Übermenschen und Aliens – die Philosophie des Sci-Fi
Flüchte dich nicht in die Zukunft! So deutet Josef Früchtl das Schlussbild von Stanley Kubricks "2001" mit dem übergroßen Embryo im Weltall. Zeit sei überhaupt das Grundthema der Science Fiction, sagt der Philosoph – gegen ihren Ablauf seien auch die stärksten Helden machtlos.
Vor 50 Jahren kam Stanley Kubricks "2001 – Odyssee im Weltraum" in die Kinos und berauscht seither Zuschauer auf der ganzen Welt.
"Der Film entlässt uns mit dem Anblick eines Wesens, dessen Zukunft noch nicht ausgesprochen ist. Das macht das Ganze so rätselhaft und so einladend über die Frage nachzudenken: Was wollen wir als menschliche Gattung denn überhaupt?", zeigt sich der Philosoph Josef Früchtl begeistert über Kubricks filmisches Meisterwerk.
Zeit als Grundthema der Science Fiction
Das Schlussbild – den rätselhaften, übergroßen, zur Welt blickenden Embryo im All – liest Früchtl dabei als eine ontologisch-affirmative Sicht auf uns und unseren Umgang mit der Welt: Schau hin und flüchte dich nicht in die Zukunft! – so versteht Früchtl das Ende von Kubricks filmischem Epos.
Im Unterschied zum Fantasy- und Horrorfilm, ist das Science-Fiction-Genre, Früchtl zufolge, immer auf Glaubwürdigkeit aus. "Er anerkennt die Wissenschaft als akzeptable und nützliche Form des Denkens. Und insofern macht dieses Genre uns im wörtlichen Sinn nachdenklich – und das ist ein äußerst großartiger Effekt."
Das Grundthema der Science Fiction ist in Früchtls Augen die Zeit: "Denn eines kann auch der stärkste Held nicht ändern: die abgelaufene Zeit. Wenn wir in der Lage wären, die Zeit zu ändern – das, was geschehen ist so zu gestalten, dass ich am Ende sagen kann: So wollte ich es – dann wären wir Übermenschen in einem bestimmten Sinne. Und genau das führt das Science Fiction-Genre so erfolgreich vor."
Die lineare Zeitlichkeit sprengen
Filme, wie "Arrival" oder "Instellar" sprengen die lineare Zeitlichkeit und setzen eine zeitliche Allgegenwart in Szene, in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig präsent sind. Sie führen uns damit Gegenerzählungen zu unserem raum-zeitlichen Selbstverständnis vor Augen, meint Josef Früchtl:
"Seit dem Siegeszug der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert haben wir verlernt, uns zu erinnern an Zeitvorstellungen und Weltwahrnehmungen, die wir in der Antike und im Mittelalter auch hatten, die aber in asiatischen Religionen und Ethiken viel lebendiger und gegenwärtiger sind also bei uns."
Beispiele für den positiven Umgang mit Aliens
Speisen sich also die Darstellungen von Aliens und anderen außerirdischen Kreaturen in westlichen Sci-Fi-Filmen aus den Vorstellungswelten anderer Kulturen und Epochen? Ja, meint Josef Früchtl, aber:
"Wenn wir die Geschichte des Science Fiction-Filme überschauen, dann ist die Rolle dieser Aliens seit den 50er-Jahren immer negativ gewesen und ist es weitgehend immer noch. Es ist eine Bedrohung. Psychoanalytisch gesehen, verarbeiten wir da Ängste, die wir auf fremde Wesen im All projizieren. Aber die Filme, über die wir hier sprechen sind Beispiele für einen positiven Umgang mit den sogenannten Aliens".
Ausgewählte Filme:
Stanley Kubrick: "2001. Odyssee im Weltraum" (1968)
Ridley Scott: "Blade Runner" (1982)
Spike Jonze: "Her" (2013)
Christopher Nolan: "Instellar (2014)
Denis Villeneuve: "Arrival" (2016)
Ausgewählte Literatur:
Josef Früchtl: Übermenschen, Supermänner, Cyborgs. Das Paradigma der Science Fiction, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 55. Jg. (2001), H. 9/10: Zukunft denken – Nach den Utopien, S. 897-911.
Josef Früchtl: "Warum wir ins Kino gehen. 'Interstellar' und das cineastische Raum-Zeit-Kontinuum", in: Kristina Jaspers u.a. (Hg.), Future Worlds. Science-Fiction-Film, Berlin: Bertz + Fischer, S. 12-26.