50 Jahre "Verlag der Autoren"

Mit Enthusiasmus gegründet

Peter Handke mit Brille auf seine Hand gestützt schaut zur Seite.
Nur wenige Zeitgenossen haben dem "Verlag der Autoren" bei der Gründung vor 50 Jahren eine Chance gegeben, Peter Handke war einer von ihnen. © picture-alliance / akg-images / Marion Kalter
Von Martin Lüdke |
Der 1969 gegründete „Verlag der Autoren“ wagte ein neues Wirtschaftsmodell: Er gehörte denen, die für ihn schreiben und arbeiten. Auch der Schriftsteller Peter Handke war dabei.
Es war ein kurzer Weg vom "Aufstand der Lektoren" im Frankfurter "Suhrkamp Verlag" im Herbst 1968, bis zur Gründung des "Verlags der Autoren", im Frühjahr 1969. Das Projekt war gut durchdacht: zunächst als Theaterverlag, der mit geringem Startkapital beginnen konnte, aber allein den Autoren und den Mitarbeitern gehören sollte. Ein Experiment, von Skepsis begleitet, mit Enthusiasmus gestartet.
Karlheinz Braun, einer der "Suhrkamp-Rebellen", ein anerkannter Theatermann, wurde erster Geschäftsführer. Er erinnert sich:
"Das Experiment, wenn man so will, bestand vor allem in der Veränderung der Eigentumsverhältnisse, in dem Kampf um Mitbestimmung, denn das war im Grunde der so genannte Aufstand der Lektoren. Der Enthusiasmus, mit dem das neue Verlagsmodell in der Kulturszene begrüßt wurde, war erstaunlich."

Müller, Handke, Strauß und Marguerite Duras

"Natürlich mache ich mit", ließ Marguerite Duras das sozialistisch gesinnte Gründerkollektiv sogleich wissen, "ich bin doch Kommunistin." Auch Heiner Müller war dabei, Handke, Botho Strauß. Nur Peter Weiss kniff. Am 11. März 1969 wurde der Gesellschaftsvertrag des "Verlags der Autoren" unterzeichnet.
Der Notar Manfred Schiedermair kommentierte das Vorhaben: "Der Verlag reproduziert weder die Verhältnisse der bestehenden Leistungsgesellschaft, noch nimmt er das Reich der Zukunft vorweg. Er versucht den Sozialismus in einem Verlag."
Starke Worte. Diese Euphorie ist aus der Zeit heraus zu verstehen. Die Chiffre 1968 beschreibt eine Zäsur in der Geschichte des 20. Jahrhunderts: Überschwang und Enttäuschung. Eine Welt im Aufbruch, eine Welt im Umbruch. Prager Frühling, Pariser Mai, Kuba, Vietnam. Die politischen Verhältnisse waren überall in Bewegung geraten. Es herrschte, trotz schwerer Rückschläge, Aufbruchsstimmung.
Der Buchmarkt wurde zum Spiegel dieser Veränderungen. Auf der Frankfurter Buchmesse von 1968 kam es zu heftigen Turbulenzen, die sich im "Suhrkamp Verlag" fortsetzten. Suhrkamp war damals zum intellektuellen Kraftzentrum der Bundesrepublik geworden. Bei Suhrkamp erschienen die Bücher, aus denen die Protestbewegung ihre Argumente bezog. Enzensbergers "Kursbuch", die Frankfurter Schule, die Schriften von Habermas und Marcuse, politische Theorien, ökonomische Analysen. Autoren und Lektoren des Verlags zählten zu den Triebkräften der Bewegung.
Der Widerspruch zwischen Programm, in dem die Geschichte und Theorie einer "befreiten Gesellschaft" präsentiert wurde, und den Eigentumsverhältnissen, Privatbesitz, wurde unübersehbar. Es kam zum Bruch. Und kurz darauf schon zum "Verlag der Autoren".
Karlheinz Braun: "Natürlich war da die Hoffnung, dass sich andere Branchen, die Presse, Werbefirmen, Handwerkerbetriebe oder gar Finanzinstitute nach dem Muster unserer Genossenschaft organisieren könnten. Aber außer dem bald darauf gegründeten ‚Filmverlag der Autoren‘, blieben wir allein. Was viele, vor allem ökonomische, Gründe hatte. Aber das Modell funktionierte. Wuchs nicht nur nicht durch Zukäufe von Konkurrenten, sondern aus sich heraus, aus den Bedürfnissen seiner Eigentümer, den Autoren."
Der Überschwang ist bald geschwunden. Doch war die Revolte von '68 nicht folgenlos. Auch der "Verlag der Autoren" ist ihr Ergebnis.

Unabhängig, innovativ und erfolgreich

Nur wenige Zeitgenossen haben diesem Experiment damals eine Chance gegeben. Inzwischen steht der "Verlag der Autoren" nicht nur für das neue Theater, er entwickelte sich zugleich zu einem wichtigen Vermittler von Drehbüchern, Hörspielen, agiert für Film, Funk und Fernsehen. Zudem hat er sich als Buchverlag und Agentur etabliert.
Dazu Annette Reschke vom "Verlag der Autoren": "Unser Verlagsmodell ist lebendig und attraktiv. Denn erstens garantiert die Eigentümerstruktur unsere Unabhängigkeit. Ein Verlag, der denen gehört, die für ihn schreiben und arbeiten, kann auch und gerade heute, nicht einfach verkauft, übernommen oder zerschlagen werden. Zweitens sind die Werte, die sich mit diesem Modell praktisch leben lassen, nicht nur ganz grundsätzlich erstrebenswert, sondern sie sind aus unserer Sicht auch zentral für eine erfolgreiche, innovative Arbeit."
Ein Verlag wie jeder andere? Ja und nein. Vielleicht kein Sprengsatz im Getriebe unserer Gesellschaft mehr, aber ein Modell – dafür, dass es auch anders geht.
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