40 Jahre Gettoblaster

Subversives Werkzeug der Popmusik

Ein Ghettoblaster steht vor zwei goldenen Discokugeln.
Im Juli 1981 erschien im Texas Monthly-Magazine die erste Anzeige für eine tragbare Stereoanlage. © imago / agefotostock / dubassy
Von Laf Überland |
Beim Rollschuhlaufen, Basketballspielen oder Graffitisprühen: In den 80er-Jahren war der Gettoblaster allgegenwärtig. Und bis zu 13 Kilo schwer. 40 Jahre später sind die Geräte zwar leichter, aber die kulturelle Relevanz ist dahin.
Im Anfang war der Radiorekorder. Das war in den Siebzigern ein Kofferradio, mit dem man seine Lieblingshits aus dem Rundfunk gleich auf Kassetten aufnehmen konnte.
Dann kamen japanische Firmen auf die Idee, dieses Gerät zur Stereoanlage für Jugendzimmer zu erweitern – als tragbares Komponentensystem in einem bulligen Kasten, in dem zwei Boxen mit fetten Basslautsprechern und ein Radio steckten, ein Kassettenrekorder und ein Verstärker, wenn man den Henkel abmachte, konnte man die Einzelteile sogar nebeneinander aufbauen.
Als im Juli 1981 im Magazin "Texas Monthly" die erste Anzeige für das neuartige tragbare Komponentensystem erschien, wurde es auf dem Foto von fünf fröhlich lachenden afro- und latinoamerikanischen Basketballspielern der großen göttlichen Harlem Globetrotters gehalten: Das passte perfekt zur tatsächlichen Zielgruppe des Geräts.

Auf die Schulter und ab nach draußen

Vor allem die Bewohner der multiethnischen Viertel – von Compton in Los Angeles bis Bedford Stuyvesant in Brooklyn – wurden die Hauptkäufer dieser Schallwerfer. Diese nahmen die Boomboxen, wie sie genannt wurden, eben nicht auseinander, sondern setzten sie auf die Schulter und zogen damit nach draußen und trafen sich mit ihren Possees. Deshalb bekam das Geräte noch den anderen Spitznamen: Gettoblaster. Einige nannten es auch anhänglich ihr "Radio", ohne das sie nicht mehr leben konnten.
Auf dem Basketballplatz stand das Ding dann in der Ecke und beschallte das Spiel; im Central Park liefen Rollschuhläufer dazu im Kreis und verstärkten den Sound ins Gigantische, indem sie alle Blaster auf denselben Radiosender einstellten: der Sound von 50 Basslautsprecherpaaren. Woooow! Bald gehörten die Gettoblaster auch zum Breakdancen und Graffitisprühen.
Die Besitzer von Boomboxen hatten meist das Sagen bei den Kids, denn sie kontrollierten den Lautstärkeregler. Außerdem waren sie meist ziemlich stark – notgedrungen, wenn sie den ganzen Tag diese Dinger auf den Schultern mit sich rumschleppten: Der legendäre Sharp VZ-2500 wog ohne Batterien 13 Kilo.

Subkultur-Maschine für den frühen Rap

Mit Beats, Bass und Lautstärke war der Gettoblaster ein subversives Werkzeug der Popmusik zur Gemeinschaftsbildung. Meist hatten die Boomboxen zwei Kassettenrekorder eingebaut (die CD-Ära lief gerade erst an). Wenn man an einem Typen vorbeikam, der gerade einen ultracoolen Beat abspielte, konnte man sich schnell eine Kopie davon ziehen und darüber rappen. So wurde der Gettoblaster auch zum ersten tragbaren Vehikel, das den frühen Stimmen des Hip-Hop Gehör verschaffte.
Aber dann, als diese Subkultur-Maschine zur Mode wurde, drängten bald Billiggeräte aus Taiwan und Hongkong auf den US-amerikanischen Markt: aus Plastik, nix mehr Metallgehäuse, billig. Der Niedergang dauerte bis Mitte der 90er.
Aber da war auch Hip-Hop zum Mainstream geworden und die meisten Graffitis von U-Bahnen abgewaschen. Die neueste Mode, draußen Musik zu hören, war dann der Walkman, der riss mit seinem Kopfhörer über den Ohren vorübergehend wieder ein soziales Loch in die jugendlichen Musikgemeinschaften – bis dann die neuen Bluetooth-Boxen die Musik-Kakofonie wieder kollektivierten. Aber sozial relevant war das dann eher nicht mehr.
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