Mädchen, die mit Jungen kicken
05:03 Minuten
Erst 1970 erlaubte der Deutsche Fußballbund Frauen, Fußball im Verein zu spielen. DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg erinnert sich an einen schwierigen Start. Heute spielen Mädchen auch in gemischten Teams.
Ein Trainingsspiel der niedersächsischen U14-Auswahl in Barsinghausen. Die Mädchen spielen sieben gegen sieben. Jedes Team hat einen Trainer oder eine Trainerin. Die Mädchen hier sind zwölf und 13. Einige spielen mit ihren Vereinsteams in einer Jungenliga, andere kicken gleich in einer Jungsmannschaft, spielen also in gemischten Teams. Sie halten da locker mit – und mehr als das.
"Ich wurde halt schon öfter gefoult, weil Jungs dann irgendwann nur noch reingrätschen, weil sie wissen, dass sie sonst nicht weiterkommen bei mir", sagt Xenia. Die 13-Jährige aus Hemelhausen steckt kleine Unsportlichkeiten cool weg und will keine Extrabehandlung. "Manche Schiris pfeifen zu früh ab. Das war kein richtiges Foul dann, die sehen das bei Mädchen ein bisschen enger. Und ich finde, das sollte wie bei den Jungs nicht zu früh abgepfiffen werden."
Fußball für Frauen erst 1970 erlaubt
"Wir haben damals nur zwei Mal 30 Minuten spielen dürfen", sagt Hannelore Ratzeburg. "Diese ganzen besorgten Funktionäre: Oh Gott, die armen Frauen, die könnten das nicht durchhalten. Wir sollten auch mit kleinem Ball spielen, auf kleine Tore und ohne Stollenschuhe – ach, du liebes bisschen!"
Die jetzt 69-Jährige hatte vor 50 Jahren andere Probleme als die Mädchen heute. Sie entdeckte den Fußball erst für sich, als sie schon 19 war. Denn vorher war Mädchen und Frauen das Spielen im Verein nicht erlaubt. Selbst als der Deutsche Fußballbund das Verbot 1970 aufhob, war Kicken für die Frauen noch eher eine Art Hindernislauf. "Damit fing das Theater schon an: Kleine Bälle, wo sollten wir die denn herkriegen?"
Frauenfußball stagniert
Anfangs trafen sich die Frauen in der Halle, weil kein Außenstehender ihre ersten Versuche sehen sollte. Manche kamen in Gymnastikschuhen. Aber das Kicken machte ihnen Spaß. Bei der Hauptversammlung ihres Hamburger Vereins 1971 forderte Ratzeburg normale Bälle, ohne Blasen, und Trikots für die Frauen sowie die Meldung zum Spielbetrieb. Die Herren waren nicht erfreut.
"Sie meinten dann, der Verein hätte andere Sorgen. Ich sollte mal in den Vorstand gehen, damit ich mal weiß, was so ein Verein für Aufgaben hat. Habe ich gemacht."
Ratzeburg arbeitet im Vorstand mit, spielt selbst, trainiert ein Mädchenteam, pfeift Spiele, wird Gründungsmitglied im Ausschuss für Frauenfußball ihres Landesverbands. Ihr Engagement spricht sich herum: Seit 1977 vertritt sie die Frauen im DFB, wird 2007 sogar ins Präsidium gewählt – als einzige Frau unter lauter Männern.
Vieles, was heute selbstverständlich scheint, hat sie mit auf den Weg gebracht: den Pokalwettbewerb, die Nationalelf, die Bundesliga und die Heim-WM 2011. Jahrelang schien es mit dem deutschen Frauen- und Mädchenfußball immer nur bergauf zu gehen. Zuletzt allerdings stagnierte die Entwicklung.
"Das allgemeine Niveau, also die Breite, ist besser geworden. Wir haben mehr Mädchen, die gut Fußball spielen können. Wir haben nicht mehr, die richtig gut oder sehr gut spielen können, aber wir haben mehr Mädchen, die gut Fußball spielen können."
Möglichst lange gemischte Teams
Thomas Pfannkuch trainiert die U14 in Niedersachsen und ist für die Talentförderung zuständig. Es sei eine bewusste Strategie, Mädchen in Jungsteams kicken zu lassen, sagt er.
"Da gilt es schon, sich zu behaupten, körperlich zu behaupten, schneller Fußball zu spielen, aggressiver Fußball zu spielen. Deswegen wünschen wir uns schon, dass die Mädchen eigentlich so lange wie möglich in Jungsmannschaften spielen."
Pause im Trainingsspiel der U14-Auswahl. Trainerin Jennifer Schlifhelner gibt ihrem Team Tipps: "Eine ganz wichtige Sache noch, für alle: Wenn ihr vom Torwart den Ball bekommt und ihr habt Platz, dann bitte nicht zurückpassen, das ist Schisshasenfußball hier. Der erste Blick geht immer tief, geht nach vorn, wir wollen Tore schießen! Gut Mädels kommt, wir holen uns das Ding hier noch."
Xenias Team gewinnt am Ende hoch. Der Nachwuchs ist auf einem guten Weg – die nächsten 50 Jahre Frauenfußball können kommen.