"Spektakel, Sensation und Schauwerte"
Aktuell findet die 75. Ausgabe der Filmbiennale in Venedig statt. Zeitgenössisches Kino mit politischen Stoffen und vielen Überraschungen sowie einer europäischen Neuformulierung des klassischen Westerns, wie unsere Filmkritikerin Anke Leweke berichtet.
"Das Kino hier in Venedig bringt uns zum Staunen", sagt Anke Leweke. Am besten lasse sich das Filmfestival mit den Worten "Spektakel, Sensation und Schauwerte" beschreiben. Es handle sich um sehr komplexes zeitgenössisches Kino, auch wenn es den Blick zurück in die Vergangenheit werfe.
Interessant sei, dass "auch europäische Regisseure sich im Wilden Westen umschauen". Jacuqes Audiard hat beispielsweise seinen ersten englischsprachigen Film "The Sisters Brothers" vorgestellt. Darin werde aber nicht wie sonst in Westernfilmen üblich die schöne weite Landschaft gefeiert. Vielmehr bleibe Natur Natur, Gefahren kämen ganz überraschend.
"The Sisters Brothers": Kino, Kino!
Auch wenn die traumatisierten Protagonisten (John C. Reilly und Joaquin Phoenix) letztlich über Leichen gingen, um sich eine Existenz aufzubauen, so fänden doch Entwicklungen im Laufe des Filmes statt. Am Ende gebe es sogar eine kleine Utopie. Für Leweke ganz klar "Kino, Kino!"
Sowohl der Audiard-Western als auch der von den Coen-Brüdern "The Ballad of Buster Scurggs" "nutzen das Genre, um über die Menschheit zu reflektieren. Was sich Menschen für eine Handvoll Dollar so alles antun, und die Regisseure gucken kopfschüttelnd dabei zu." Dennoch werde in beiden Filme eine "Zärtlichkeit für uns Menschen" entwickelt. Es handle sich hier um "Bilder, die im Genre eigentlich nichts verloren haben, aber tief in unsere menschliche Seele blicken."
Mike Leighs "Peterloo": Eine Enttäuschung
Auch Mike Leighs "Peterloo" wird in Venedig gezeigt. "Ein richtiger Mike-Leigh-Stoff: Wie entsteht Demokratie? Wie begeistert man Menschen dafür?" Doch leider entwickle sich der Film nach guten 30 Minuten zu einem "unendlichen Monologfilm mit staubigen Bildern ohne Dramaturgie." Eine echte Enttäuschung also.
Richtig gut gefallen hat Leweke hingegen der Film "Adam und Evelyn" von Andreas Goldstein. Dabei handelt es sich um einen Liebesfilm, der im Sommer 1989, also kurz vor dem Mauerfall, spielt. Dargestellt werde, so Leweke, wie gesellschaftliche Umbrüche auch die Wege der Liebe beeinflussen.
Insgesamt handle es sich hier um einen Sommerfilm mit literarischen Dialogen "ohne Kulissenschieberei. Die Bilder öffnen sich einfach schön, ein Lebensgefühl zwischen Angst und Aufbruch" werde gezeigt. "So nah bin ich Liebenden in der DDR auf der großen Leinwand selten gekommen", sagt Anke Leweke.