40. Christopher Street Day in Berlin

"Wir wollten eine andere Gesellschaft"

Rosa von Praunheim im Backstage Bereich an der Bühne am Brandenburger Tor;40. CSD Berlin 2018 Pride Christopher Street Day Parade Umzug Start am Kurfürstendamm, *** Portrait of Rosa von Praunheim in the backstage area at the stage at the Brandenburg Gate 40 CSD Berlin 2018 Pride Christopher Street Day Parade Relocation Start on the Kurfürstendamm
Der schwule Filmemacher Rosa von Praunheim am Rande des 40. Christopher Street Day Berlin © imago stock&people
Rosa von Praunheim im Gespräch mit Britta Bürger |
Zur Bilanz nach 40 Jahren Christopher Street Day in Berlin betrachtet der Filmemacher Rosa von Praunheim die heutige Situation, trotz einiger Erfolge, besorgt. Die Schwulenbewegung habe sich zu sehr kommerzialisiert und von den ursprünglichen Zielen entfernt.
In all den Jahren seit dem ersten Berliner Christopher Street Day sei durchaus viel erreicht worden, sagt Rosa von Praunheim, Filmemacher und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland.
"Man denke nur an Klaus Wowereit, dass er als Politiker trotz seines Bekenntnisses 'Ich bin schwul. Und das ist gut so.' wiedergewählt wurde. Das ist natürlich ein großer Fortschritt. Aber auf der anderen Seite gibt es immer noch junge Leute, die es schwer haben, ihr Coming-Out zu leben. Gerade in Schulen sind Schimpfwörter wie 'schwule Sau' gang und gäbe."

Gegendemos von Homophoben beim Schwulenmarsch

Auch engagiere sich die deutsche Bewegung nicht ausreichend für queere Menschen in Ländern wie Russland, der Türkei oder arabischen Staaten, meint von Praunheim. "Es ist sehr schwer in Diktaturen da was zu machen, oder wenn die Mehrheit homophob ist." Er kenne das aus dem Baltikum, unter anderem aus seiner Geburtsstadt Riga, wenn bei einem dortigen Schwulenmarsch viele christlich-schwulenfeindliche Leute Gegendemonstrationen machten. Und in Russland seien die kleinsten öffentlichen Zusammenkünfte Homosexueller strafbar. "Die Gefahr dieser nationalistischen Welle, dieser undemokratischen Strömungen, die jetzt in Europa überschwappen, aber auch in Amerika, das ist beängstigend."

Hohn des US-Botschafters beim CSD

Er finde es gut, dass der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg ein AfD-Aussteigerprogramm als Zeichen gegen Rechts gestartet habe. Schließlich gebe es den US-Botschafter Richard Grenell in Berlin, der bekennender Schwuler und Rechtsradikaler sei, so von Praunheim. "Der war mit dem Wagen der US-Botschaft bei der CSD-Demonstration dabei, mit einem 'Love'-Plakat. Wenn man weiß wieviel 'Liebe' von US-Präsident Trump den Ausländern entgegengebracht wird, mit der Drohung eine Mauer zu Mexiko zu bauen, dann ist das alles Hohn!"

Der Zeitgeist liegt momentan auf der rechten Seite

Es sei schon immer so gewesen, dass es auch in der Schwulenbewegung Rechte gegeben habe. Die Schwulenbewegung dürfe sich aber gegenüber denen nicht anders verhalten, als alle Demokraten auch. "Wir sollten versuchen Menschen zu überzeugen, zu reden. Es hat ja keinen Sinn jetzt Hass zu schüren. Man muss da Kontakt aufnehmen. Man muss sich zeigen. Gerade in den Gegenden, in denen die AfD gewählt wird, da muss man hingehen und sich mit den Leuten auseinandersetzen."
Auf den Einwurf, dass doch aber die AfD heute von den CSD-Machern ausgeschlossen war, sagt von Praunheim: "Ja, ja, das war sie. Das kann man eben diskutieren. Es ist nun mal eine schwierige Situation. Ich denke, dass momentan die Rechte, die nationalistische Szene, das ist was wir damals 1968 waren. Da ist plötzlich so ein Zeitgeist da, der den Leuten Kraft gibt, und der liegt momentan auf der rechten Seite, auf der rechtsradikalen Seite."

Angepasste und kommerzialisierte Schwulenbewegung

Er habe früher mit seinen Mitstreitern dafür gekämpft, dass sich die Gesellschaft wirklich verändert. "Wir waren nicht dafür, die Heterosexuellen nachzumachen, in der Ehe zum Beispiel, oder dass wir Pfarrer werden können oder zur Armee gehen. Das waren nicht unsere Ziele. Wir wollten eine andere Gesellschaft, ein Zusammenleben mit Familien, mit Kindern, in viel größeren Zusammenhängen, also gegen Kleinfamilien. Das hat sich leider alles zerschlagen. Die Schwulenbewegung hat sich sehr angepasst, sich sehr kommerzialisiert und dass es jetzt so etwas wie 'schwule Kleinfamilien' gibt, oder die 'Ehe für alle', das mag für einige gut sein, aber mir persönlich behagt das nicht."
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