Diese Melodie ist unverwechselbar
Der US-Western hatte seine beste Zeit hinter sich, als Europa mit "Italo-Western" überschwemmt wurde. Nur wenige stachen aus der Massenware heraus: "Spiel mir das Lied vom Tod" gilt als Klassiker des Genres. Vor 50 Jahren kam der Film in die Kinos.
Szenen und Geräusche, die sich in das kollektive Gedächtnis vieler Cineasten eingegraben haben: In der atemberaubend langen Eröffnungs-Sequenz von "Spiel mir das Lied vom Tod" wird das angespannte Warten dreier Banditen auf einem öden Bahnhof in der Wüste Arizonas wie eine Zeitdehnung zelebriert. Dem einfahrenden Zug entsteigt schließlich ein geheimnisvoller Fremder, der auf der Suche nach dem Bandenboss Frank ist und eine mysteriöse Melodie auf seiner Mundharmonika erklingen lässt:
"Wo ist Frank?" – "Frank hatte keine Zeit!" – "Habt ihr ein Pferd für mich?" – "Wenn ich mich hier so umsehe, dann sind nur drei da! Sollten wir denn tatsächlich eins vergessen haben?" – "Ihr habt zwei zu viel!" (Schüsse)
In einem kurzen Schusswechsel mit dem Fremden sinken die drei Schurken tödlich getroffen zu Boden.
In Europa boomte der Italowestern
Als Sergio Leones Spiel mir das Lied vom Tod am 21. Dezember 1968 in Italien uraufgeführt wurde, galt der Western in seinem Ursprungsland Amerika als sterbendes Filmgenre. In Europa dagegen boomte der Italo-Western. Diese Form war nicht an traditionellen Westernmotiven wie der Aufrechterhaltung bürgerlicher Moralvorstellungen interessiert, sondern mehr an der Glorifizierung von Antihelden. Mit Spiel mir das Lied vom Tod aber kreierte Leone einen neuen Stil der Inszenierung. Sein Biograf, der Filmhistoriker Christopher Frayling:
"Er wollte die Magie des Westerns wiederbeleben, die er als Kind im Kino erlebt hatte. Aber gleichzeitig gefiel ihm die Ideologie nicht. Er fand die amerikanische Art zu triumphal: Dieses 'Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.' Daher gibt es dieses komische Paradox: Er liebt den amerikanischen Western, will ihn aber gleichzeitig kritisieren."
Leone benutzt alle bekannten Stereotype
Und dazu benutzt Leone alle bekannten Stereotype: Gut und Böse, der Mann und seine Rache, oder der Kampf der Aufrechten gegen korrupte Machenschaften – hier dargestellt im uramerikanischen Thema des Eisenbahnbaus.
"Ich muss diesen herrlichen blauen Pazifik erreichen mit meiner Eisenbahn." – "Was hast Du damals gesagt? Wenn Schwierigkeiten auftreten, werden sie beseitigt, nicht wahr?!"
Bandenboss Frank, gespielt von Henry Fonda, ist für den Eisenbahnbaron Morton der Mann für die Drecksarbeit. Um Land für die Trassenführung zu sichern, ermordet Frank mit seinen Männern den Farmer McBain und seine Kinder.
Fortan wird McBains Witwe Jill, gespielt von Claudia Cardinale, im Kampf gegen den Landraub von dem geheimnisvollen Fremden unterstützt. Während für Charles Bronson der schweigsame Mundharmonikaspieler zur Rolle seines Lebens wurde, ließ sich Hollywoodstar Henry Fonda auf die für sein Publikum ungewohnte Rolle des Schurken ein.
"In meiner ersten Szene erschieße ich eine ganze Farmer-Familie, bin dabei aber nur von hinten zu sehen. Erst nach dem brutalen Mord geht die Kamera auf mein Gesicht. Sergio wollte, dass die Leute im Kino dachten: ‚Mein Gott, das ist ja Henry Fonda‘!"
In den USA ein Flop, in Europa gefeiert
Leones Film folgt keinen klassischen Erzählmustern, sondern lässt sich vor allem von der Musik Ennio Morricones leiten. Beide hatten eine ungewöhnliche Methode entwickelt, um den Rhythmus des Films zu beeinflussen: Vor Drehbeginn beschrieb Leone seinem Komponisten die Geschichte und die Charaktere der Personen. Als der Dreh begann, war die Musik fertig.
Die Leitmotivmusik beeinflusste die Bewegungen von Schauspielern und Kamera. Zentrales Thema: die unverwechselbare Todesmelodie der Mundharmonika. Mit der opulenten Kraft der Bilder und mit Morricones Musik gelang es Leone, einen trivialen Westernfilm in eine Art Oper von epischer Breite zu verwandeln. In Amerika ein Flop, in Europa gefeiert, ist "Spiel mir das Lied vom Tod" heute ein Klassiker des Filmgenres.
Die Auflösung am Ende wirkt wie ein festes Ritual. Mithilfe von Rückblenden erkennt Frank in dem Mundharmonikaspieler den kleinen Jungen wieder, dessen großen Bruder er einst ermordete. In einem musikalisch und visuell melodramatischen Showdown wird Frank schließlich aus Rache von ihm erschossen.