Der Anti-Elvis
Er war kein appetitlicher Popstar, sondern eher ein hoffnungsloser Fall. Doch er konnte gute Songs schreiben und in den wenigen Jahren seiner Karriere hatte er einen großen Einfluss auf die Musikindustrie: Buddy Holly wäre heute 80 Jahre alt.
In einem Lebenslauf für seinen Englischkurs schrieb der 16-jährige Highschüler Charles Hardin Holley aus Lubbock, Texas:
"Man könnte mein Leben ereignislos nennen und es gibt, glaube ich, nicht viel Interessantes zu erzählen. Ich habe viele Hobbys, dazu gehören Jagen, Fischen, Lederarbeiten, Lesen, Malen und Western-Musik spielen. Ich habe daran gedacht, aus der Western-Musik eine Karriere zu machen, sofern ich gut genug bin, aber ich werde einfach abwarten müssen, um zu sehen, was dabei rauskommt..."
Charles Hardin Holley hatte schlechte Zähne, Mundgeruch und besaß eine Brille mit Drahtgestell. Er war kein appetitlicher Popstar, sondern eigentlich ein hoffnungsloser Fall. Aber er konnte gute Songs schreiben.
Alternative zur Rock'n'Roll-Hysterie
1955 hatte er erste Aufnahmen gemacht, aber die Plattenfirma konnte mit den unzähligen Stücken dieses überbordenden Vielschreibers nichts anfangen. Doch dann traf er diesen einflußreichen Mann, der ihm eine neue Frisur verpasste, eine vernünftige Hornbrille und einen Collegepullover, ihm Pulver gegen Magenübersäuerung gab und ein neues Gebiss und ihm beibrachte, wie man lächelt. 1957 war das und aus Charles Holley wurde Buddy Holly!
Buddy Holly war die Alternative zur vollkommenen Rock'n'Roll-Hysterie. Bei Buddy Holly mussten sie sich nicht die Höschen nass machen oder mannhafte Prügeleien anzetteln. Er verzichtete auf das anzügliche Hüftewackeln von Elvis, was bei seiner schmächtigen Figur auch etwas seltsam ausgesehen hätte. Buddy Holly kam daher wie der typische amerikanische Jungbuchhalter und im Vergleich zum Rock'n'Roll seiner Zeit waren das, was Buddy Holly sang, neapolitanische Gassenhauer.
Buddy Holly, der eigentlich keine besondere Stimme hatte und dessen Gitarrenspiel eher an Platzdeckchen-Häkeln erinnerte als an bretternden Rock'n'Roll, war tatsächlich ein Pionier: Er schrieb seine Songs also selbst und er war einer der ersten, die das Tonstudio als Instrument benutzten, in dem er zum Beispiel mehrere Gesangsspuren übereinander aufnahm und tagelang tüftelte er, bis die Stücke diesen klaren Sound hatten.
Instant-Hits wie aus der Dose
Mit seinen Crickets entwickelte er die Referenzbesetzung für die Standardrockband bis heute: Bass, Schlagzeug, Leadgitarre und Rhythmusgitarre. Er schrieb Instant-Hits wie aus der Dose - überaus einfühlsame Balladen für Solosänger, die er dann auch unter den Namen Buddy Holly rausbrachte und gemäßigt temperamentvolle Rocksongs für Bands, die erschienen unter dem Bandnamen The Crickets. Außerdem machte er die Fender Stratocaster zum Goldstandard unter den elektrischen Gitarren. Und schließlich war er für lange Zeit noch wohl der einzige Rockstar, der auf der Bühne eine Brille trug!
Ja, "The Day When I Die", der kam am Abend des 2. Februar 1959: Da stürzte Buddy Holly, zusammen mit seinen Kollegen Big Bopper und Ritchie "La Bamba" Valens, mit einem gecharterten Flugzeug auf dem Weg zu einem Konzert ab. Das letzte, was der Funker eines nahen Flughafens gehört hatte, war ein dreistimmiges Spiritual: Nearer My God To Thee. Danach wurden die drei Musiker vermutlich bei dem Versuch einer Notlandung aus der Kabine geschleudert.
Bob Dylan, die Byrds, Eric Clapton, Pete Townshend und Bruce Springsteen gestanden alle irgendwann mal, daß sie ihre ersten Songs geschrieben hatten, wie Buddy es ihnen gezeigt hatte. Und der Sänger Don McLean setzte den entscheidenden Punkt mit der gesungenen Bemerkung: Als Buddy Holly starb, war das für ihn als Teenager der Tag, an dem die Musik starb: The Day, The Music Died...