60 Kilometer Kabel
Die Idee, draußen auf dem Meer Windräder aufzustellen, ist auf den ersten Blick bestechend. Aber diese Offshore-Windparks aufzubauen ist eine immense Herausforderung. Und dann muss der Strom auch noch an die Küsten gelangen. Eine einzige deutsche Firma hat das Know-how für die nötigen Seekabel.
Unter der Pier kräuseln sich die Wellen der Weser. Oben, auf den Holzbohlen steht der Kaiser. Wilhelm, der Zweite. Stolz auf die Pionierleistung der deutschen Ingenieure. Weiße Fähnchen wehen müde im Nordseewind, bei der Eröffnung der Norddeutschen Seekabelwerke. Vor über 100 Jahren.
"Bis 2005 stand hier eine alte Pier, die vom Kaiser eingeweiht wurde aus Holz. Die ist demontiert worden und die neue Pier ist dann zeitgleich gebaut worden. Und die verbindet alle Kabel-Fabriken. Telekommunikationsseekabel. Energieseekabel, Mittel- und Hochspannung. Die werden alle hier rübergeleitet aufs Schiff."
Früher fuhren die Dampfschiffe dann raus auf die Meere, erzählt Ingenieur Heiner Ottersberg. Bauhelm, Schutzbrille, Sicherheitsschuhe. Die Schiffe steuerten die deutschen Kolonien in Afrika an: Togo, Kamerun, Deutsch-Südwest. Lieferten Seekabel, eine Telefonverbindung zum Platz an der Sonne des Kaiserreichs. Heute, so Ottersberg, fahren Spezialschiffe raus zu den Offshore-Windparks auf Nord- und Ostsee, pflügen den Meeresboden auf, verlegen Stromkabel von den Energie-Parks bis zur Küste.
Hinter Ottersberg biegt ein schwerer Gabelstapler um die Ecke. Schmutzig-gelb, der Fahrer steuert eine der riesigen Kabeltrommeln an. Tonnenschwer. Robustes schwarzes Kabel:
"Vor uns sehen sie jetzt die Fertigungshalle für die Energieseekabel, die seit 2007 gebaut wurde hier. Die Halle beinhaltet die Maschinen, die wir nutzen, um die Energieseekabel zu fertigen. Es beinhaltet eine Verseilmaschine, eine Armierungslinie, die dann den Schutz des Kabels aufbaut, ein Prüffeld und viele Turntable, die dann die Kabel hantieren."
Diese Turntables, also: Plattenteller, stehen an je einem Ende der lang gestreckten Fabrikhallen. Durchmesser: rund zwölf Meter. Auf der einen Seite der Halle liegen die losen Kabel. Am anderen Ende wird Meter für Meter das fertige Seekabel raustransportiert, aufgespult und zu den Schiffen auf der Weser geleitet:
"Die drei Phasen, also die drei Energiekabel, die wir verseilen, verdrillen, verzwirnen, werden hier eingelegt. Das sind dann jeweils etwas mehr als 50 Tonnen, die dort eingebracht werden. Und in den nächsten Körben bringt man dann die faseroptischen Elemente ein beziehungsweise die Füllelemente, die dem Kabel dann ihre Form geben werden."
20 Meter weiter steht das Herzstück der Fabrikhalle: fast 50 Meter lang erstreckt sich die Verseilmaschine. Metallstränge werden mit ungeheurer Kraft umeinandergedreht. Am Pult vor der Maschine leuchten Knöpfe und Schalter, Marvin Paetsch überwacht als Maschinenführer den ganzen Prozess, dirigiert das 15-köpfige Team an den unzähligen Spulen, Ösen, Spindeln:
"Das ist das Steuerpult. Damit kann man sehen, welche Teile an der Maschine gerade laufen, stellt man die Schlaglänge ein, die Meterzahl, die Geschwindigkeit, mit der gefahren werden soll. Wir fahren bis zu 13 Meter pro Minute."
Und dann, so Paetsch, werden an einem Stück 15 Kilometer Kabel gezogen. Abgelegt auf dem Turntable draußen, der sich langsam dreht, das Kabel aufnimmt. Lakritzschnecken, fein säuberlich gekringelt in einer überdimensionierten, am Ende 3000 Tonnen schweren Bonbondose. Drehstromkabel für Offshore-Windparks. Aber nicht Dreh- sondern Gleichstromkabel sind zurzeit Mangelware in der deutschen Offshore-Windbranche. Kabel, die den Strom fast ohne Verluste nicht nur aus Küstennähe, sondern auch über lange Strecken abtransportieren können. Aber genau diese Kabel, sagt Geschäftsführer Thorsten Schwarz, werden von den Norddeutschen Seekabelwerken nicht hergestellt - noch nicht:
"Wir als Konzern befinden uns aktuell in der Tat in der Findungsphase, ob wir in diese Technik einsteigen wollen oder nicht. Denn man darf auch nicht vergessen, dass sich der deutsche Offshore-Wind-Markt auch in einem internationalen Wettbewerb befindet. Als Kabelhersteller kann ich genauso gut meine Produkte an die internationale Öl- Und Gasindustrie verkaufen. Oder auch einfach nur für Windfarmen in England. Wenn ich in England die besseren Bedingungen, die bessere Planbarkeit vorfinde, dann ist das für mich als Unternehmer natürlich auch eine klare Entscheidung."
Bessere Rahmenbedingungen, so Schwarz, müssten die Politiker schaffen. Und klare Netzausbaupläne erstellen. Er wünscht sich Planungssicherheit für hochgradig risikoreiche Projekte. Sonst könnten die von der Politik gesteckten Ziele von 20 Gigawatt Offshore-Windstrom im Jahr 2020 schnell scheitern:
"Der enorm schnelle Aufbau, der hier zur Umsetzung der Energiewende gefordert ist, der deckt sich, wenn er denn so kommt wie im Moment gewünscht, nicht mit den zur Verfügung stehenden Kapazitäten und wenn man möchte, dass die Supply-Chain sich hier vernünftig auf diese Aufgabe vorbereitet, dann muss man auch Planungssicherheit generieren."
Und diese Sicherheit würde - das erwähnt Schwarz nicht explizit - dann auch den Norddeutschen Seekabelwerken zugutekommen. Na klar. Hinter Thorsten Schwarz werden die Spindeln gebremst. Die Verseilmaschine kommt zum Stillstand. Der Geschäftsführer verabschiedet sich, Heiner Ottersberg führt nach draußen, zum Weserrufer. Und präsentiert ein kleines Teilstück des größten, hier produzierten Kabels. Schwarz, unhandlich, klobig:
"Das größte Kabel, das wir derzeit produzieren, hat ein Eigengewicht von 123 Kilo, den Meter. Und von dem Kabel werden wir hier rund 40 Kilometer, etwas mehr sogar, hineinbekommen."
Dann legen die Spezialschiffe an der firmeneigenen Pier an. Nehmen die schwere Fracht an Bord und laufen aus. Nicht zu den kaiserlichen Kolonien, sondern zu den Offshore-Windpark-Arealen in der Nord- und Ostsee. Verbinden die Kraftwerke auf dem Wasser mit der deutschen Küste.
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"Bis 2005 stand hier eine alte Pier, die vom Kaiser eingeweiht wurde aus Holz. Die ist demontiert worden und die neue Pier ist dann zeitgleich gebaut worden. Und die verbindet alle Kabel-Fabriken. Telekommunikationsseekabel. Energieseekabel, Mittel- und Hochspannung. Die werden alle hier rübergeleitet aufs Schiff."
Früher fuhren die Dampfschiffe dann raus auf die Meere, erzählt Ingenieur Heiner Ottersberg. Bauhelm, Schutzbrille, Sicherheitsschuhe. Die Schiffe steuerten die deutschen Kolonien in Afrika an: Togo, Kamerun, Deutsch-Südwest. Lieferten Seekabel, eine Telefonverbindung zum Platz an der Sonne des Kaiserreichs. Heute, so Ottersberg, fahren Spezialschiffe raus zu den Offshore-Windparks auf Nord- und Ostsee, pflügen den Meeresboden auf, verlegen Stromkabel von den Energie-Parks bis zur Küste.
Hinter Ottersberg biegt ein schwerer Gabelstapler um die Ecke. Schmutzig-gelb, der Fahrer steuert eine der riesigen Kabeltrommeln an. Tonnenschwer. Robustes schwarzes Kabel:
"Vor uns sehen sie jetzt die Fertigungshalle für die Energieseekabel, die seit 2007 gebaut wurde hier. Die Halle beinhaltet die Maschinen, die wir nutzen, um die Energieseekabel zu fertigen. Es beinhaltet eine Verseilmaschine, eine Armierungslinie, die dann den Schutz des Kabels aufbaut, ein Prüffeld und viele Turntable, die dann die Kabel hantieren."
Diese Turntables, also: Plattenteller, stehen an je einem Ende der lang gestreckten Fabrikhallen. Durchmesser: rund zwölf Meter. Auf der einen Seite der Halle liegen die losen Kabel. Am anderen Ende wird Meter für Meter das fertige Seekabel raustransportiert, aufgespult und zu den Schiffen auf der Weser geleitet:
"Die drei Phasen, also die drei Energiekabel, die wir verseilen, verdrillen, verzwirnen, werden hier eingelegt. Das sind dann jeweils etwas mehr als 50 Tonnen, die dort eingebracht werden. Und in den nächsten Körben bringt man dann die faseroptischen Elemente ein beziehungsweise die Füllelemente, die dem Kabel dann ihre Form geben werden."
20 Meter weiter steht das Herzstück der Fabrikhalle: fast 50 Meter lang erstreckt sich die Verseilmaschine. Metallstränge werden mit ungeheurer Kraft umeinandergedreht. Am Pult vor der Maschine leuchten Knöpfe und Schalter, Marvin Paetsch überwacht als Maschinenführer den ganzen Prozess, dirigiert das 15-köpfige Team an den unzähligen Spulen, Ösen, Spindeln:
"Das ist das Steuerpult. Damit kann man sehen, welche Teile an der Maschine gerade laufen, stellt man die Schlaglänge ein, die Meterzahl, die Geschwindigkeit, mit der gefahren werden soll. Wir fahren bis zu 13 Meter pro Minute."
Und dann, so Paetsch, werden an einem Stück 15 Kilometer Kabel gezogen. Abgelegt auf dem Turntable draußen, der sich langsam dreht, das Kabel aufnimmt. Lakritzschnecken, fein säuberlich gekringelt in einer überdimensionierten, am Ende 3000 Tonnen schweren Bonbondose. Drehstromkabel für Offshore-Windparks. Aber nicht Dreh- sondern Gleichstromkabel sind zurzeit Mangelware in der deutschen Offshore-Windbranche. Kabel, die den Strom fast ohne Verluste nicht nur aus Küstennähe, sondern auch über lange Strecken abtransportieren können. Aber genau diese Kabel, sagt Geschäftsführer Thorsten Schwarz, werden von den Norddeutschen Seekabelwerken nicht hergestellt - noch nicht:
"Wir als Konzern befinden uns aktuell in der Tat in der Findungsphase, ob wir in diese Technik einsteigen wollen oder nicht. Denn man darf auch nicht vergessen, dass sich der deutsche Offshore-Wind-Markt auch in einem internationalen Wettbewerb befindet. Als Kabelhersteller kann ich genauso gut meine Produkte an die internationale Öl- Und Gasindustrie verkaufen. Oder auch einfach nur für Windfarmen in England. Wenn ich in England die besseren Bedingungen, die bessere Planbarkeit vorfinde, dann ist das für mich als Unternehmer natürlich auch eine klare Entscheidung."
Bessere Rahmenbedingungen, so Schwarz, müssten die Politiker schaffen. Und klare Netzausbaupläne erstellen. Er wünscht sich Planungssicherheit für hochgradig risikoreiche Projekte. Sonst könnten die von der Politik gesteckten Ziele von 20 Gigawatt Offshore-Windstrom im Jahr 2020 schnell scheitern:
"Der enorm schnelle Aufbau, der hier zur Umsetzung der Energiewende gefordert ist, der deckt sich, wenn er denn so kommt wie im Moment gewünscht, nicht mit den zur Verfügung stehenden Kapazitäten und wenn man möchte, dass die Supply-Chain sich hier vernünftig auf diese Aufgabe vorbereitet, dann muss man auch Planungssicherheit generieren."
Und diese Sicherheit würde - das erwähnt Schwarz nicht explizit - dann auch den Norddeutschen Seekabelwerken zugutekommen. Na klar. Hinter Thorsten Schwarz werden die Spindeln gebremst. Die Verseilmaschine kommt zum Stillstand. Der Geschäftsführer verabschiedet sich, Heiner Ottersberg führt nach draußen, zum Weserrufer. Und präsentiert ein kleines Teilstück des größten, hier produzierten Kabels. Schwarz, unhandlich, klobig:
"Das größte Kabel, das wir derzeit produzieren, hat ein Eigengewicht von 123 Kilo, den Meter. Und von dem Kabel werden wir hier rund 40 Kilometer, etwas mehr sogar, hineinbekommen."
Dann legen die Spezialschiffe an der firmeneigenen Pier an. Nehmen die schwere Fracht an Bord und laufen aus. Nicht zu den kaiserlichen Kolonien, sondern zu den Offshore-Windpark-Arealen in der Nord- und Ostsee. Verbinden die Kraftwerke auf dem Wasser mit der deutschen Küste.
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