Vom Nussschüsselblues und NS-Witzen
Ehrenpreisträger Konstantin Wecker träumt von sozialer Gerechtigkeit, der Gewinner der Sparte Kabarett, Tobias Mann, ätzt gegen Donald Trump - die Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises war wieder einmal politisch. Natürlich war der Abend trotzdem unterhaltsam. Bis hin zum Lied über die Erdnussschale auf der Kneipentheke.
Priol: "Der Deutsche Kleinkunstpreis in der Sparte Kleinkunst geht an Nico Semsrott", kurz NS.
Semsrott: "Das ist mein Name, an sich erstmal langweilig, aber mit den Initialen liege ich voll im europäischen Trend." (Lachen) "Mittlerweile bin ich meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich nicht Simon genannt haben, oder so."
Einer dieser Semsrott-Witze, an dem das Publikum ein wenig würgt. Der junge, bebrillte Berufsdepressive im schwarzen Kapuzenpulli ist als "Demotivationstrainer" geradezu geboren:
"Aufgewachsen bin ich am Stadtrand, der Stadtrand kombiniert die Nachteile von Stadt und Land, das kulturelle Angebot des Lands und den Lärm der Stadt. Und zwar in einem Reihenhaus. Das Reihenhaus kombiniert die Nachteile von Besitzen und Mieten, die hohen Kosten und die fehlende Privatsphäre." (Lachen)
Subversive Schwermut ist Semsrotts Grundhaltung, und genau dafür wird er ausgezeichnet.
"Die schlechte Laune ist auf jeden Fall Opposition gegen eine Gesellschaft, die nach Glück und Erfolg strebt. Insofern ist das subversiv, und meine Form von Realismus ist auch Rache für alles, was mir angetan wurde."
Dass sich Semsrott über den Oskar des Kabaretts freut, wäre zu viel behauptet.
"Für mich ist das Mobbing. Ich will ja ein Vorbild sein im Scheitern, da ist dann jede Auszeichnung, die von einer Leistungsgesellschaft kommt, Hohn!"
Das Gegenprogramm zum traurig-lahmen Depri-Performer liefert der Preisträger in der Sparte Kabarett: ein Stehauf-Mann, dieser Mann, Tobias mit Vornamen. Er singt, blubbert, witzelt, schnellt über die Bühne. Und ist nur selten sprachlos - wie in dem Moment, als er erfuhr, dass er in den Kabarett-Olymp aufsteigt.
"Es ist krass - als Mainzer in Mainz in meinem geliebten Unterhaus diesen Preis entgegen nehmen zu dürfen, das ist schon eine große Ehre!"
Als Fastnachter fing Tobias Mann an, inzwischen hat er gemeinsam mit Christoph Sieber, dem Mainzer Preisträger von 2015, eine eigene Satiresendung im ZDF. Mann teilt aus gegen Trump, bei dem jede nicht auffallend ausfallende Rede als "präsidial" bejubelt wird, gegen die Grünen, die warten, bis sie "schwarz" werden, und gegen die AfD, die ihren Thüringer Provokateur Björn Höcke bestimmt nicht rauswirft.
"Fairerweise muss man aber sagen - das wird beim Höcke zu wenig erwähnt: Der kann ja nichts dafür, dass er so ist, wie er ist. Haben Sie schon mitbekommen: Der hatte eine schlimme Kindheit."
Publikum: "oooch."
"Doch, das kam jetzt raus, als kleiner Bub ist der in so 'n Kessel mit rechts drehendem Joghurt gestürzt. Und seitdem göbbelt der da rum." (Lachen)
Auch Ehrenpreisträger Konstantin Wecker arbeitet sich stetig ab an denen, die "rumgöbbeln". 1977 bekam er schon mal die begehrte Glocken-Trophäe - damals in der Lied- und Chanson-Sparte.
Als links-grün-versiffter 68er, als weltfremder Weltverbesserer und naiver Gutmensch lässt sich der Münchener Liedermacher übrigens gern schmähen. Ja, er will gut sein, Mitgefühl zeigen und die Welt verbessern dürfen. Er singt: "Was wir im Überfluss haben, das müssen andere schmerzlich vermissen."
Barock und voluminös klingt Wecker, selbst wenn ihm wie an diesem Abend eine Bronchitis auf die Stimme schlägt. Filigraner Spott ist dagegen Stil des Göttinger Duos, dessen Name nicht Programm ist: "die feisten", Matthias Zeh und Rainer Schacht, kassieren den Kleinkunst-Preis 2017 in der Sparte Lied. Für so etwas wie den "Nuss-Schüssel-Blues" - kennt doch jeder, dieses verlockende Erdnuss-Häufchen auf der Kneipen-Theke. Doch Vorsicht:
"Greif nicht in die Schüssel
mit den Nüssen rein.
Da drin können viele
Dinge außer Nüssen sein. Keime, Viren, Bakterien
machen in der Nuss-Schüssel Ferien."
mit den Nüssen rein.
Da drin können viele
Dinge außer Nüssen sein. Keime, Viren, Bakterien
machen in der Nuss-Schüssel Ferien."
Die Förderpreis-Trägerin der Stadt Mainz ist Schweizerin und mit Anfang zwanzig schon fernseh-bekannt: Hazel Brugger übernimmt gelegentlich Parteitags-Reportagen für die "Heute Show" von Oliver Welke und tritt mit Dieter Nuhr im Ersten auf. Kein Wunder daher, dass die Auszeichnung sie nur mäßig beeindruckt. Und das Fördergeld noch weniger:
"Der aufmerksame Zuschauer bemerkt: Völlig zu Recht kriegt die junge Brugger das Fördergeld von der Stadt Mainz über 5000 Euro. 5000 Euro, das ist gerade so viel, dass die Deutschen beeindruckt sind und die Schweizer nicht lachen."