412. Wartburgkonzert: Akademie für Alte Musik Berlin und Christine Schornsheim

Der Bach-Familie nachgetastet

104:07 Minuten
Christine Schornsheim steht in einem langen Flur eines hinstorischen Gebäudes, das viele Fenster zeigt.
Christine Schornsheim konnte vorerst dem Cembalo nichts abgewinnen, bis sie sich "auf den zweiten Blick" in die Klangwelten des Instrumentes verliebte. © Astrid Ackermann
Moderation: Haino Rindler · 11.06.2024
Aus der weitverzweigten Familie stehen Werke vom Eisenacher Vetter Johann Bernhard Bach auf dem Programm, von Johann Sebastian und seinem ältesten Sohn Wilhelm Friedemann. Christine Schornsheim hat ein passendes Cembalo extra auf die Wartburg mitgebracht.
Die Akademie für Alte Musik Berlin ist immer wieder Gast beim Wartburgkonzert. Dieses Mal mit einem Programm um die Familie Bach

Ohne die Bachs ging nichts

„Habe er schon einen Bachschen bestellt?“. So wurde sich um 1600 vergewissert, ob für ein Fest, für eine Hochzeit, eine Taufe oder ein Begräbnis denn schon die Musiker bestellt seien. Der Begriff „Bachsche“ stand für „Musiker“, denn kaum ein Ort in Thüringen kam ohne ein Bach-Familienmitglied in Musikbelangen aus.
In der Mühle in Wechmar, das als Bach-Stammhaus gilt, kann man heute auf einer großen Wand einen Überblick über die Bach-Familienmitglieder erhalten, denn dort wird ein übergroßer Stammbaum der Familie aufgezeigt. Darin finden sich auch die Namen Johann Bernhard, Johann Sebastian und auch Wilhelm Friedemann.

Familiäre Erweiterung

Das Programm wird durch Musik von Georg Philipp Telemann eröffnet. Mit diesem Komponistenkollegen führten die Bachs regen Austausch, so freundschaftlich, dass Telemann Taufpate des zweiten Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach wurde.
Georg Philipp Telemann war Autodidakt. Seine berühmteste Veröffentlichung waren seine drei Bände der sogenannten „Tafelmusik“, in der ungezwungen-freundliche, nicht zu groß besetzte Suiten zusammengebunden wurden. In dieser Tradition steht auch die Ouverture in fis-Moll, die acht unterschiedliche Tanzstile präsentiert. In der „Angloise“ und der „Le Batelage“ zeigte sich Telemann auch von seiner humorvollen Seite, denn den Kennern bot er leise versteckte Sticheleien gegen Komponistenkollegen wie Händel und Biber: den einen überführte er als Mann der pompösen Musikgesten, den anderen als Macher überdrehter Violinkapriolen.

Zeigen, was man kann

Die „Kunst der Fuge“ konnte Johann Sebastian Bach krankheitsbedingt nicht mehr selbst publizieren. Er wollte in diesem Konvolut demonstrieren, vielleicht auch der Konkurrenz beweisen, dass er über den wahren Kompositions- und Könnerhorizont in Punkto Fugenkomposition verfügte: Ein Thema, das er mit allen Verfahren, mit allen Regeln der Kunst zu verarbeiten wusste.
Dabei hatte Bach nicht an eine Präsentation aller Fugen und Kanons in einer Aufführung gedacht. Und doch hat sich inzwischen die Forschung darauf verständigt, dass das Werk für Tasteninstrumente gedacht war, auch wenn jede Stimme wie in einer Partitur für verschiedene Instrumente notiert wurde. Die Faszination über die Musik zeigte sich auch darin, dass Ensembles und Instrumentalgruppen sich das Werk aneigneten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffnete sich der Konzertsaal mehr und mehr für das Werk und ließ Bearbeitungen für diverse Besetzungen zu.

Konzerte im Vergnügungsmodus

Wenn Leipzig um 1730 Vergnügungssteuer gefordert hätte, dann hätte die Stadt auch gutes Geld mit dem „Zimmermannischen Caff ee-Hauß“ gemacht. Hier trat das von Telemann gegründete Collegium Musicum auf. Bach hatte das Ensemble übernommen und musste Vergnügen an den Veranstaltungen in dem nicht ganz züchtigen Etablissement gehabt haben.
Für ihn fühlte es sich vermutlich wie eine musikalische Kur an, denn hier musizierte er auf sicherer Distanz von Schul- und Kirchendienst-Verpflichtungen. Das Cembalokonzert, heute unter der Nummer BWV 1054 zu finden, zog er aus der Schublade: er hatte es vor Jahren für die Violine komponiert. Bach verwandelte den virtuosen Geigen-Solopart in eine spielfreudig lebendige Tasten-Partie.

Gute Musik aus der weiteren Verwandtschaft

Als Johann Sebastian Bach nach Leipzig in die große Wohnung in der Thomasschule zog, brachte er nicht nur Frau und Kinder mit, sondern auch Instrumente und eine eigene Notensammlung. Darin befanden sich auch etliche Orchestersuiten seines Cousins zweiten Grades, von Johann Bernhard Bach (dem Älteren), der ab 1703 der „Bachsche“ in der Hofkapelle des Herzogs von Sachsen-Eisenach war und als Cembalist wirkte. Das Orchester galt in dieser Zeit ob seiner musikalischen Qualitäten als Edelklangkörper.
Johann Sebastian schätzte Bernhard sehr. Seine Suiten gehörten zum Kernrepertoire der Musikveranstaltungen vom Collegium Musicum. Denn sie brachten festliche Würde ins Programm.

Fähige Söhne

Johann Sebastian Bach gründete selbst eine große Familie mit insgesamt 20 Kindern. Seine erste Frau Maria Barbara schenkte ihm sieben Kinder, Anna Magdalena dreizehn. Zehn erreichten das Erwachsenenalter, vier seiner Söhne führten die Musiktradition fort. Zu seinem ältesten Sohn Wilhelm Friedemann, später der „Dresdener-“ oder „Hallescher Bach“ genannt, soll die innigste Vater-Sohn-Beziehung bestanden haben. War er doch der erste seiner Söhne, den Bach am Klavier selbst ausbildete. Die Klavierbücher mit kleinen Lehrstücken zeugen vom pädagogischen Geschick des jungen Vaters.
Wilhelm Friedemann wuchs zu einem der geachtetsten Orgel und Klaviervirtuosen seiner Zeit heran und wurde Organist der Dresdner Sophienkirche. Dresden war der Musikhotspot voller Prunk und Musikliebhaberei. Wilhelm Friedemann spielte in den Adelshäusern, unternahm aber auch Reisen. So fuhr er in den 1740er Jahren Richtung Leipzig für Konzertauftritte. Für derartige glänzende Auftritte komponierte er sein Cembalokonzert in g-Moll.
Aufzeichnung vom 25.05.2024 im Festsaal des Palas der Wartburg, Eisenach

Georg Philipp Telemann Ouverture
(Suite) fis-Moll für Streicher und Basso continuo, TWV 55:fis1

Johann Sebastian Bach
Auszüge aus der "Die Kunst der Fuge", BWV 1080:
Canon alla Ottava (Cembalo)
Contrapunctus 4 (Streicher)

Concerto D-Dur für Cembalo, Streicher und Basso continuo, BWV 1054

Johann Bernhard Bach
Ouverture (Suite) Nr. 2 G-Dur

Wilhelm Friedemann Bach
Cembalokonzert g-Moll, BR-WFB: C 17

Zugabe:
Johann Sebastian Bach
Konzert für Cembalo, Streicher und Basso continuo Nr. 5 f-Moll, BWV 1056:
2. Satz: Largo

Christine Schornsheim, Cembalo
Mitglieder der Akademie für Alte Musik Berlin:
Georg Kallweit, Violine, Konzertmeister
Elfa Rún Kristinsdóttir, Violine
Clemens Nuszbaumer, Viola
Katharina Litschig, Violoncello
Kit Scotney, Kontrabass

Mehr zum Thema