Kein Date, kein Sex
Die 4B-Bewegung kommt aus Südkorea. Dort verbannen Frauen Männer weitgehend aus ihrem Privatleben – als Protest gegen den zunehmenden Antifeminismus. Nach dem Wahlsieg Trumps findet 4B nun auch in den USA mehr Anhängerinnen.
In einem TikTok-Video tanzt eine Frau euphorisch und schreibt: „So fühlt es sich an, nachdem ich mich von meinem Freund getrennt habe, weil er nicht verärgert genug darüber ist, was gerade in diesem Land passiert ist.“ Auch andere Frauen geben die Trennung von ihren republikanischen Partnern bekannt – und verbannen Männer weitgehend aus ihrem Privatleben. Manche raten sogar direkt zur Sterilisation.
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump entdecken Frauen in den USA die feministische 4B-Bewegung aus Südkorea und rufen in den sozialen Medien zum zölibatären Protest auf. Damit wenden sie sich gegen den zunehmenden Antifeminismus im Land.
Inhalt
Worum geht es bei der 4B-Bewegung?
Die 4B-Bewegung kommt aus Südkorea. Sie umfasst vier Grundprinzipien, die in Südkorea alle mit einem B beginnen:
Bihon: Nein zur heterosexuellen Ehe
Bichulsan: Nein zum Kinderkriegen
Biyeonae: Nein zum Dating von Männern
Bisekseu: Nein zu Sex mit Männern
Die Bewegung ist noch recht jung. Sie kam Mitte, Ende der 2010er-Jahre auf Twitter und der Website Womad auf.
Femizid als Auslöser
Einer der Auslöser war ein Femizid im Jahr 2016: Damals erstach ein Mann in Gangnam eine Studentin. Später sagte der Täter: „Ich habe es getan, weil Frauen mich immer ignoriert haben.“
Eine typische Incel-Logik, sagt Susanne Kaiser, die sich als Autorin mit den Themen Feminismus und toxische Männlichkeit beschäftigt. Incel steht für „involuntary celibate men“, also für unfreiwillig im Zölibat lebende Männer. Diese glauben, sie hätten als Mann ein Anrecht auf Frauen und Sexualität – und schüren im Netz Hass gegen Frauen. Gegen diese Hetze wendet sich 4B unter anderem.
Patriarchale Strukturen in Südkorea
Nach wie vor haben Frauen es in Südkorea wegen patriarchaler Strukturen schwer. Südkorea gehört innerhalb der OECD zu den Ländern mit der geringsten Geschlechtergerechtigkeit. „Südkorea ist eine patriarchale Gesellschaft, Frauen werden als minderwertig behandelt und können sich keinem Befehl eines Mannes widersetzen“, schilderte eine Studentin bereits 2021 die Situation.
Insgesamt ist die Frauenrechtsbewegung in Südkorea in den letzten Jahren zwar gewachsen und habe Ende der 2010er-Jahre „richtig Fahrt aufgenommen“, schreibt die Zeitung „The Diplomat“. Gleichzeitig wächst aber auch die Kluft zwischen den Geschlechtern. Gerade in der jungen Generation sei diese Kluft „größer denn je, auch größer als in allen (anderen) westlichen Ländern“, sagt Kaiser.
Warum gewinnt 4B auch in den USA Anhängerinnen?
Nach dem Wahlsieg Trumps entdecken nun auch Frauen in den USA die 4B-Bewegung aus Südkorea und rufen in den sozialen Medien zum zölibatären Protest auf. So machen sie auf ihre Sorgen unter der neuen, kommenden US-Regierung aufmerksam. Denn sie befürchten einen zunehmenden Antifeminismus sowie Einschränkungen der Abtreibungs- und Frauenrechte.
„Hate Speech gegen Frauen, der ganze Hass hat deutlich zugenommen in den USA, seit Trump wiedergewählt wurde“, sagt die Autorin Susanne Kaiser, die sich mit toxischer Männlichkeit beschäftigt hat. Das spiegelt sich beispielsweise in einem Post des rechtsextremen Aktivisten Nick Fuentes wider, der schrieb „Your Body, my Choice“ („Dein Körper, meine Entscheidung“). In den Kommentaren darunter erhält Fuentes reichlich Zuspruch.
Incel-Hetze gegen Frauen werde zunehmend salonfähig, sagt Kaiser. Früher habe man diese nur im Darknet gefunden, heute werde sie überall auf TikTok verbreitet – und dort seien vor allem 13- bis 19-Jährige unterwegs. „Es ist kein Wunder, dass das massiven Einfluss auf unsere Gesellschaft hat.“
USA: Junge Männer wählen eher Trump
Dass 4B nach Südkorea auch in den USA Widerhall findet, mag mit ähnlichen gesellschaftlichen Faktoren zusammenhängen: Wie in Südkorea lässt sich auch in den USA beobachten, dass junge Frauen eher progressiv eingestellt sind, junge Männer hingegen eher konservativ. Für die Wahl galt also: Junge Männer gaben eher Trump die Stimme, während Frauen zu Kamala Harris tendierten.
Auch sonst lassen sich Parallelen zwischen Südkorea und den USA beobachten - zum Beispiel, „dass Frauen in Vollzeit arbeiten gehen müssen, weil die Lebenshaltungskosten so hoch sind. Das ist in Südkorea ganz massiv so, in den USA auch“, sagt Kaiser. Gleichzeitig müssten Frauen aber die ganze Care-Arbeit leisten und den Haushalt organisieren, während Männer sich daran wenig beteiligten.
Wie viele Einfluss hat die 4B-Bewegung bisher?
2019 hatte 4B in Südkorea etwa 4000 offizielle Mitglieder: „Tendenz steigend, aber überschaubar“, sagt die Soziologin Nadia Shehadeh. Den Mitgliederzahlen nach handelt es sich also eher um eine Spartenbewegung. Diese hat aber gerade auf TikTok und anderen sozialen Kanälen eine hohe Reichweite und sorgt für viel Aufmerksamkeit.
„In Südkorea ist es schon ein recht ernsthafter Trend, und wenn er jetzt in den USA ankommt, können wir damit rechnen, dass er irgendwann auch hier bei uns in Europa und in Deutschland ankommt“, sagt die Autorin Susanne Kaiser.
Wie lässt sich die 4B-Bewegung historisch einordnen?
Das Konzept, sich von Männern abzuwenden, gab es immer wieder in feministischen Kreisen. „Insbesondere im Queerfeminismus“, sagt die Soziologin Nadia Shehadeh. „Dass man gegen das Patriarchat nicht ankommt, wenn man mit dem Feind ins Bett geht, das ist eine ganz bekannte Parole verschiedener feministischer Strömungen.“
Sex- und Reproduktionsstreiks sind nichts Neues. Schon das 411 vor Christus uraufgeführte Theaterstück „Lysistrata“ des Dichters Aristophanes handelt von einem solchen Protest. In der griechischen Komödie verbünden sich die Frauen Spartas und Athens gegen die Männer als Verursacher von Krieg und Leid. Sie verweigern ihren Männern Sex – und haben damit schließlich Erfolg. Die Männer beenden den Krieg.
Ist 4B ein probates Mittel, um für Feminismus zu kämpfen?
Die 4B-Bewegung sei „ein verzweifelter Akt“, meint die Autorin Susanne Kaiser. Sie sei gut, um die Probleme sichtbar zu machen. Auf Dauer sei diese Form der Polarisierung aber keine Lösung. „Ohne Männer geht es nicht.“ Das gelte im Übrigen auch für den Feminismus, der oft falsch verstanden werde. Es gehe eben nicht "nur um Frauen, um Gewalt gegen Frauen und um Frauenrechte, das ist ja nur die Hälfte vom Ganzen. Die andere Hälfte ist, dass Männer etwas davon haben, wenn sie nicht dieses Zwangskorsett aus Alpha-Männlichkeitsidealen performen müssen. Das tut niemandem gut.“
lkn