Arschbomben für die Forschung
Wer vor 30 Jahren in der Elbe geschwommen ist, der hatte nachher einen schwarzen Dreckring um den Hals. Inzwischen hat die Elbe Badequalität. Das feiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung nun mit einer 575 Kilometer langen Elbschwimmstaffel - inklusive waschechter Arschbomben.
Christian Herbst: "Und ich freu mich, Ihnen heute den Staffelstab übergeben zu können. Für die Etappe von Wittenberge nach Schnackenburg. Gute Fahrt, gutes Schwimmen und bis nachher in Schnackenburg."
Susanne Drawert nimmt den Staffelstab entgegen. Sie ist die erste von zehn freiwilligen Schwimmern, die heute in die Elbe springen. Das gemeinsame Ziel: ein sauberer Fluss.
Noch ein Gruppenfoto, dann legen die beiden Flöße ab, schippern aus dem Wittenberger Hafen hinaus auf die Elbe. Die Wasserfahrzeuge sind stabil und geräumig, mit Dach und Steuerstand für den Schiffsführer, Toilette und Dusche. Susanne Drawert geht nach hinten, zieht ihren knallroten Badeanzug an, und schaut aufs Wasser.
"Hat jemand die Wassertemperatur getestet? Ist das kalt?"
"Gestern hatte die Elbe glaub ich 22 Grad und die meisten Leute fanden es im Wasser besser als draußen."
"Viel Spass, ganz viel Spass!"
Die 29-jährige Ingenieurin steckt die blonden Haare hoch, zieht die orangerote Bademütze drüber.
"Tja, warum hab ich mitgemacht. Zum einen, weil ich das studiert habe, und mich viel mit Gewässerreinhaltung beschäftigt habe, auch, dass die Elbe immer wieder Hochwasser führt. Was das für einen Einfluss auf die Landschaft außen rum hat. Und das andere ist, dass ich wirklich eine leidenschaftliche Freiwasserschwimmerin bin, und es unglaublich viel Spaß macht, in so einem großen Fluss schwimmen zu können.
Sie bückt sich, macht sich bereit für den Sprung in die Elbe. Die fließt heute ruhig dahin, auf ihrer Oberfläche spiegelt sich der blaue Sommerhimmel. Zur Zeit führt der Fluss wenig Wasser, Kopfsprünge sind deshalb verboten, also: Arschbombe!
Susanne Drawert krault in der Mitte des Stroms, sicher begleitet von einem Boot der deutschen Lebensrettungsgesellschaft: So ein Elbstück zu beschwimmen ist begehrt. Für die 250 Etappen haben sich doppelt so viele Schwimmer beworben. Nach ihren zwei Kilometern klettert Susanne Dawert wieder zurück aufs Floß.
Schwimmspaß zwischen Weidenbäumen und Rinderherden
"Das Wasser ist so schön flach, überhaupt keine Wellen, man fühlt sich total sicher, mit dem Boot nebendran, super Sonne, wirklich großartig."
"Für dich zur Info, 2,3 km in 22 Minuten."
"Wie cool. Ich glaub so schnell war ich noch nie, aber auch durch die Strömung…"
Matthias Lehne ist der nächste Schwimmer der Staffel. Der 42-jährige Hamburger mit der Michael-Phelbs- Statur ist Schwimmtrainer. Dynamisch schwimmt er los. Aber bald gibt er den Kraulstil auf, nimmt den Kopf hoch und schaut lieber in die Landschaft: Zwischen den Buhnen Sandbänke mit Treibholz, alte Weidenbäume, Rinderherden am Ufer, auf den Deichen Schafe, über ihm Vogelschwärme. Die grandiose Gelassenheit der Natur.
"Hier geht’s gar nicht um die Zeit, hier geht’s nur um die Strecke an sich. Und je länger ich in der Elbe schwimmen kann. Umso mehr Spaß hab´ ich dann an der Sache, ganz ehrlich."
Die Elbschwimmstaffel ist eine Kombi aus Spaß und Forschung. Einen Kilometer vor Matthias Lehne fährt die "Elbegrund" – ein Laborschiff mit Wissenschaftlern an Bord. Nicolas Börsig vom Karlsruher Institut für Technologie lässt den "Biofisch" durchs Wasser gleiten, eine Unterwasserboje.
"Mit dem Biofisch sind wir in der Lage acht verschiedene Wasserparameter zu untersuchen, die Wassertemperatur, die Trübung, also der Schwebstoffgehalt des Wassers, die elektrische Leitfähigkeit, worauf man auf den Salzgehalt schließen kann."
An der Saalemündung konnte Nicolas Börsig metergenau messen, wie dort der Salzgehalt der Elbe anstieg.
"Also bringt die Saale sehr viel salzreicheres Wasser mit sich, was sich eben im Anschluss dran mit der Elbe vermischt und daraufhin sich ein neuer Salzgehalt einstellt. "
Wasserqualität soll sich weiter verbessern
Auf dem hinteren Deck des Forschungsschiffs sucht Lydia Splettstößer nach winzigen Plastikteilchen. Dazu schickt die Studentin vom Fachgebiet Wasserreinhaltung der TU Berlin Elbwasser durch eine Reihe von Filtern.
"Und zwar haben wir eine Filterkaskade. Da geht das los mit einer Maschenweite von einem Millimeter. Und das wird dann immer kleiner, und wir gehen jetzt runter bis zu einem Mikrometer."
Eine dritte Forschergruppe untersucht die Wechselwirkung von Vegetation und Strömung. Wichtige Erkenntnisse für den Hochwasserschutz. Aber auch die Wasserqualität der Elbe soll sich weiter verbessern, die Nordsee entlasten. Dass sich diese Anstrengung lohnt, zeigt die Schwimmstaffel. Das Flusswasser hat nach 30 Jahren Umweltschutz wieder Badequalität. Auf dem Floss mit den Schwimmern macht sich die nächste Freiwillige bereit.
Drei zwei eins and go: Platsch!
"Sie hat´s wirklich gemacht. Das war ne 1A Arschbombe!"