384. Wartburgkonzert vom 6. Mai 2017
Doppelte Verbeugung
„Luther und die Deutschen“ ist das Thema der Festausstellung zum Reformationsjubiläum auf der Wartburg – doch die Musik dazu kam aus dem schweizerischen St. Gallen: Rudolf Lutz präsentierte zwei Tage nach der Eröffnung seine Luther-Kantate.
Dabei hat sich der Ensembleleiter und Komponist in diesem Auftragswerk für Deutschlandfunk Kultur nicht nur auf den Reformator selbst, sondern auch auf den berühmtesten Sohn Eisenachs, Johann Sebastian Bach, bezogen. Wäre es doch durchaus vorstellbar gewesen, dass Bach – wie er es später ähnlich in Leipzig tat – zum 200. Reformationsjubiläum 1717 eine eigene Festkantate für den protestantischen Weimarer Hof beigesteuert hätte; nur war der widersetzliche Künstler damals schon auf dem Absprung gen Köthen und musste just die entscheidenden Wochen im Arrest verbringen…
Ein Gedankenspiel also mit ernsthaftem Hintergrund, aber auch kleinen ironischen Volten für den Kenner der näheren Umstände; wozu dann auch passt, dass sich Lutz der Dramaturgie und des Formenapparates der überlieferten Bach-Festkantaten bedient, ohne eine sklavische Kopie zu liefern. (Mit-)Librettist, Komponist, Dirigent: wenn, wie in diesem Falle, alles in einer Hand ist, sind zumindest alle Voraussetzungen für optimale Authentizität gegeben. Hinsichtlich von Bachs eigenen Klängen, die mit zwei Konzerten und einer der "echten" Reformationskantaten zur Neukomposition hinführen, steht diese Authentizität ohnehin außer Frage: die in St. Gallen versammelten Musiker haben sich über Jahre hin ganz auf die Werke des Thomaskantors konzentriert und gelten als eines der aktuell anregendsten Ensembles der historisch orientierten Aufführungspraxis.
Werke von Johann Sebastian Bach und Rudolf Lutz
Miriam Feuersinger, Sopran
Markus Forster, Alt
Daniel Johannsen, Tenor
Mattias Helm, Bass
Plamena Nikitassova, Violine
Andreas Helm, Oboe d'amore
Orchester der J.S.Bach- Stiftung St. Gallen
Leitung: Rudolf Lutz