Die Welt als etwas, wo Leute zu Gangstern werden müssen
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Wie kommt es, dass mit Serien wie "Dogs of Berlin" die Welt der Clans so populär ist? Soziologe Martin Seeliger sieht hier ähnliche Heldenstrukturen wie bei Robin Hood: Wer nicht teilhaben könne an der Gesellschaft, suche sich seinen Weg - auch mit Gewalt.
Das Treiben und die Gewalt der Clans sind gerade ein großes Thema in den Medien. Selbst die deutsche Politik hat das Thema für sich entdeckt - spätestens, nachdem im September ein Clan-Mitglied am hellen Tag am Tempelhofer Feld in Berlin hingerichtet wurde. Und natürlich ist da auch die Popkultur, wo mit "Dogs of Berlin" und "4 Blocks" gerade zwei große deutsche Serien zu sehen sind. Zumindest "4 Blocks" will dabei auch realistische Einblicke in die Finanzierung der Clans etwa durch Immobilienhandel liefern. Hier allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und popkulturellen Bildern.
Für den Soziologen Martin Seeliger liegt der Grund für die aktuelle Popularität dieser aktuellen Clan-Geschichten auf der Hand: "Weil hier Klischees bedient werden: Der Prototyp des Gangsta-Rappers ist der misogyne Gewalttäter mit Migrations- und ohne Bildungshintergrund." Und hinzu komme hier der parallele Erfolg in in der Musik: "Gangsta-Rap ist das erfolgreichste Genre in der deutschen Popmusik", wie Seelinger betont.
Gangsta-Rap und der Kampf um gesellschaftliche Teilhabe
Martin Seeliger verweist für die Einordnung des Gangsta-Rappers als literarische Figur auf Robin Hood, der quasi das Vorbild des Gangster-Helden sei: "Der war nicht nur kriminell, der hatte auch noch Recht, weil er den Reichen etwas wegnimmt und es den Armen gibt. Das Räuberimage transportiert hier eine ganz starke Gesellschaftskritik und ist ein Topos, den wir in einer abgewandelten Form auch bei den Gangstarappern wiederfinden und auch in diesen Sendungen jetzt."
Ein ebenso starkes Vorbild für die Darstellung der Charaktere bei "Dogs of Berlin" und "4 Blocks" sei aber auch das Mafia-Bild aus den USA, betont Seelinger: ein durchsetzungsstarker und vor allem skrupelloser cooler Typ, ein harter Krimineller mit Stil. Diese Mafia-Vorlage sei dabei sehr vielschichtig, denn der Mafia-Held in Krimis oder in Filmen sei entstanden aus dem Streben um Teilhabe durch eine Einwanderergruppe.
Auf ihr Außenseitertum reagiere diese Gruppe durch das Schaffen eigener Strukturen und könne so am Leben teilhaben. "So wurden für einige solche Parallelstrukturen attraktiv und relevant", sagt Seelinger und betont, dass eben solche Parallelstrukturen auch in "4 Blocks" zu beobachten seinen, also etwa der Drogenhandel, die Prostitution oder das Glücksspiel, das hier inszeniert werde. "Das ist ein gesellschaftliches Integrationsproblem von Einwanderungsgesellschaften."
Die Idee der Gangsterstories ist es nicht, Auswege aufzuzeigen
Der Hype um den Gangsta-Rap sei nichts aktuell Neues und habe es auch in Deutschland bereits vor 2010 gegeben. Verklärt werde hier und jetzt noch stärker als zuvor allerdings sehr klar auch die Gewalt als Mittel: "Das ist dann auch der Robin-Hood-Topos: Die Welt als etwas, wo Leute zu Kriminellen gemacht werden." Diese Welt sei eine ungerechte Welt.
Weil es sich bei diesen Serien aber um Unterhaltung handle, würden hier nicht die Ursachen von Migration und fehlender Integration sowie mögliche Auswege thematisiert. Seeliger äußert auch die Hoffnung, dass diese Serien so etwas wie eine Neugier hinterlassen, sich einmal ernsthaft mit migrantischen Themen, Problemen und Lebenswelten auseinanderzusetzen.