Was Kritik heute überhaupt noch kann
Im Juni 1965 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift "Kursbuch". Lange Zeit war es das wichtigste Leitmedium der 68er-Bewegung und bestimmte politische Debatten mit. Zum 50. Geburtstag fragt die neueste Ausgabe selbstkritisch: "Das Kursbuch. Wozu?".
Das "Kursbuch" wurde von Hans Magnus Enzensberger und Karl Markus Michel gegründet. Für die Jubiläumsausgabe hätten viele Autoren wie etwa Peter Schneider, Cora Stephan oder Hannelore Schlaffer ihre alten "Kursbuch"-Texte noch einmal selbstkritisch durchgesehen und weiter geschrieben, sagte Mitherausgeber Armin Nassehi im Deutschlandradio Kultur:
"Und sie sind eigentlich fast alle zu dem Ergebnis gekommen, dass sie damals schon ganz gute Einsichten hatten. Aber aus der heutigen Perspektive würden sie sagen, dass ihre Perspektiven damals eben auf die damalige Zeit eingeschränkt waren. Und das ist eigentlich eine ganz interessante Doppelperspektive, die wir da bei unseren Autorinnen und Autoren beobachten können."
Begleiter der Protest- und Kritikbewegungen
Die in der Zeitschrift geübten Diskursformen hätten Deutschland verändert, meinte Nassehi. Das "Kursbuch" sei immer ein Begleiter der Protest- und Kritikbewegungen in der Bundesrepublik gewesen:
"Aber gleichzeitig war es auch immer ein großer Kritiker dieser Geschichten – etwa wenn man an die ökologischen Bewegungen der achtziger Jahre denkt. Dann war das 'Kursbuch' gleichzeitig ganz vorne dran, diese Themen stark zu machen, aber auch zugleich selbstkritisch zu fragen: Ist das wirklich das Wichtigste, womit wir uns auseinandersetzen müssen?''
Vom "Ende der Besserwisserei"
Das "Kursbuch" will mit den neuen Artikeln seiner Jubiläumsedition zeigen, dass es auch im Jahr 2015 noch eine relevante Stimme darstellt. Etwa mit dem Beitrag von Rahel Jaeggi "Das Ende der Besserwisser":
"Rahel Jaeggi ist ja jemand, die tatsächlich substantielle Beiträge zu der Frage formuliert hat, was Kritik heute eigentlich kann. Und selbst sie als eine linke Kritikerin kann heute nicht mehr so etwas wie einen Hebel beschreiben, mit dem sich die Probleme der Welt tatsächlich lösen lassen. Sondern sie muss fragen: 'Wo sind eigentlich Ressourcen, um bestimmte Dinge zu verändern?'"