Der Erfolg der RAF im Pop
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Am 14. Mai 1970 wurde der Kaufhausbrandstifter Andreas Baader aus der U-Haft befreit. Dieser Tag gilt als Gründungsdatum der Roten Armee Fraktion (RAF). Die Terrororganisation hatte viele Sympathisanten - vor allem im Pop wurde sie oft verklärt.
S.Y.P.H. hieß die Band, "Viel Feind, viel Ehr" das Vinyl. Das Frontcover zeigte den Kinderwagen, mit dem die RAF den Dienstwagen von Arbeitgeberpräsident Schleyer gestoppt hatte, und die Vier-Track-EP wurde launig als "Christian-na-Klar-Produktion" ausgegeben. Zwei Jahre nach dem sogenannten Deutschen Herbst 1977 war die RAF in der Subkultur des Punks angekommen, und in der Auslaufrille der LP "Amok/Koma" der Band Abwärts konnte man die Stimme des Bundeskriminalamtspräsidenten Horst Herold in Quasi-Endlosschleife hören: "Denn das kann man wohl sagen: Wir kriegen sie alle ... wir kriegen sie alle ... wir kriegen sie alle ..."
Die Punks waren nicht die ersten, die in der RAF Geistesverwandte, mehr noch das überwältigende Pop-Potenzial der "Baader-Meinhof-Bande" erkannten: Baaders Lederjacke und der Porsche 911 Targa, den er ohne Führerschein gefahren hatte, Ensslins moralischer Supermodelernst, erst recht Meinhofs weibliche Intellektualität, mit der sie "dieses verlogene bürgerliche Leben" anprangerte.
Aus Camus und Godard zusammengesetzt
Laut Allensbacher Institut hatte seinerzeit jeder vierte Deutsche unter 30 Sympathien für die RAF. Und Andreas Baader redete bereits damals wie der spätere Kanzler Gerhard Schröder: "Wir machen das."
Antifaschistisch. Antikapitalistisch. Antiimperialistisch. Ziviler Ungehorsam, Straßenkampf, Widerstand, Todesverachtung, "Hope to Die Before I Get Old": Mehr radikaler Chic ging nicht. Selbst ein Erzkonservativer wie Joachim C. Fest bezeichnete Ulrike Meinhof als "Jeanne d’Arc der Linken", und der Lyriker Erich Fried pries sie als größte Deutsche "seit Rosa Luxemburg".
"Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" lautet der Titel eines Romans von Frank Witzel. Tatsächlich hatte der Pop die RAF erfunden, sie aus Camus’ "Der Mensch in der Revolte" und Godards "Außer Atem" zusammengesetzt: Ein mythisches Narrativ, das vom Kampf einer Handvoll Weltverbesserer gegen das verdammte System erzählt – in jenem Fall das System der Alt-Nazis, die den Jungen die Utopie eines anderen Deutschland gestohlen hatten. Und da ist auch was dran.
"Die Zeit ist reif für RAF-Popstars!"
Aber Pop hatte in dieser Befreiungsfront-Fantasie auch die eine oder andere Passage kurzerhand gestrichen: Etwa Meinhofs hysterischen Jubel über das Olympia-Attentat in München 1972, bei dem elf israelische Sportler ermordet wurden, ihr späterer Ungeziefer-Jargon, der direkt aus dem Wörterbuch des Unmenschen stammte. Die Nazis und die Antifaschisten: Offenbar fällt der Apfel zuweilen doch nicht allzu weit vom Stamm.
Dass die Illustrierte "MAX" anno 2002 eine groß angelegte Modestrecke mit der Headline "Die Zeit ist reif für RAF-Popstars!" betitelte, war keineswegs bloßer Retro-Nachhall. Sondern womöglich der Beleg, dass nicht die Revolution ihre Kinder frisst, sondern die Konsumgesellschaft sie schon zum Frühstück verspeist.
Andreas Baader war zu diesem Zeitpunkt schon 25 Jahre tot, nachdem er sich in der sogenannten "Todesnacht von Stammheim" in den Kopf geschossen hatte. Und Pop hatte schon wieder zur Zellentür hereingesehen. Die Pistole Kaliber 7,65 mm hatte er in seinem Plattenspieler versteckt, auf dessen Teller noch die Platte lag, die er zuletzt gehört hatte: Eric Claptons "There’s One in Every Crowd". Das also war der Sound of Terror. Und das sollte einem wirklich zu denken geben.