3D-Röntgenscanner erleichtert Operationen

Von Thomas Gith |
Egal, ob es sich um einen chirurgischen Eingriff am Sprunggelenk, am Oberschenkelhals oder an der Wirbelsäule handelt: Jede Operation ist für den Patienten belastend - allein durch die Narkose und die anschließenden Wundschmerzen. Um zusätzliche Komplikationen nach dem Eingriff zu vermeiden, können Chirurgen ihre Arbeit noch im OP-Saal mit Röntgenbildern überprüfen.
So können sie etwa kontrollieren, ob Schrauben und Implantate perfekt sitzen. Mit den bisherigen Röntgengeräten ist das allerdings recht umständlich – Fraunhofer-Forscher haben daher jetzt einen sehr flexiblen 3D-Röntgenscanner entwickelt.

Ortsbesuch am Fraunhofer IPK in Berlin. Professor Erwin Keeve geht über lange und breite Flure mit hohen Decken, bleibt schließlich vor einer Tür stehen, schließt sie auf. Das Labor dahinter ist so hoch und groß wie eine kleine Halle. Mehrere Computerarbeitsplätze sind hier eingerichtet, hinter einem mint grünen Vorhang steht ein Operationstisch, außerdem ein rund zwei Meter langer Roboterarm, der eine faustgroße Röntgenquelle an der Spitze hat. Erwin Keeve.

"Also wir haben eine neue Konzeption für eine 3D-Röntgenbildgebung. Einige Produkte können das bereits, die am Markt verfügbar sind, interoperative 3D-Bildgebung. Aber dieses Konzept ermöglicht einen freien Zugang zum Patienten während der Operation."

Die Röntgenquelle an der Spitze des Roboterarms ist beweglich, lässt sich in alle Richtungen verstellen. Der Roboterarm hat außerdem ein Gelenk in der Mitte, kann sich also wie ein menschlicher Arm neigen und anwinkeln, erklärt Medizintechniker Marc Käseberg.

"Später im OP-Saal kann man sich das so vorstellen, dass der Roboter an der Decke hängt, und sozusagen von oben herab freien Zugang zum Patienten ermöglicht. Und nicht auf dem Boden rum steht, dort wo halt schon genug andere Geräte, wie Beatmungsgerät und sonstige Geräte vorhanden sind. Außerdem kann sich das Personal dann freier bewegen. Und der Roboter kann dann von oben herab jede Position oberhalb des Patienten erreichen und von dort aus optimal Bilder aufnehmen."

Der Röntgenscanner wird also fest unter der Decke des Operationssaals montiert, muss dann nicht jedes Mal auf- und abgebaut werden. Denn genau das ist bei den bisherigen Röntgengeräten so umständlich. Auch sie stehen als Demonstrationsobjekte hier im Labor. Sie sehen aus wie ein etwa eineinhalb Meter hohes C, das auf Rollen befestigt ist und deren halbrunder Bogen in einer Metallschale eingelassen ist. Marc Käseberg löst den Bogen und lässt ihn in der Schale auf- und abgleiten.

"Wir sehen hier vor uns ein C-Bogen-Gerät. Das ist das Standard 2D-Aufnahmesystem im OP. Also man hat hier so verschiedene Achsen, an denen man das drehen kann. Man kann dann das also auf die Region ausrichten, die der Arzt abbilden möchte, und dann einfach ein 2D-Bild aufnehmen."
Das Problem dabei: Der C-Bogen ist sperrig und nimmt Platz. Daher wird er erst herangefahren und am OP-Tisch positioniert, wenn die Ärzte ihn benötigen - etwa um zu prüfen, ob die Schrauben bei einem operierten Armbruch richtig sitzen oder ob das neue Hüftgelenk ideal in den Oberschenkelknochen eingepasst ist. Der neu entwickelte 3D-Röntgenscanner soll diese oft sperrige Ausrichtung vereinfachen.

"Unser System ist im operativen Ablauf viel schneller zu integrieren, da unser System immer vor Ort ist. Normalerweise, wenn man so einen C-Bogen hat, ist der während der OP ja nicht am Patienten, sondern da steht er ja und ist quasi außerhalb des Operationsfeldes.

Und erst wenn der Arzt einen Scan benötigt, wird die Operation unterbrochen, wird das Gerät herangefahren, am Patienten ausgerichtet. Das ist ein bisschen aufwändig, das Gerät exakt auf das Zielgebiet auszurichten, also auf das Gebiet, an dem der Arzt gerade operiert. Und dann müssen noch die Aufnahmen gestartet werden."

All das kann die Operation um bis zu 30 Minuten verzögern. Viel Zeit, die oft nicht vorhanden ist. Der neu entwickelte 3D-Röntgenscanner soll das ändern. Denn: Er lässt sich elektronisch steuern und in wenigen Minuten auf Hüfte, Lendenwirbelsäule oder Knie richten - dadurch wird viel Zeit eingespart. Zunächst macht der Röntgenscanner dabei in wenigen Sekunden mehrere hundert Querschnittsaufnahmen, erläutert Erwin Keeve.

"Das Gerät liefert eine Vielzahl von Einzelbildern, zweidimensionalen Einzelbildern. Unsere Software rekonstruiert das zu einem 3D-Volumen, zu einem Datensatz, der 3D dargestellt werden kann. Sie können also zum Beispiel hier diese Schichtdaten neigen, ja, in beliebiger Ebene und so genau das Areal, das anatomische Areal anschauen, das sie anschauen möchten."

Erwin Keeve demonstriert das am Monitor, der neben dem OP-Tisch steht. Auf der Bildfläche ist ein Wirbelkörper zu sehen. Mit der Maus kann man den Wirbelkörper anfassen, drehen, vergrößern, sogar in den Knochen hineinzoomen und die inneren Schichten ansehen – es ist, als würde man den plastischen Körper in der Hand halten. Operationsergebnisse lassen sich so unmittelbar kontrollieren – und das derzeit noch übliche Röntgen nach der OP vermeiden.

"Jeder Patient geht heute aus Qualitätssicherungsmaßnahmen, wenn er zum Beispiel ein Implantat bekommen hat oder das entfernt wird, am nächsten Tag oder zwei Tage danach in die Röntgenabteilung und dort wird eine Röntgenaufnahme gemacht, einfach aus Qualitätssicherungsmaßnahmen. Das könnte mit einem solchen System wie unserem direkt im Operationssaal erfolgen."

Sitzen Implantate also ungünstig, können sie direkt beim ersten Eingriff gerichtet werden – möglich Nachoperationen könnten entfallen. Ärzte und Patienten würden also gleichermaßen profitieren. Noch gibt es den flexiblen 3D-Röntgenscanner nur als Prototypen. Erste klinische Tests werden voraussichtlich 2013 beginnen - in etwa drei Jahren könnte das Gerät dann marktreif sein, hoffen die Entwickler.