Nur Hongkong trauert und erinnert
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Blutig schlug die chinesische Führung vor 30 Jahren die Demokratiebewegung nieder. Aufgearbeitet wurde das Tiananmen-Massaker nie, und auch das Gedenken an das Verbrechen ist im ganzen Land tabu. Außer in Hongkong. Dort darf getrauert werden - noch.
Mit einem kurzen Essay erinnert die Hongkonger Schriftstellerin Tammy Ho an die gewaltsame Niederschlagung der chinesischen Demokratie-Bewegung am 4. Juni 1989. Auch 30 Jahre danach sei nicht zu erwarten, dass Chinas Staats- und Parteiführung die Verbrechen von damals aufarbeiten werde, sagt sie.
Ebenso hoffnungslos sei es, darauf zu warten, dass Chinas Führung erkläre, wie viele Menschen damals wirklich getötet wurden. Dann bleibt der Präsidentin des Hongkonger PEN-Clubs die Stimme weg. Und genauso geht es den rund 70 Besuchern der Lesung in einem kleinen Buchladen im Hongkonger Stadtteil Kowloon.
Es sind Momente wie diese, in denen klar wird, welche besondere Bedeutung die Stadt Hongkong für China hat. Denn als frühere britische Kolonie genießt die Stadt Autonomie-Status. So dürfen die Menschen hier – noch – offen ihre Meinung sagen, die chinesische Zentralregierung kritisieren und an das Tiananmen-Massaker vor 30 Jahren erinnern.
Der Einfluss der chinesischen Führung nimmt zu
Auch Lian-Hee Wee ist zur Lesung in die kleine Buchhandlung gekommen. Es sei ihm wichtig, offen an das Tiananmen-Massaker zu erinnern, betont der Linguistik-Professor von der Hong Kong Baptist University.
An vielen Orten könne man das nicht mehr, und auch in Hongkong fragten sich viele: Wie lange dürfen wir das noch?
Tatsächlich nimmt der Einfluss der chinesischen Staatsführung auf die eigentlich autonom regierte Stadt stetig zu. Mindestens zwei prominenten Tiananmen-Aktivisten wurde in den vergangenen Tagen die Einreise verweigert.
Auch einige ihrer Freunde, darunter Schriftsteller und Publizisten, trauten sich heute nicht mehr, offen ihre Meinung zu sagen in Hongkong, sagt die Autorin Tammy Ho.
"Wenn mehr und mehr Hongkonger bemerken: Moment mal, ich bringe mich damit möglicherweise in Gefahr, dann weiß ich auch nicht, was passiert. Ich hoffe aber, dass es auch künftig Menschen in Hongkong gibt, die für die gute Sache kämpfen."
Zehntausende zur Mahnwache erwartet
Dass Hongkongs Zivilgesellschaft noch funktioniert, wird sich heute Abend zeigen. Im zentralen Victoria-Park werden zehntausende Menschen zur traditionellen Tiananmen-Mahnwache erwartet. Viele der Organisatoren setzen sich seit den frühen 90er-Jahren ein für das Erinnern an Chinas gescheiterte Demokratiebewegung. So wie die 67-jährige Sozialarbeiterin Ivy Lai.
"Dieses Engagement, das sind kleine Nadelstichen in die Herzen der Anführer der chinesischen Zentralregierung. Die sollen in Peking mitbekommen, dass selbst jetzt, wo es schwieriger wird, die Menschen in Hongkong das Tiananmen-Massaker nicht vergessen haben."