Literaturtage im aufgewühlten Österreich
Zweite Chance für Österreichs EU-Gegner: Die Präsidentschaftswahl wird wiederholt. Die Klagenfurter Literaturtage finden also in brisanter Atmosphäre statt. Wir reden über die Lage von Kultur und Literatur in dem gespaltenen Land – und über Sinn und Unsinn der Veranstaltung.
Seit Jörg Haiders Zeiten als Landeshauptmann von Kärnten hat der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt wohl nicht mehr in einer politisch derart brisanten Atmosphäre stattgefunden: Die österreichische Präsidentschaftswahl muss wiederholt werden, nach dem Brexit bekommen die österreichischen EU-Gegner nun eine zweite Chance. Wir sprechen mit dem Publizisten Achim Thurnher über die Lage von Kultur und Literatur in einem gespaltenen Land, das literarische Kritik – man denke an Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek – seit jeher nur schwer erträgt.
Armin Thurnher schreibt derzeit an "Europäischen Lektionen aus der Alpenrepublik", die im September unter dem Titel "Ach, Österreich" im Paul-Zsolnay-Verlag erscheinen werden. Vor drei Jahren hat er sich bereits die "Republik ohne Würde" vorgenommen. Der Publizist begründete die Wiener Stadtzeitung "Falter", deren Herausgeber und Chefredakteur er bis heute ist.
Am Wettbewerb ist nur interessant, was die Medien daraus machen
Und eine doppelte Preisträgerin diskutiert mit Deutschlandradio-Literaturredakteur Kolja Mensing über Sinn und Unsinn des Bachmann-Events. Im 40. Jahr des Wettbewerbs ist es ihr eigentlich egal – nicht aber, was Medien und Soziale Medien daraus machen.
2006 gewann die Journalistin und Schriftstellerin Kathrin Passig aus Berlin selbst den Ingeborg-Bachmann-Preis. Und am Freitag wurde bekannt, dass sie den wichtigsten deutschen Publizistikpreis erhält, den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay. Die mit 20.000 Euro dotierte Ehrung wird im Herbst verliehen, zusammen mit dem Büchner-Preis, der 2016 an Marcel Beyer geht.
In Klagenfurt lesen Autoren, Juroren urteilen. Bisweilen stellt sich die Frage, wer dabei sprachmächtiger oder ohnmächtiger ist. "Schnipsel aus dem Geschichtsbuch", lautet ein Vorwurf. "Das geht mir auf den Wecker, dass ich bei jedem dritten Begriff googeln muss", ein anderer. Da wird fast lyrisch ein "Bewusstseinskraulen mit verzockter Wende" reklamiert oder ein geradezu apodiktisches Urteil gefällt: "Der Text hätte genauso gut vor 25 Jahren geschrieben werden können, und der große Vorteil ist: Er kann auch noch in 25 Jahren gelesen werden!" Holger Heimann hat Stimmen der Jury aus Klagenfurt gesammelt.