Grigoris Lambrakis in Vasilikos' Roman:
Die, die uns beschimpfen, meine Freunde, sind nur zu beklagen, denn sie werden nie erfahren, daß wir für sie kämpfen. (…) Sie wissen gar nicht, wer ich bin, wer ihr seid, sie führen nur ihre schmutzige Arbeit aus, um sich die Gunst ihrer Herren zu erhalten. Alle diese Leute haben Kinder, die nie das Gymnasium besuchen können, kranke Frauen, schlechte Zähne, Magengeschwüre, Ängste, verseuchte Lungen. Sie sind, ich sage es noch einmal, zu beklagen. Deshalb hört nicht auf ihre Schreie. Die Geschichte geht vorwärts, und eines Tages werden sie mitkommen. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder sein.
Ein Roman als Zeichen des Protests
"Dieses 'Z' ist sehr gut komponiert. Das beruht ja auf einer wahren Geschichte, die der Autor genau recherchiert hat. Und er hat das meisterlich dokumentiert, gepackt in ganz viele kleine Kapitel, wo diese Geschichte eines politischen Mordes geschildert wird aus ganz verschiedenen Perspektiven - …von den Tätern, von denen, die ihn in Auftrag gegeben haben, von den Umstehenden, von den Opfern, der Frau und sonstigen Freunden dieses Abgeordneten, und auch die Presse und sonstige Zeugen. Es gab Zeitungsberichte und das zog sich ja lange hin, dieser Prozess. Und es ist immer ein Riesen-Unterschied, ob so etwas zusammengefasst ist in einem kunstvoll geschriebenen Buch oder ob es verstreutes Material gibt. Insofern ist es ein großes Verdienst."
"Man kann "Z" als nichtfiktionalen Roman bezeichnen, denn es ist alles wahr, er basiert auf Dokumenten. Sagen wir so: Es ist eine Fiktion, die aber kein Roman ist. Nichts ist fiktional in "Z" – oder alles ist dokumentiert."
"Der Roman ist ein großartiger Roman, wirklich! Sehr gut geschrieben und wahrheitsgetreu auch! Vasilikos war auch vor "Z" ein bekannter Autor. Und dass er diesen Roman geschrieben hatte, war natürlich schon, ich meine: die Kombination Vasilikos und der Roman, eine Erfolgsgarantie für den Roman. Zusätzlich ist es auch so, dass die Griechen den Roman sehr geliebt haben. Und man konnte den Roman auch während der Junta illegal finden."
Eine Staatsaffäre
"Und selbstverständlich war die Junta sauer auf ihn. Und er musste fliehen, um sein Leben zu retten. Und er wurde berühmt in Europa und war lange auch eine Stimme des Widerstands gegen die Junta."
Anfangs waren die Reaktionen verhalten
"Zwei oder drei Freunde fragten mich: Warum hast du dieses Buch geschrieben? – Ich sagte, was meint Ihr? – Darüber lesen wir doch jeden Tag in den Zeitungen! – Ich hatte eine solche Frage nicht erwartet. Schaut, sagte ich, jetzt kennt jeder die Geschichte aus den Zeitungen. Aber in fünfzig Jahren? Wer wird das dann noch wissen?"
Aus Vasilis Vasilikos' Roman "Die Fotografien":
Siehst du, wir essen hier gut, um unseren Tod gesund zu erhalten. Und wir zeugen Kinder, um ihn zu verewigen. Nekropolis ist in uns. Hier werden die Ungeheuer geboren. Hier haben sie Grigoris Lambrakis ermordet.
Aus Vasilis Vasilikos' Roman "Z":
Er war kein Kommunist. (…) Er war kein Theoretiker des Marxismus, kein Gefangener eines Systems. Er war nach allen Seiten offen und spürte die Strömungen, die ihn ungehindert durchliefen. Aber er liebte die am meisten, die ihn wärmten. Er war kein Fanatiker. Er glaubte nur, daß die Logik, die einfache Logik, sich durchsetzen müsse.
"Dazu kam, dass Lambrakis natürlich auch sehr bekannt war in Griechenland, schon als Athlet, als Sportler. Sehr bekannt! Der war auch sehr kämpferisch. Er war auch ein Politiker und Abgeordneter, der offen und öffentlich sich immer zu Wort meldete. Und immer ganz offen die Meinung sagte. Und das hat natürlich Folgen."
Auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs
"Griechenland war nach Abschluss des Bürgerkriegs eine formelle Demokratie, mit Parlament, mit Wahlen, die auch einigermaßen funktionierten. 1958 wurde die EDA, die Linkspartei, zweitstärkste Kraft. Das war ja immerhin erstaunlich, das sicherlich den Konservativen nicht gefiel. Es gab aber unter dieser demokratischen Oberfläche den sogenannten Nebenstaat, den paracratos."
"Dieser Parallelstaat hat in Griechenland ganz tiefe Wurzeln. Schon seit der deutschen Nazibesatzungszeit. Denn viele von diesen Leuten waren Kollaborateure. Und nach dem Bürgerkrieg wurden diese Kollaborateure, weil sie auf der Seite der Nationalisten gekämpft haben, irgendwie auch unterstützt vom Staat."
"Und das waren Organisationen aus der Zeit des Bürgerkrieges, vom Militär, von faschistoiden Gruppen, die unter dieser Oberfläche ihre Geschäfte machten. Vor allen Dingen natürlich gegen Kommunisten hetzten, auch tätlich gegen sie vorgingen. Die Kommunistische Partei war ja nicht legal nach dem Bürgerkrieg. Und diese EDA war so eine Art Schutzpartei, wo sich die Linken, auch nichtkommunistische Linke sammelten. Sie hieß ja auch gemeinsame demokratische Linke, das war der Titel, die Abkürzung: EDA."
"Und Lambrakis war ein Opfer dieses Parallelstaates, weil er ja auch nicht nur ein linker Abgeordneter war, sondern auch ein ganz engagierter Befürworter des Friedens. Dieses Ziel zum Frieden konnten die Leute der Nationalisten und des Parallelstaates einfach nicht dulden, das ging nicht."
"Und diese sogenannten Kräfte des Nebenstaates hatten Leute organisiert, man kann sagen: aus dem Abschaum, aus dem Lumpenproletariat, Leute, die für ein paar Drachmen alles tun, die dann als Gegendemonstranten auftraten, und die haben dann, als dieser Abgeordnete Grigoris Lambrakis den Ort verließ, ihn umgebracht."
"Ich nahm mir also vor, ein Buch über das Attentat zu schreiben. Aber ich konnte es drei Jahre lang nicht. Zwischenzeitlich schrieb ich ein Buch, warum ich "Z" nicht schreiben kann. Und nachdem ich so viel recherchiert hatte und wie eine schwangere Frau herumlief, die nicht niederkommen kann – da kam "In Cold Blood" von Truman Capote heraus. Und plötzlich konnte ich "Z" schreiben. Nicht, weil es mit "In Cold Blood" zu tun hat. Ich war heißblütig, als ich dieses Buch schrieb. Aber Capotes Buch gab mir den Anstoß für mein Buch."
Drei Jahre Kampf mit dem Material
"Mein Buch hatte eigentlich nicht wirklich etwas zu tun mit dem Buch von Capote. Es hatte eher mit meiner Lektüre zu tun, besonders mit jenem Mörder. Und so fand ich die ersten Sätze für mein Buch. Danach war es sehr leicht, es zu schreiben. Aber drei Jahre hatte ich damit gekämpft, diese gewaltige Dokumentation plus all das, was ich zusätzlich wusste, zu organisieren."
Über hundert Kapitel - auf etwas über dreihundert Seiten
"Das Buch besteht aus über hundert einzelnen Kapiteln, es sind über dreihundert Seiten. Und manchmal ist ein Kapitel nur eine halbe Seite lang. Der Autor versteht es, sich jeweils in die Sprechweise der Person reinzudenken und das auszudrücken. Ich finde, das ist schon meisterhaft gemacht."
"Es gibt viele lyrische Teile. Das war mein Beitrag, um daraus einen Roman zu machen. Diese lyrischen Teile machen ungefähr ein Drittel des Buchs aus, also die Monologe der Witwe etwa oder der Eisenbahnzug, der die Seele von Lambrakis sprechen lässt. All das ist fiktional. Der Rest aber nicht."
"Diese lyrischen Passagen, das ist vielleicht spezifisch griechisch, ja. Da haben Nordeuropäer vielleicht ein anderes Verhältnis dazu. Aber es bleibt, dass der hervorragend komponiert ist und eine hohe Taktzahl hat. Dass das Thema nachher so bekannt wurde, das hing natürlich mit den Übersetzungen zusammen, es ist dann auf Englisch und Französisch und auch auf Deutsch erschienen, übersetzt von Vagelis Tsakiridis."
"Ich habe den Roman zum ersten Mal in Tripoli gelesen, in Libyen. Ich war damals Exportleiter in einer Zementfabrik. Und ich konnte während der Junta das Buch nicht lesen. Ich hatte ein Exemplar, nahm es mit. Ich las das Buch in Libyen und habe geweint."
Ein Schreckgespenst der Antikommunisten
Aus Vasilis Vasilikos' "Z":
Hitler wollte die Welt von den Juden und Kommunisten säubern. Er hat einen guten Anfang gemacht. Nehmen wir diese Stadt als Beispiel. Saloniki. Vor dem Krieg bestand die Hälfte der Bevölkerung aus Juden. Wie viele davon sind übriggeblieben? (…) Sagen wir: einer. Wo sind die übrigen? Man hat Seife aus ihnen gemacht. Das gleiche sollte auch den Kommunisten passieren, doch der Führer hat keine Zeit mehr gehabt…
Ich weiß nicht, wie er an dieses Material herangekommen war. Aber er brachte es mir. Mittlerweile hat dieser Richter das gesamte Material veröffentlicht. Sartzetakis war der Untersuchungsrichter dieser ganzen Geschichte, später wurde er auch Präsident von Griechenland. Und etwa 70% vom gesamten Material hatte ich damals schon gelesen. Deshalb konnte ich die Geschichte schreiben.
Jeder wusste, wer mit "Z" gemeint war
Aus Vasilis Vasilikos' "Z":
Er kannte Z. nicht persönlich. Aber als er ihn aus dem Flugzeug klettern sah, erfüllte ihn Vertrauen. Das war der richtige Mann, stark, mit erhobenem Haupt, ein Führer, der Champion der Balkanischen Spiele. (…) Er erinnerte sich an die Zeitungsfotos (…), die Z. auf seinem einsamen Marsch von Marathon nach Athen zeigten. Auf den Fotos hatte er damals gequält und müde ausgesehen. Aus der Nähe wirkte er ganz anders.
Aus Vasilis Vasilikos' "Z":
Vor einem Monat war er allein auf den Grabhügel von Marathon gestiegen. Er hatte den Marsch allein gemacht, hatte allein zu Fuß die zweiundvierzig Kilometer zurückgelegt, mit einer griechischen Fahne umgürtet. Ein Marsch für den Frieden. Freunde des Friedens. Für den dauernden Frieden dieser Erde. Damit es kein Vietnam mehr gab. Kein neues Hiroshima.
"Es war eine große politische Demonstration in Athen. Es war auch eine große Auseinandersetzung zwischen der linken und der rechten Partei. Die linke Partei wusste damals eigentlich, dass der Mord nicht von der Regierung organisiert worden war, sondern vom Königshaus. Sie haben das auch irgendwie, wenn auch indirekt, gesagt. Natürlich hielt die linke Partei die Regierung für zuständig für den Mord, was auch richtig war. Aber organisiert wurde das Attentat vom Königshaus."
Aus Vasilis Vasilikos' "Z":
"Er lebt! Er lebt!" (…) Und die Idee des Friedens, für die sich dieser Körper geopfert hatte, nahm plötzlich greifbare Gestalt an und füllte den Raum. Die gleiche Unsterblichkeit, die die Straßen überschwemmt hatte, nahm auch von den Herzen der Menschen Besitz. (…) Es gibt keinen Tod, wenn ein Volk aufsteht, um seine Größe zu zeigen…
"Es war sechs Uhr am Abend des 21. April 1967, und ich wollte die Gebäude sehen, in denen die Nürnberger Prozesse stattgefunden hatten. Und dann hörte ich in meinem Transistorradio die Nachrichten von American Voice - dass ein Staatsstreich in Griechenland stattgefunden habe, eine Ausgangssperre verhängt und jeder, der nach sechs Uhr am Abend auf den Straßen sei, erschossen werde."
Eine politisch aufgeheizte Zeit
"Die Bekanntheit kam durch den Film "Z", den ein Grieche gemacht hat, der auch im Exil war während der Juntazeit, mit der tollen Musik von Mikis Theodorakis. Und das hat natürlich damals in Europa die Studenten und die Jugend mitgerissen, vor allem die vielen Exilgriechen. Das ist ein Film, der Filmgeschichte gemacht hat. Durch diesen Film ist dann auch das Buch sehr verbreitet worden."
Dank Verfilmung zum Welterfolg
"Vassilis Vasilikos und "Z" ist für uns Griechen ein Klassiker aus mehreren Gründen. Und es ist die Geburtsstunde des Politthrillers. Für mich ist das die Geburtsstunde des politischen Spielfilms. Gavras hat damit eine unglaublich wichtige Dokumentation dieser griechischen Gesellschaft auf den Tisch gebracht, die aber darüber hinaus international eine sehr große Rolle gespielt hat. Theodorakis war natürlich durch "Sorbas" sehr, sehr berühmt. Aber in "Z" spielt auch die Musik eine unglaublich große, sehr emotionale Rolle. Und das hat für diese Opposition oder diesen Widerstand, der in Griechenland war, eine sehr, sehr große Bedeutung gehabt und auch zu Widerstand aufgerufen in anderen Ländern. Ich glaube, das ist ein Meilenstein, sowohl für den griechischen als auch den internationalen Film. Aber auch für die Rolle von Musik im Film."
"Den Film von Gavras (…) sah ich eines Abends in Libyen, im einzigen Kino von Tripoli. Da spielten sie "Z". Da habe ich gesagt: "Den Film muss ich mir ansehen." Und ich habe geweint. (…) Wenn man aus einem Land kommt, das von einer Militärdiktatur regiert wird, und erlebt einfach eine Vergangenheit, die des Romans, die das Fundament war für das Kommen der Junta. Man versteht das sofort."
Ein Meisterwerk des europäischen Kinos
Aus Vasilis Vasilikos' "Z":
Z. und seine Begleiter wandten sich dem (…) schräg gegenüberliegenden Hotel Kosmopolit zu. (…) Genau in diesem Augenblick schoß aus einer Seitenstraße ein dreirädriger Lastkarren hervor. Ein hinten auf dem Fahrzeug kauernder Mann schlug ihm mit einer Eisenstange über den Kopf. Z. taumelte, brach zusammen, die Räder der Maschine überrollten ihn, schleppten ihn einen halben Meter mit; Blut floß über den Asphalt.
"Wer die griechische Geschichte kennenlernen will, wer insbesondere einen Geschmack haben möchte für diese Zeit vor der Junta, der kann da sehr viel lernen. Wir dürfen nicht vergessen, es war ja die Zeit, als der Tourismus begann, Ende der 50er Jahre. Und die deutschen Bildungsbürger nach Griechenland reisten und von all diesen Dingen keine Notiz genommen haben."
In Deutschland kaum bekannt
Ich begann mit lyrischer Prosa. Es hing immer davon ab, was ich gerade las, wer für eine Zeitlang mein Vorbild war. Zu Beginn waren es André Gide, dann Camus, Kafka und Ionesco. Dann kam die dokumentarische Periode, nicht wie in "Z", sondern wirkliche Dokumentationen. Dann kam die Nabokov- Periode. Verschiedene literarische Schulen also, kann man sagen. Aber ich konnte nie Kriminalromane mit einem Plot schreiben, dazu war ich nicht in der Lage.
Die Unberechenbarkeit der Griechen
"Der große Unterschied liegt darin, dass Lambrakis eigentlich vom – mit dem griechischen Wort paracratos, was heißt: Parallelstaat – ermordet wurde. Und es gibt heute keinen Parallelstaat. Es gibt natürlich eine Aggressivität und eine Brutalität auf den Straßen, aber einen organisierten Parallelstaat, den gibt’s nicht mehr. Der wurde nach 1975 abgeschafft."