Mit Wiener Blut spielen sich Strauß-Walzer leichter
Wenn am ersten Januar das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in über 80 Länder der Welt übertragen wird, wird offiziell die 75. Auflage der an Traditionen reichen Veranstaltung begangen. Die Walzer aus Wien gehören mittlerweile zu Neujahr wie der Filmklassiker "Dinner for One" zu Silvester.
Mit Wiener Blut spielen sich Strauß-Walzer leichter, davon ist der Wiener Rainer Küchl, erster Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, überzeugt:
"Wir empfinden es einfach, wir brauchen nicht nachdenken, wie wir das spielen sollen. Die Musik von Strauß kann man nicht einfach spielen wie sie auf dem Papier steht, wenn man die Notenwerte so spielen würde wie auf dem Papier würden Sie lachen darüber, dass ist einfach unsinnig. Das ist eine gewisse Freiheit im Umgang mit den Noten, die sehr bestimmt ist, von einem bestimmten Rhythmus. Das ist ja auch im Jazz so, es mit den Noten fixieren."
Die Strauss-Konzerte zum Jahresanfang begannen als "Johann Strauss-Konzert Philharmonische Akademie", unter der musikalischen Leitung von Clemens Krauss 1941. Ein Vorläuferkonzert fand schon am Silvestervormittag 1939 statt.
Den Nazis kamen die Walzer aus Wien zu Neujahr sehr gelegen
Der nationalsozialistischen Propaganda kam es 1941 sehr gelegen, das dritte Kriegsjahr mit einem Konzert aus Walzern zu eröffnen. Der "großdeutsche Rundfunk" übertrug aus Wien bis an die Front. Der "Achteljude" Johann Strauss wurde im Auftrage von Gobbels heimlich, die Philharmoniker dagegen offen arisiert. Auf Druck von außen stellten sich die Wiener Philharmoniker erst vor wenigen Jahren ihrer dunklen Epoche. Oliver Rathkolb, der die von den Philharmonikern selbst einberufene Historikerkommission leitete, erklärte:
"Die Philharmoniker waren als Einzelne sowohl Opfer, als auch Täter, Mittäter, Zuschauer. Sie haben alle Verhaltensweisen in diesem Orchester. Sie haben NSDAP-Mitglieder, in einem konkreten Fall, die ihre jüdische Freundin versteckt haben und sie als U-Boot gerettet haben, genauso wie einen hochrangigen SS-Mann, sie haben Vertriebene, sie haben ermordete Philharmoniker, die in Auschwitz ermordet wurden."
Einzelschicksale, die mittlerweile auf der Internetseite des Klangkörpers öffentlich gemacht wurden. Die Popularität der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker nahm 1959 rasant zu, als der Österreichische Rundfunk begann, sie aus dem goldenen Saal des Musikvereins weltweit zu übertragen. Seit 1997 dürfen auch Frauen mitspielen.
Am ersten Januar stehen immer die weltbesten Dirigenten am Pult
Nur die weltbesten Dirigenten standen bisher am Pult: darunter Willi Boskovsky, der die Strauss'sche Tradition, als Stehgeiger vom Pult aus zu dirigieren, wieder aufnahm und 25 Neujahrskonzerte prägte. Konzertmeister Rainer Küchl erinnert sich:
"Boskovsky war ein richtiger Wiener Musikant. Er war kein Dirigent, in dem Sinn und so wurde das Konzert mehr geleitet und animiert von vorne."
Das Neujahrskonzert 1980 musste Boskovsky aus gesundheitlichen Gründen absagen. Es folgten Dirigenten wie Lorin Maazel, Herbert von Karajan, Daniel Barenboim oder Zubin Metha, der bisher fünfmal ein Neujahrskonzert dirigierte:
"Die Philharmoniker die spielen die Strauss-Familie genauso ernst, als ob sie eine Mozartoper aufführen würden, die nehmen das sehr ernst."
Seit 75 Jahren werden Werke der Strauss-Familie und anderer Komponisten am Vormittag des Neujahrstages gespielt. Für Andreas Großbauer, Vorstand der Wiener Philharmoniker, ein gute Tradition:
"Gewisse Traditionen geben uns Menschen ein Gefühl von Sicherheit, vor allem wenn man sie seit Kindheitstagen kennt. Die gute Nachtgeschichte, die Torte zum Geburtstag und vielleicht auch das Neujahrskonzert."
Prosit Neujahr!