Musikalischer Kampf gegen Rassismus
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Louis Armstrong gilt meist als „Gute-Laune-Musiker“: Dabei sei dieser bei Themen wie Rassismus sehr deutlich geworden, erklärt der Musikwissenschaftler Wolfram Knauer. Zum 50. Todestag des Jazzmusikers hat er dessen Biografie überarbeitet.
"Black and Blue" – das ist der Titel eines Songs, den Louis Armstrong gespielt hat. Und diesen Titel trägt auch eine überarbeitete Biografie über den legendären Jazzmusiker, die pünktlich zu seinem 50. Todestag erschienen ist. Geschrieben hat sie Wolfram Knauer.
Der Musikwissenschaftler ist ein Armstrong-Experte. Er war einmal Louis Armstrong Professor for Jazz Studies an der New Yorker Columbia Universität: Der erste Deutsche, dem diese Ehre zuteilgeworden ist.
Den Titel habe er gewählt, weil er in der Neuauflage Louis Armstrong "ein bisschen aus dem Jahr 2021 betrachten" wollte, sagt Wolfram Knauer. Dabei habe er auch beleuchten wollen, "wie Armstrong mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in den USA umging, also mit Rassismus und der Feindlichkeit, die ihm als schwarzem Künstler, als afroamerikanischem Künstler immer wieder entgegengebracht wurde".
In dieser Aufnahme von 1929, "Black and Blue", hätten der Komponist Fats Waller und auch Armstrong dieses Thema auf Schallplatte gebannt, "sehr deutlich".
Louis Armstrong sei dazu auch später ab und zu deutlich gewesen. "Aber man hat ihn in der Regel anders gesehen, man hat ihn in der Regel als einen Gute-Laune-Musiker gesehen. Und dieses Bild zurechtzurücken, das war mir ganz wichtig", sagt der Musikwissenschaftler.
Musik statt Aktivismus?
Im Vorwort des Buches weist Wolfram Knauer darauf hin, dass sich die Wahrnehmung schwarzer Musiker in den USA in den vergangenen Jahren verändert hat – auch durch die politischen Umstände, durch die Wahl Barack Obamas zum ersten schwarzen Präsidenten der USA, durch die Trump-Jahre und vor allem durch die Black Lives Matter-Bewegung.
Diese heutigen Diskurse beeinflussten auch unsere Sicht auf die Geschichte, so Knauer. Die Diskussionen über strukturellen Rassismus überall auf der Welt ließen uns hinterfragen, inwiefern das alles auch im Jazz stattgefunden hat. Es werfe etwa die Frage auf, wie Musiker sich verhalten haben, und auch, ob die Forderungen, dass Musikerinnen und Musiker immer auch Aktivistinnen und Aktivisten sind, berechtigt sind.
"Oder ob nicht vielleicht – das ist meine These für Armstrong – in der Musik selbst schon so eine Art Kampf für eine bessere, für eine gerechtere Gesellschaft steckt", sagt Wolfram Knauer.
Musikästhetik "subkutan" vermittelt
Angesichts der zahlreichen Bücher und Biografien, die es über Louis Armstrong ja bereits gibt, sei sein Ansatz, "in die Musik hineinzuhören und aus der Musik heraus die Fragen zu entwickeln", so der Musikwissenschaftler.
Dabei gehe es weniger um die Hits, sondern Stücke, "die vielleicht nicht zu seinen größten Aufnahmen gehören". Wenn man da frage, warum er spielt, wie er spielt, könne man sehr viel herauslesen. Die Musik müsse aber im Zentrum stehen.
Armstrong habe für ein gemischtes Publikum gespielt, ein weißes genauso wie für ein schwarzes Publikum, sagt Wolfram Knauer. "Er hat den Menschen praktisch subkutan die afroamerikanische Musikästhetik vermittelt." Ohne ihn wäre das 20. Jahrhundert in musikalischer Hinsicht, so wie wir es kennen, kaum denkbar. "Weil diese afroamerikanische Musikästhetik die gesamte populäre Musiklandschaft des 20. Jahrhunderts beeinflusst hat – und weit darüber hinaus."
(abr)