Frage stellen: Hätte man das nicht kommen sehen müssen?

Wie steht es um die Aufarbeitung nach 30 Jahren?

"Ich würde sagen, dass viele kleine Fälle nicht aufgearbeitet werden, gerade lokal", zieht Studier ein vorsichtiges Fazit. Ein positives Beispiel stellt für sie die Stadt Ribnitz-Damgarten dar. 1992 ist dort im März, also auch vor den Angriffen in Rostock-Lichtenhagen, der rumänische Asylbewerber Dragomir Christinel zu Tode geprügelt worden. "Die fangen jetzt an, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, und denken über einen Gedenkort nach."
(mfied)

"Rechte Gewalt vor Rostock-Lichtenhagen" läuft am Mittwoch, den 24.8.2022 um 21 Uhr im NDR Fernsehen und jetzt schon in der ARD Mediathek

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