Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Romans hat der Verlag Hoffmann und Campe eine besonders gestaltete Sonderausgabe der "Deutschstunde" herausgebracht (592 Seiten, 25 Euro). 2019 kommt außerdem eine Neuverfilmung durch Regisseur Christian Schwochow in die Kinos.
Ein Lektürekanon erleichtert die Kommunikation
In wenigen Wochen jährt sich der Erscheinungstag von Siegfried Lenz' Roman "Deutschstunde" zum 50. Mal. Noch immer wird der Roman in der Schule gelesen. Der Kulturphilosoph Christian Demand begrüßt das, obwohl er selbst wenig Freude an dem Buch hatte.
Vor 50 Jahren erschien Siegfried Lenz' Roman "Deutschstunde", die Geschichte eines Schülers, der im Jugendarrest eine Strafarbeit über die "Freuden der Pflichterfüllung" schreiben muss. Aus dem Aufsatz wird eine umfangreiche persönliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und wie dieser die Familie des Jungen gesprägt hat.
"Deutschstunde" gehört seit mehreren Generationen zum Kanon der Schullektüre - aber ist der Roman auch noch zeitgemäß? "Ja und nein", sagt der Kulturphilosoph Christian Demand. Der Stoff zumindest sei es: "Selbstverständlich ist er das, aber es muss nicht dieses Buch sein, das diesen Stoff jetzt in irgendeiner Form ganz besonders paradigmatisch liefert. Da gäbe es eine ganze Menge anderer Literatur."
Er selbst habe das Buch im Rahmen des Deutschunterrichts gelesen, sagt Demand, wenn auch nicht mit besonderem Vergnügen. "Ich war damals in einer Jahrgangsstufe, in der der Lehrer, der das mit uns durchzog, nicht gerade meinen Geschmack traf. So was ist ja immer gebunden an Personen, gerade wenn man so was in der Schule liest."
Entdeckungen: "Die Judenbuche" und "Berlin Alexanderplatz"
Insofern gebe es für ihn eine ganze Reihe Bücher aus dem Schulunterricht, von denen er gedacht hätte, sie zu hassen, in die er sich später aber verliebt habe. Vor allem "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin: "Ich kann heute nicht mehr wirklich sagen, warum es mich so fast angeekelt hat. Womöglich hat es auch damit zu tun, dass ich mich mit vielen, vielen anderen Dingen zu dieser Zeit befasst habe."
Der Deutschunterricht habe ihm aber nicht nur Zugänge zu Büchern erschwert, sondern auch eröffnet, betont der Kulturphilosoph: "Dass ich jemals die 'Judenbuche' von Droste-Hülshoff mit großem Vergnügen gelesen habe, hätte ich mir nicht träumen lassen. Das ist auch der Verdienst einer Deutschlehrerin damals."
Generell begrüßt Demand, dass es auch heute noch so etwas wie einen Kanon von Lektüreempfehlungen für die Schule gibt - zum Beispiel in Bayern - und dass sich darunter auch Werke befinden, die seit langem Bestandteil sind: "Weil dann auch generationenübergreifend Anspielungen, Gesprächsanknüpfungen etc. möglich sind. Wenn also jedes Mal der gesamte Kanon umgestoßen würde, wären irgendwann die Anknüpfungspunkte einfach verloren", betont er. "Das erleichtert einfach die Kommunikation."
(uko)
Die ganze Sendung "Der Tag mit Christian Demand" können Sie hier nachhören: Audio Player