"Ich würde gern mitmischen"
Wenn Norbert Blüm von Unternehmen hört, die mehr Gewinn als Umsatz machen und er das Auseinanderdriften von Arm und Reich beobachtet, würde er am liebsten wieder aktiv werden. Zu seinem 80. Geburtstag blickt er zurück auf besondere Begegnungen, vor allem aber kritisiert er den Wegfall sozialer Gerechtigkeit in den vergangenen Jahren.
Auch viele Jahre nach dem Abschied aus der aktiven Parteipolitik reizt es Norbert Blüm, sich an Debatten und Entscheidungen zu beteiligen. "Ich würde gern mitmischen", sagte der 80-Jährige im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke. "Die Politik besetzt noch immer meinen Kopf", ergänzte Blüm und beschrieb, welche Themen ihnen besonders stark beschäftigen.
Ärger über ausufernden Kapitalismus
Der ehemalige Sozialminister ärgert sich darüber, wie stark der Arm und Reich in der Bevölkerung auseinanderdriften. Bleibt dieser Unterschied so eklatant, werde es keinen Frieden geben. Die Versuche tausender Flüchtlinge aus Afrika nannte Blüm "die Vorläufer einer Völkerwanderung".
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei der Kapitalismus wild geworden und habe die Ordnung verloren. Heutzutage sei mit Geld mehr Geld zu verdienen als mit Arbeit, womit Blüm auf lukrative Finanzgeschäfte großer Konzerne wie etwa Porsche anspielt. "Es gibt Unternehmen, die machen mehr Gewinn als Umsatz", sagte der Sozialpolitiker.
Eine Reise in die Vergangenheit: Anrufe quer durchs Telefonbuch
Vor seinem 80. Geburtstag begab sich Blüm auf eine Reise in seine eigene Vergangenheit, indem er alle Nummern anrief, die in seinem Jahrzehnte alten Telefonbuch stehen. In besonderer Erinnerung sei ihm das Gespräch mit Bernhard Jagoda, der einst sein Staatssekretär war und nach der Wende Präsident der Bundesanstalt für Arbeit wurde.
Wie zwei Soldaten, die sich über vergangene Schlachten unterhalten, hätten sie sich gemeinsam an politische Auseinandersetzungen erinnert und speziell an die Verhandlungen zur Deutschen Einheit. "Wir haben uns mit Frotzeln und Lachen verabschiedet, ein paar Tage später ruft mich seine Tochter an und sagt: 'Der Papa ist heute morgen nicht wach geworden'." Das sei ihm unter die Haut gegangen.