50 Jahre Coral Sitar E-Gitarre

Ein Nischeninstrument mit Starpotenzial

Gitarrist Steve Miller mit einer Vincent Bell Coral Sitar gebaut von Danelectro bei seiner Performance auf dem Klassik-Rock-Festival Moondance Jam im Jahr 2006
Einer klassischen Sitar nachempfunden: die Vincent Bell Coral Sitar © imago/ZUMA Press
Von Ralf Bei der Kellen |
"Man muss kein Hindu sein, um die elektrische Sitar zu spielen" - so bewarb die Firma Coral 1967 ihr neues Instrument, die Coral Sitar. Eine elektrische Gitarre, die wie eine Sitar klingt. Im Pop wurde sie rasch populär - sogar bei Elvis Presley war sie zu hören.
"Vom Korpus her sieht es fast schon so aus wie so'n… Kaninchen. (lacht) Also, es ist sehr schwer zu beschreiben, es sieht sehr abgespaced aus…"
"Ich finde, es sieht aus wie ein Schwein."
"Genau, wie so'n Schwein, so'n Kaninchen, so'n bisschen wie so'n Tier… mit sehr langem Hals." (lacht)
Vincent, Verkäufer in einem Berliner Gitarrenladen. In seinen Händen – ein seltsam unförmiges Instrument. Es ähnelt einer elektrischen Gitarre – wenn da nicht diese 13 kurzen Saiten wären, diese merkwürdige Form, dieser seltsame Klang. Um die Entstehung dieses Instruments zu erklären, muss man ein wenig in der Zeit zurückgehen. So ungefähr 800 Jahre.
Damals entwickelte sich in Persien eine langhalsige Laute, die man in Indien ab dem 17. Jahrhundert "Sitar" nannte. In Europa wurde das Instrument im 20. Jahrhundert durch den Virtuosen Ravi Shankar einem breiten Publikum bekannt.

Beatles und Rolling Stones machten die Sitar populär

In London, dem Zentrum des britischen Commonwealth, gab es eine große indische Community. 1963 suchten auch vier junge Männer aus Liverpool Arbeit in der Metropole. Einer von ihnen hatte in einem indischen Restaurant seine erste Begegnung mit der Sitar.
George Harrison war von dem Klang so begeistert, dass er ein Instrument erwarb, sich rudimentär beibrachte und es erstmals auf dem Beatles-Album "Rubber Soul" einsetzte. Das war Ende 1965.
Ob die Rolling Stones ebenfalls indische Restaurants frequentierten, ist nicht belegt. Tatsache ist, dass sechs Monate später auch auf einer ihrer Platten eine Sitar erklang.
Damit war die Sitar eine feste Markierung auf der Landkarte des Pop. Aber: 20 Saiten, ein langer hals, verschiebbare Bünde – viele Gitarrist bissen sich an der Sitar die Zähne aus.
Ihr Helfer in der Not war Vinnie Bell. Der Session-Gitarrist hatte von Louis Armstrong bis Bob Dylan schon alle begleitet. Er kopierte die langgezogene Brücke der Sitar, die die Saiten zum Schnarren brachte, versah seine Kreation noch mit dreizehn Resonnanzsaiten – und gab ihr eine extrem ungewöhnliche Form.

Selbst Elvis Presley nutzt die elektrische Sitar für seine Musik

1967 spielte Bell sein Instrument auf dem Song "Green Tambourine" der US-Band "The Lemon Pipers" – der prompt Nummer eins der Billboard Hot 100 wurde.
Im Jahr darauf gewann "Games People Play" von Joe South den Grammy für den Besten Song des Jahres. Natürlich nicht ohne Vinnie Bell.
Und war kein Halten mehr – wer etwas auf sich hielt, musste den Sound auf seiner nächsten Single haben. Selbst der King himself machte da keine Ausnahme. Der Titel des Albums: "Elvis Country". Warum ausgerechnet hier eine elektrische Sitar erklingen musste, das Wissen hat der King mit ins Grab genommen. Vielleicht war er schwindende Geschmackssicherheit. Oder sehen Sie einen Cowboy abends am Lagerfeuer ein Lied auf der Sitar spielen? Wie dem auch sei: Von Abba über Steely Dan bis zu Frank Zappa haben viele dieses Instrument eingesetzt. Gebaut wird sie bis heute.
"Sehr, sehr viele Kunden, die herkommen, fragen sich: Boah, wass'n dis? Sieht ja richtig komisch aus! Richtig viele nehmen das auch in die Hand und freuen sich und finden das irgendwie cool, aber ich hab so'n Ding, ganz ehrlich gesagt, noch nie verkauft…"
Die Sitar-Guitar – ein Nischeninstrument mit Breitenwirkung. Was als Verlegenheitslösung begann, ist bis heute ein eigenständiger Sound geblieben. Es hält eben nichts so lange wie ein Provisorium – auch in der Popmusik.
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