3D-Drucker

Das Tool der Stunde in der Coronakrise

06:25 Minuten
Ein 3D-Drucker druckt eine Mundschutzmaske in der Kunststoffwerkstatt der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.
Wenn Atemschutzmasken fehlen, ist Selbermachen mit 3D-Drucker gefragt. © picture alliance/Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB
Von Marietta Schwarz |
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Derzeit arbeitet sich der 3D-Drucker aus dem Nischendasein heraus. Wenn überall Schutzmasken und Filter fehlen, schlägt die große Stunde der Serienproduktion aus dem privaten "Makerspace". Allerdings lauern ein paar rechtliche Hürden.
Aus Italien, wo die Coronakrise am dramatischsten ist, gelangte vor drei Wochen eine Geschichte in die weite Welt, die einem die Tränen in die Augen drückte: Der Werkstoffingenieur Cristian Fracassi mit seiner Firma Isinnova stellte dringend benötigte Ventile für Beatmungsgeräte einfach selber her. Mit Hilfe eines 3D-Druckers.
"Wir haben ein Originalteil genommen, vermessen, eine 3D-Version am Computer erstellt, dann haben wir vier Stück zur Probe ausgedruckt, an verschiedene Ärzte verteilt und einer sagte: Ok, mach mir 100 Stück", berichtet Fracassi. "Wir sind dann nach Hause gefahren, haben die in 24 Stunden gedruckt, und am nächsten Tag übergeben. Es war ein Sonntagmorgen, sie waren glücklich, ich auch!"

Klage wegen Patentverletzung

Der Originalhersteller der Ventile, der so schnell keinen Nachschub liefern konnte, drohte Fracassi mit einer Klage wegen Patentverletzung. Denn die Ventile aus Fracassis Drucker retten zwar Leben, aber verletzen das Copyright.
Die Geschichte erzählt viel: über die derzeitige Notsituation, über Solidarität und Engagement. Sie erzählt aber auch viel über die Potenziale eines Gerätes, mit dem man sogar zu Hause am Schreibtisch einen Gegenstand aus Kunststoff herstellen kann, vorausgesetzt man hat die nötige Software: der 3D-Drucker. Und es ist nicht die einzige Story. Denn überall auf der Welt rattern derzeit solche Drucker, die Ventile, Masken, Mundschutz, Visiere, ganze Beatmungsgeräte produzieren.

Mit Klarsichtfolie und Lasercutter

"Wir sind die äußerste Peripherie von Brandenburg, in einer sehr kleinen Stadt mit dreieinhalbtausend Einwohnern", erzählt Anke Domscheit-Berg am Telefon, Netzaktivistin und parteilose Bundestagsabgeordnete für die Linke in Brandenburg. "Bei uns laufen mehrere 3D-Drucker tatsächlich und wörtlich rund um die Uhr. Die produzieren Gesichtsschutzvisiere, die vor allem medizinisches Personal benutzen können, aber alle Menschen, die ein erhöhtes Risiko durch viel Menschenkontakt in der Nähe haben."

Ein Druckersitter schaut ab und an nach dem Rechten

Ein Lasercutter schneidet die Visiere aus Klarsichtfolie, erklärt Anke Domscheit-Berg. Ein 3D-Drucker printet die Stirnbänder aus Plastik. Die Software stellt die Hackercommunity frei zur Verfügung. Es braucht nur einen Druckersitter, der ab und an mal schaut, ob die Maschine rund läuft.
"Wir haben uns jeden Tag bisschen verbessert, Designs weiterentwickelt, durch Crowdsourcing, das heißt, es wurde ständig daran gearbeitet, das Design so optimieren, dass man mehr auf einmal in kürzerer Zeit mit weniger Material drucken kann, ohne dass die Qualität darunter leidet", erläutert Domscheit-Berg.

Die große Stunde des "Rapid Prototyping"

In der Corona-Krise schlägt die große Stunde des "Rapid Prototyping" – ob die 3D-Drucker nun unter 1000 oder über 100.000 Euro kosten, ob sie im Wohnzimmer stehen, in einem Makerspace oder in einer großen Firma – sie alle können einfache, dringend benötigte Teile dezentral herstellen.

"Und dieser Spirit, dann auch die Daten auszutauschen, sich zusammenzutun, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und anderen Leuten was Gutes tun zu wollen, das ist etwas, das auch in die DNA dieser Maker-Bewegung eingeschrieben ist. Das ist eine ganz natürliche Reaktion von den Leuten, auch helfen zu wollen", sagt Peter König.
Geld verdienen, so der stellvertretender Chefredakteur des Make-Magazins, lässt sich mit solchen Aktionen nicht. Hohe Stückzahlen kann man im Prinzip nur dadurch erreichen, dass viele mitmachen. Die Copyright-Frage bleibt ein Problem. Bei den medizinischen Standards gelten momentan Sonderbedingungen.
"Ich glaube, dass diese Zeit jetzt aber genau auf das passt, was der 3D-Druck bieten kann", sagt er. "Nämlich eine schnelle, dezentrale Produktion vor Ort an ganz vielen Stellen von diesen einfachen Designs, die digital verteilt werden."

Schutzmasken gegen eine Spende

In China werden für Coronapatienten inzwischen ganze Isolierkammern aus Recyclingbaumaterial gedruckt, zehn Quadratmeter groß, 4000 Euro das Stück. Und selbst wenn dies nur eine Phase sein sollte, eine Hochphase des 3D-Drucks in einer Zeit großer Not, so musste diese Geschichte jetzt doch mal erzählt werden. Übrigens: Anke Domscheit-Berg und ihr Verstehbahnhof geben die Visiere kostenfrei ab.
"Da wird nix verkauft", sagt sie. "Wir sagen aber bei der Übergabe, wer etwas spenden möchte, findet unter www.havellab.org auch Angaben dafür wie man was spenden kann."
Und auch im italienischen Brescia bei Isinnova rattern die Drucker weiter. Inzwischen werden dort herkömmliche Schnorchelmasken in Kooperation mit der Firma Decathlon zu Beatmungsmasken umgedruckt.
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