"90 Minuten - Bei Abpfiff Frieden"

Wie Politik vom Fußball Respekt lernen könnte

Bundesliga, Hamburger SV - Darmstadt 98, 29. Spieltag am 09.04.2016 im Volksparkstadion in Hamburg.
Ein Fußballspiel zur Lösung des Nahostkonflikts? © picture alliance / dpa / Lukas Schulze
Steve Hudson im Gespräch mit Susanne Burg |
Politik, gespiegelt im Mikrokosmos eines Fußballspiels zwischen Israel und Palästina – das ist der Stoff einer Polit-Satire. Können die beiden Völker wirklich nicht in Frieden zusammenleben? Genau das stelle der Film in Frage, sagt Produzent Steve Hudson.
Susanne Burg: Steve Hudson, herzlich willkommen!
Steve Hudson: Hallo!
Burg: Ein Fußballspiel soll den Nahostkonflikt beenden – eigentlich eine absurde Idee. Gleichzeitig weiß man ja um die politische Kraft des Fußballs. Wie absurd ist die Idee also?
Hudson: Die Idee ist natürlich vollkommen absurd. Nur wenn man sieht, wie viele politische Kräfte über so vielen Jahrzehnten absolut versagt haben, halbwegs einen Frieden in der Region herzustellen, dann irgendwann mal aus lauter Verzweiflung ist die Idee vielleicht doch gar nicht so blöd.
Burg: Und die zusammenführende Kraft des Fußballs, welche Rolle spielt die insofern? Also wie absurd ist es dann doch nicht?
Hudson: Na ja, nach hundert Jahren Konflikt und hundert Jahren Krieg in der Region auch noch vor der Gründung Israels, da waren auch viele gewalttätige Konflikte. Da war die Idee, was wäre wenn. Im frühen Mittelalter hat vielleicht jedes Heer seinen Ritter sozusagen nach vorne geschickt, und die zwei sollen sich nur kloppen, und die anderen konnten dann unversehrt nach Hause fahren. Das ist gar nicht so blöd vielleicht.

Kunst der Diplomatie - auch bei der Schiedsrichtersuche

Burg: Also man versucht eben dieses Fußballspiel zu organisieren und hat ja lauter Schwierigkeiten zu überwinden. Einer der großen Schwierigkeiten, muss man so sagen, ist, einen Schiedsrichter zu finden. Eine Seite, ob die israelische oder die palästinensische hat immer irgendwas gegen einen Schiedsrichter, gegen die Schweden, gegen die Deutschen sowieso, auch gegen etliche andere. Das ist unglaublich komisch, und man kann es sich tatsächlich auch vorstellen. Wie viel ist davon auch aus der Realität entlehnt?
Hudson: Also das ist natürlich hergeleitet aus den ganzen diplomatischen Versuchen zu verhandeln. Alles war plötzlich verhandelbar und wurde verhandelt, massiv, und immer dann die Gegenseite dürfte überhaupt keinen Vorteil haben. Alle diese Dinge: Wir erleben dann im Mikrokosmos bei den Fußballverbänden, was sonst normalerweise auf den großen Tischen der internationalen Politik dann passiert.
Burg: Es ist Tatsache, auch sehr viel, was man sich oft wirklich vorstellen kann, das israelische Militär setzt zum Beispiel im Film die palästinensische Mannschaft an die Checkpoints in der Westbank fest. Auch das könnte ja tatsächlich so passieren.
Hudson: Ja, natürlich. Also wir versuchen dann, die Schwierigkeiten von beiden Seiten dann darzulegen, und es ist tatsächlich so. Also wenn man eine palästinensische Mannschaft hat, die zur Hälfte im Gazastreifen steckt und zur anderen Hälfte dann im Westjordanland, die müssen dann natürlich erst mal durch die ganzen Checkpoints durch, um überhaupt zusammengeführt zu werden. Das ist auch unter der Bedingung der militärischen Besatzung gar nicht so einfach.

Die Zukunft Israels in den Händen eines Deutschen?

Burg: Auch die Deutschen sind mit dabei in Form eines Trainers der israelischen Nationalmannschaft gespielt von Detlev Buck. Der fragt sich irgendwann, na ja, vielleicht ist es doch keine so gute Idee, dass die Zukunft Israels ausgerechnet in den Händen eines Deutschen liegt. Steve Hudson, mussten die Deutschen wegen ihrer Geschichte oder wegen des Fußballs eine Rolle haben im Film?
Hudson: Ja, sowohl als auch. Natürlich, Buck war dafür die wunderbare Besetzung, weil er verkörpert diesen Trainer wunderbar. Ein Mann, der sehr viel über Fußball weiß, aber langsam merkt er, wenn es um Politik und die Fortbestehung des jüdischen Staates, dass er dann vielleicht ein bisschen überfordert ist. Ja, und es ist natürlich so, wenn man in Israel ist, die Gründungsgeschichte Israels hängt unmittelbar mit Deutschland zusammen. Wir sind da vielleicht Geschwister.
Burg: Es geht viel ums Verhandeln. Das haben Sie ja schon beschrieben. Der Direktor der israelischen Nationalmannschaft und der palästinensischen, die sind beide mit allen Wassern gewaschen und arbeiten dann auch mit teilweise recht schmutzigen Tricks. Es gibt da auf der einen Seite die Politik, und dann gibt es natürlich auch den Fußball und auch da natürlich die FIFA und die aktuellen Finanzverwerfungen. Wie sehr haben Sie sich also auch dabei an realen Vorbildern orientiert?

Große Erwartungen lasten auf den Schultern der Funktionäre

Hudson: Ja, natürlich. Unser beliebter Sepp Blatter war immer dafür, dass Politik nichts zu suchen hat im Fußball, aber Fußball ist und war immer eine sehr politische Sportart. Also da gibt es immer denjenigen, der gewinnt, und es gibt es auch denjenigen, der hätte gewinnen sollen. Ich bin gebürtiger Engländer und kenne live … viele Spiele haben wir hinterhergetrauert, weil wir hätten gewinnen sollen, und es war dann Elfmeter oder so.
Ja, aber diese zwei Figuren, diese Verbandschefs, die wir haben, einerseits auf der israelischen Seite, auf der palästinensischen andererseits – das Merkwürdige ist, eigentlich verstehen sie sich auf persönlicher Ebene sehr, sehr gut. Die haben viel mehr gemeinsam. Auf den Schultern von beiden lastet sowas, die Erwartungen von den jeweiligen Völkern, und dann langsam stellt man diese ganze Annahme infrage. Okay, wir machen nur ein Fußballspiel, und dann Israel und Palästinenser, und wer gewinnt, kriegt das Land.
Super, aber die Annahme ist natürlich, dass diese zwei Völker nie zusammenleben könnten, und das ist im Grunde das, was wir infrage stellen wollen. Seit so vielen Jahren hören wir von zwei Staaten und so. Ob das überhaupt noch erreichbar ist, scheint immer zweifelhafter, aber ist das wirklich so, dass zwei Gruppen von Menschen wirklich nicht zusammenleben können. Also alles spricht dafür von der aktuellen Politik, von den Ereignissen, aber wenn Kinder nebeneinander aufwachsen, ist es wirklich unmöglich, dass die zusammenleben können. Also man möchte hoffen, dass das auch anders sein könnte.

"Die Sprache ist weltweit militarisiert"

Burg: Die beiden Chefs der Fußballverbände, ich würde sagen, freunden sich an klingt ein bisschen zu viel, aber sie respektieren sich sehr stark und nähern sich auch an. Ist das so ein bisschen der Hoffnungsschimmer, den Sie dann auch in Ihrem Film durchscheinen lassen wollen?
Hudson: Ja, auf jeden Fall, das war so früher. Der eine Krieger hatte den Respekt vor dem Gegner. Heute wird die andere Seite nur verunglimpft. Das sind böse Terroristen, Besatzer. Dann gibt es immer so einen Wortschatz, aus dem man sich immer bedienen will, aber wenn man einfach sieht, man setzt sich für sein eigenes Volk ein, dann gebührt ein gewisser Respekt dafür.
Nur mittlerweile ist die Sprache auch so militarisiert, nicht nur im Konflikt Israel-Palästina, sondern weltweit. Also die anderen müssen die Bösen sein, die Schurken. Das ist schon tragisch, und dass sie sich auch dann ebenbürtig sehen und einfach verstehen, dem Druck, dem der jeweils andere ausgesetzt ist, das ist wunderbar.

Als die ganze Sache zu platzen droht

Burg: Es ist ja in ganz vieler Hinsicht ein Spiegelbild des echten Konflikts. Der Gegner soll mit allen Mitteln geschwächt werden, eben auch im Fußball. Es gibt dann massive Probleme, aber gerade als die palästinensische Mannschaft festgesetzt wird, da sagt dann der Chef des palästinensischen Fußballverbandes, "sie steigen jetzt aus", und die ganze Sache droht zu platzen. Aber plötzlich findet sich eine Lösung, weil beim Fußballspiel steht zu viel wirklich auf dem Spiel. Das will man nicht platzen lassen. Das scheint dann doch wirklich anders als in der realen Welt.
Hudson: Ja, natürlich. Die mediale Aufmerksamkeit in unserem hypothetischen Beispiel ist extrem groß. Aber es ist auch natürlich so: Die Israelis wollen nicht so dastehen, dass sie einen Friedensplan abgelehnt haben, obwohl viele Kräfte innerhalb des Landes oft dagegen sprechen.
Burg: Wie löst man das alles auf? Man hat irgendwie diese satirische Grundsituation, ein Fußballspiel, aber das muss man ja auch zu einem Ende führen. Was waren da die Herausforderungen oder inwieweit haben Sie sich darüber Gedanken gemacht?
Hudson: Natürlich, die Frage erst mal, wie geht das Spiel aus Das ist sehr wichtig, und da müssen Sie den Film gucken. Das verrate ich nicht.
Burg: Nein, müssen Sie nicht.
Hudson: Das wäre ein Spoiler-Alert auf Neudeutsch.
Sehnsucht nach einerLösung - in Israel und in Palästina
Burg: Genau, aber es ist natürlich eine heikle Frage, fast so heikel wie der Konflikt selbst.
Hudson: Ja, klar, aber diese Sehnsucht nach einer Lösung, dass die Israelis endlich mal in Frieden leben können wie normale Staatsbürger jedes anderen Landes auch, dass sie sich nicht irgendwie ständig rechtfertigen müssen. Das ist sehr gut nachvollziehbar, dass sie sich nicht als Zielscheibe fühlen, egal, wie ihre politischen Ansichten sind. Das ist sehr gut nachvollziehbar.
Genauso auf der palästinensischen Seite, dass man endlich mal die Frage gelöst hätte, auch wenn man sagt, okay, ihr dürft nicht mehr zurück, also dass man endlich mal sagt, okay, das war es, und wir suchen unser Wohl anderswo jetzt als Volk ohne Land. Aber man hat mittlerweile die dritte, die vierte Generation, die in Flüchtlingscamps geboren werden, dazu Millionen, die außerhalb von Palästina leben, und das ist überhaupt kein Zustand. Die haben nicht mal Papiere oft.

Finanzielle Unterstützung aus Israel

Burg: Sie sind ja nun der Produzent des Films. Können Sie uns ein bisschen Einblick gewähren, wo die Schwierigkeiten waren bei der Realisierung des Films, also was die Gelder angeht und auch vielleicht was dann den eigentlichen Dreh angeht?
Hudson: Das war nicht so schwierig. Wir hatten sehr freundlicherweise Unterstützung vom ZDF, aus Israel. Da war Geld vom Israel Film Fund, die immer sehr gut dabei waren, auch nichtjüdische Themen, also nicht-proisraelische Themen, wenn man so will, auf die Leinwand zu bringen.
Wir haben zum Teil auch in den besetzten Gebieten gedreht, aber da in den Teilen, wo das israelische Militär die absolute Kontrolle hat, also das ist an sich nicht schwer.
Wir hatten eine kleine Episode, als zum Beispiel wir die vielen palästinensischen Komparsen gedreht haben, die mit palästinensischen Flaggen rumgerannt sind. Und da ist die israelische Polizei aufgetaucht und haben dann unseren Hauptdarsteller Norman Issa gesehen im Auto, den sie gerade kontrollieren wollte. Und er ist in Israel, obwohl Palästinenser, ein sehr gut bekannter und beliebter Mann, plötzlich wollen sie alle nur Autogramme.
Burg: Da war dann die Politik, Tatsache, vergessen.
Hudson: Ja, klar.
Burg: Haben Sie den Film denn schon in Israel oder in Palästina zeigen können? Haben Sie da schon Reaktionen bekommen?
Hudson: Nein, der kommt später dieses Jahr erst raus.
Burg: Vielen Dank, Steve Hudson, der Produzent des Films "90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden", der jetzt in den Kinos läuft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema