Antikriegssong von Nena wird 40

Wo fliegen heute 99 Luftballons?

06:47 Minuten
Nena in einem Porträt von 1985
Nenas Song "99 Luftballons" von 1983 wurde weltweit ein Erfolg. Heute finden Antikriegssongs ihr Publikum in Nischenszenen. © picture alliance / dpa / Istvan Bajzat
Tobias Rotsch im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Vor 40 Jahren landete Nena mit "99 Luftballons" einen Hit. Sie gab darin der Angst vor einem Atomkrieg Ausdruck. Warum es dennoch nicht auf den Text ankam und wie heute Antikriegslieder ihr Publikum finden, erklärt der Musiker Tobias Rotsch.
Im Jahr 1983 stieg die Band Nena mit "99 Luftballons" neu in die deutschen Charts ein. Der Song kam nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz eins, sondern auch in Großbritannien. Später landete er in den USA auf Platz zwei der Billboard-Charts – und das mit deutschem Text. Dieser entstand in einem politischen Kontext: Die Supermächte USA und Sowjetunion standen sich mit ihrem Arsenal an Atomraketen als Feinde gegenüber. Die Angst vor einem Krieg war allgegenwärtig.

99 Jahre Krieg
Ließen keinen Platz für Sieger
Kriegsminister gibt’s nicht mehr
Und auch keine Düsenflieger
Heute zieh ich meine Runden
Seh’ die Welt in Trümmern liegen
Hab’ ‘nen Luftballon gefunden
Denk’ an dich und lass’ ihn fliegen.

Auszug aus "99 Luftballons" von Nena, Text von Carlo Karges

Der große kommerzielle Erfolg des Liedes lässt sich allerdings nicht einfach erklären, wie der Musiker, Musikpädagoge und -wissenschaftler Tobias Rotsch betont. Am Songtext hat es seiner Ansicht nach nicht unbedingt gelegen. Rotsch sieht vielmehr ein Zusammenspiel vieler Faktoren: die "Gesamtästhetik" von Nena und deren selbstbewusstes Auftreten, die Mischung aus "coolen Rockelementen" mit der "Candiness" der Neuen Deutschen Welle, der Synthiepop, dazu eine Melodie mit "Ohrwurmcharakter". Das habe den Zeitgeist getroffen.
In den 1980er-Jahren gab es auch andere Songs mit Kriegsthematik, die in die Charts kamen, wie beispielsweise "Russians" von Sting. Heute haben Antikriegssongs nicht mehr in dieser Breite Erfolg. Das liege vor allem an einer neuen Art der Musikrezeption und veränderten Medien, so Rotsch.
Bis in die Zeiten von Nenas "99 Luftballons" stand demnach das Radio an erster Stelle in Sachen Popmusik. Dann habe es das Musikfernsehen gegeben. Heute bestehe mit den Sozialen Medien und Streamingdiensten eine ganz andere Medienlandschaft.

Statt Starkult im Radio viele Nischenszenen

Rotsch nennt es das "Zeitalter einer Hyperdiversität", in dem es große Künstler und Künstlerinnen nur noch selten schaffen, Starkult zu erreichen. Parallel dazu gebe es viele Nischenszenen und Jugendkulturen, die alle ihre eigenen Musik- und Fanszenen hätten. Das sei auch positiv: "Innerhalb dieser Szenen und Kulturen verbreiten sich auch genauso politisch relevante Stücke."

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Bei aktuellen Antikriegssongs - wenn man sie denn suche oder die einem in der eigenen "Bubble" begegneten - handele es sich also eher um Songs, "die ihre Zielgruppe erreichen und nicht mehr automatisch auf den großen Markt des Radios" gespült werden.
(bth)
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