Hören Sie hier eine Zusammenstellung von Dalidas klassischen Chansons:
Erinnerungen an eine tragische Diva
Sie war ein Weltstar - und eine der traurigsten Figuren der Popgeschichte: Heute vor 30 Jahren nahm sich die Schlagersängerin Dalida das Leben. In den Songs der italienisch-ägyptischen Sängerin spiegelte sich auch ihre eigene Melancholie.
Heute vor 30 Jahren starb die italienisch-ägyptische Sängerin Dalida. Ihre Karriere als Chanson- und Schlagerstar währte fast drei Jahrzehnte – und brachte ihr elf goldene und sechs Platin-Schallplatten für weltweit 150 Millionen verkaufte Tonträger ein. In mehreren Sprachen und in vielen Ländern sang Dalida nicht nur in tiefer Tonlage, sondern meistens auch eher über die dunklen Augenblicke des Lebens.
"Am Tag als der Regen kam / lang ersehnt / heiß erfleht..." - So überzeugend sehnt sich nur Dalida. Ihr Timbre, ihre Melancholie und ihr rollendes R machten die in Ägypten aufgewachsene Italienerin einst zur Ikone der Leidenschaft. "Am Tag als der Regen kam", im Original von Gilbert Becaud, war 1959 ihr erster großer Hit in Deutschland. "La bionda" hatte damals noch dunkle Haare:
Die Königin der Jukebox
In den 60ern wurde die ehemalige Miss Ägypten in ganz Europa zur Königin der Jukebox. Das Faszinierende an ihr ist, dass sie trotz trauriger Texte keine schwache Frau war, wie Schlagerexperte und taz-Redakteur Jan Feddersen erklärt:
"Sie war eine Diva und bei Diven ist es ähnlich wie bei einer SM Konstruktion – man glaubt immer die Frau sei so ein unterdrücktes Wesen, in Wirklichkeit ist es immer der so genannte passive Teil der das komplette Dirigat in den Händen hat, und nur Dalida hatte das in der Hand wirklich auf den Punkt zu bringen was sie sein kann."
Doch mit dem Erfolg hält das Drama Einzug in ihr Leben: Nachdem sie mit ihrem damaligen Freund, dem Sänger Luigi Tenco, 1967 beim San Remo Musikfestival auftritt, erschießt sich Tenco im Hotel – aus Enttäuschung darüber, dass er nicht ins Finale kommt. Fassungslos unternimmt auch Dalida einen Selbstmordversuch, und zieht sich hernach in die Einsamkeit zurück.
Ein paar Jahre später ist sie erblondet, und will ein neues Album aufnehmen – doch 1970 wählt ihr Ex-Mann Morisse ebenfalls den Freitod. Dalida ist verzweifelt, schafft dennoch ein Comeback - und traut sich an ein Thema, das der typisch deutsche Schunkelschlager in dieser Tiefe sonst eher vermeidet: 1974 singt sie von der Liebe einer Frau zu einem jüngeren Mann.
"Sie singt es aus der Position einer älteren Frau die sich nicht richtig traut, man imaginiert das Kopfkino, man zieht sich aus, wie steht man da, mit Ende 30", findet Jan Feddersen. "Sie traut sich – und das war so anbetungswürdig dass sie das dann später nicht noch ironisiert hat."
Die Tragik der Diva mit dem Silberblick
Die Tragik der stets etwas androgyn wirkenden Diva mit dem Silberblick fasziniert noch immer: Ein Biopic über ihr Leben ist gerade in Frankreich gestartet – in dem Land, in dem am Place Dalida im 18. Arrondissement zudem eine Büste der Künstlerin steht. Und auch hier ist Dalida nicht vergessen: Die Sängerin Elke Brauweiler, die mit ihrer Band Paula einst deutschen Pop neu zu definieren half, und auch französische Songs singt, erklärt, wieso Lieder mit Leiden so gut funktionieren:
"Wenn man jemanden auf der Bühne sieht und da kommt dann was an dann weiß ich das ist mindestens zum Teil seins, dann hat der das auch erlebt und hat auch gelitten, um da hinzukommen – für mich ist das total essentiell ! Egal ob bei den bildenden Künstlern bei den Musikern, bei allen: die richtig guten, denen geht’s eben nicht immer nur gut."
Der dritte Suizid eines Liebhabers
1983 ist Dalida musikalisch in ihrer letzten, einer Disco-Phase gelandet, hat eine Abtreibung hinter sich und kann seitdem keine Kinder mehr bekommen. Und das Trauma kommt wieder: Zum dritten Mal bleibt Dalida nach dem Suizid eines Liebhabers zurück. Zwei Jahre später wird sie in einem Interview auf das Thema angesprochen. Und erzählt freimütig:
"Das ist ein Thema das mich sehr berührt – Selbstmord ist etwas sehr Persönliches. Als ich es 1967 versuchte, war ich verzweifelt. Ich habe weder ein- noch ausgewusst, war in einem absoluten Leidenszustand. Ich hatte aber Glück, es hat nicht geklappt und ich habe danach eine Psychoanalyse angefangen, habe mich neu arrangiert. Jetzt denke ich, dass man das Leben lieben sollte, dass man leben sollte!"
Doch Dalida findet nicht wieder hinein ins Leben. Am 3. Mai 1987, mit 54 Jahren, nimmt sie eine Überdosis Schlafmittel, und hinterlässt einen Abschiedsbrief – mit Worten, die auch aus einem ihrer Songs stammen könnten: Das Leben, schreibt sie, ist mir unerträglich geworden. Vergebt mir. Der Kummer, die Leidenschaft ihrer Lieder haben Dalida überlebt. Und können uns nun vielleicht dabei helfen, den eigenen Schmerz auszuhalten.