"Die Gegenwart wie ein Schwamm aufgesogen"
Der Max Ophüls Preis ist eines der bedeutendsten Filmfestivals für deutschsprachige Nachwuchsfilmer. In seiner Jubiläumsausgabe hat es "Das melancholische Mädchen" von Susanne Heinrich als besten Film geehrt. Eine gute Wahl, meint Patrick Wellinski.
"Ein richtiger guter Film und ein richtig guter Gewinnerfilm auf jeden Fall", beurteilt Patrick Wellinski, Film-Kritiker bei Deutschlandfunk Kultur, die Auszeichnung von "Das melancholische Mädchen" der Regisseurin Susanne Heinrich mit dem Max Ophüls Preis für den besten Film. Er sei durchaus ein Favorit der Kritik gewesen und es sei Film, "der sich nicht nur durch die Art der Erzählung von den anderen Wettbewerbsfilmen unterschieden hat, sondern auch darin unterscheidet, dass hier die Regisseurin die Gegenwart förmlich wie ein Schwamm aufgesogen hat", erklärt Wellinski.
Versuchsanleitung für modernen Feminismus
In dem in Episoden aufgebauten Film sei jede Episode "eine kleine Versuchsanleitung über die ganz großen Diskurse und Debatten unserer Gegenwart, also der moderne Feminismus, die Gendertheorie. Auch die Ausstellung des weiblichen Körpers im Film wird Thematisiert." Die Hauptdarstellerin sei, obwohl sie mit diversen Männern Sex hat, fast nie nackt zu sehen, während das bei den männlichen Schauspielern eher andersrum sei. "Also hier wird einmal der männliche Körper ausgestellt."
Intelligent und unterhaltsam zugleich
Der Film erinnere an den frühen Stummfilm wie bei Buster Keaton aber auch an das skandinavische Kino "wie das von Roy Andersson, der auch immer große Tableaus zeichnet und darin die ganze Absurdität der Menschheit sich abspielt", meint Wellinski. "Das melancholische Mädchen" sei ein phänomenaler Debütfilm, "der so intelligent daherkommt und gleichzeitig sehr unterhaltsam ist."
Drehbuchpreisträger "Cronofobia" zwiespältig
Weniger überzeugt habe unseren Filmkritiker aber der zweite Gewinner des Abends – der Film "Cronofobia" des Schweizers Francesco Rizzi, der den Preis für den besten Regisseur und das beste Drehbuch erhielt und bei dem die Jury die elegante Inszenierung der Auslassung lobte. Der Film schaffe es nicht, filmisch etwas zu erzählen, so Wellinski. Und "deshalb finde ich auch den Drehbuchpreis seltsam, weil man Auslassungen ja nicht wirklich schreibt."
"Joy" - Ein Film, der noch lange im Filmdiskurs bleiben wird
Der Preis für den gesellschaftlich relevanten Film – vergeben von Deutschlandfunk Kultur und der Zentrale für Politische Bildung – ging an die österreichische Regisseurin Sudabeh Mortezai für ihren Film "Joy". In dem Film kommt eine Frau aus Nigeria nach Wien und arbeitet als Prostituierte. Das Spannende an diesem sensationellen Film sei, so Wellinski, dass die Regisseurin mit Frauen gearbeitet hat, "die dieses Schicksal wirklich erlebt haben". In dem Film spielten sie aber fiktionale Charaktere.
"Das ist nicht nur ein sehr reifer Film. Das ist auch ein hochintelligenter Film, der zurecht ausgezeichnet worden ist mit unserem Preis." Auch die Hauptdarstellerin in "Joy", Joy Alphonsus, wurde mit dem Preis als beste Darstellerin geehrt. "Das ist auch ein Film – neben "das Melancholische Mädchen" übrigens – von dem ich mir erwarte, dass er noch Wochen und Monate später eine Rolle im Filmdiskurs spielen wird."
Jubiläumsausgabe weist in die Zukunft
Die 40. Ausgabe des Filmfestivals Max Ophüls Preis "hat mir sehr gut gefallen dieses Jahr", erklärt Patrick Wellinski. Man habe sich auf die Zukunft ausgerichtet mit Webserien und Formatlaboren. Es sei ein "Ort, der sehr wichtig ist und als erstes Festival des Jahres sowieso und ich glaube, die jungen Filmemacher schätzen das sehr, dass sie regelmäßig mit ihren Filmen hier eine Premiere feiern können."
(kpa)