Ab nach Kassel …
Diesmal geht es um die Redensarten: Ab nach Kassel, Jemanden auf die Palme bringen, Nu mach mal halblang, Mit fliegenden (wehenden) Fahnen, Von der Hand in den Mund leben, Das schlägt dem Fass den Boden aus, Es ist höchste Eisenbahn u. a.
Ab nach Kassel
Wenn man kategorisch einen Schlusspunkt setzt, alle nach Hause schickt, sie ärgerlich fortscheucht, dann verwendet man den Ausdruck ganz gern, der angeblich aus den 1770er Jahren stammt, denn damals kämpften über dem Großen Teich die aufständischen amerikanischen Kolonisten gegen ihr ungeneröses Mutterland Großbritannien, das ihnen zwar Steuern abverlangte, aber keine politische Vertretung gönnte ("No taxation without representation!" war denn auch ein Protestruf der Zeit). Weil England seine eigenen Landeskinder schon auf mancherlei Weise ausnützte, als Schiffsbesatzungen für die Marine beispielsweise, suchte man nach Söldnern. Am billigsten bekamen sie die in Hessen, wo der repräsentationsfreudige Fürst Ebbe in der Kasse hatte und deshalb seinen Landeskindern die Fahrt nach Übersee zumutete. Presstrupps zogen über Land, holten Bauernburschen vom Feld und überhaupt jeden, der nicht rasch genug davonlief. Die brachte man dann zu Sammelpunkten, von denen einer Kassel war. Soweit klingt die Geschichte gut, schade nur, dass es keinen einzigen Beleg für diese Redensart aus dem 18. oder frühen 19. Jahrhundert gibt. Erst nach dem deutschen Sieg über die Franzosen wird "Ab nach Kassel" greifbar. Der geschlagene Kaiser Napoleon III. musste nämlich ins deutsche Exil. Wohin? Nach Kassel-Wilhelmshöhe! Damals entstand eine Karikatur, die populär wurde. Sie zeigte den deprimierten Franzosenherrscher, links und rechts von ihm Moltke und Bismarck, am Wegesrand eine Tafel, auf der "Cassel" (die Jahrhunderte gebräuchliche Form) stand und darunter die Textzeile: "Ab nach Cassel!". Sicher setzte sich dadurch die Redensart durch. Freilich las ich im "Simplicissimus" Grimmelshausens, der im 17. Jahrhundert schon entstand, auch "Ab nach Cassel". Vielleicht gibt es hier also noch Forscherlorbeeren zu ernten.
Jemanden auf die Palme bringen
Die Palme, die so heißt, weil ihre Blätter der Handfläche (lateinisch "palma") ähneln sollen gehört zu den urbeliebten Bäumen. In der Bibel preist man sie alle Naselang, im Koran sowieso und danach in allen möglichen Büchern und Bildern. So wurde sie auch in manchen Wendungen beliebt. "Die Siegespalme davontragen" sagte man zum Beispiel, viel später auch noch "sich einen von der Palme schütteln".
So lag es durchaus nahe, wenngleich nicht auf der Hand, sie mit einem Sprachbild zu verknüpfen, das sich im Zusammenhang mit den neuen, hochpotenten Sprengstoffen im späten 19. Jahrhundert herausbildete. Wenn jemand zornig wurde, wütend, ärgerlich und das plötzlich, sagte man nun: "er geht in die Luft", "er explodiert", "er geht hoch" und dachte dabei an Bomben und Sprengladungen. Das "Hochgehen" wiederum nahm man wörtlich, als ginge da jemand einen Baum hoch, wobei die Palme, wie gesagt, gerade recht kam.
Nu mach mal halblang
Da macht ein Großsprecher viel Wesens von sich, erzählt möglicherweise ohne Punkt und Komma viel zu lang oder von seinen Unternehmungen, seiner Beute (Angler!) in einer angeberischen, vergrößernden Weise. Da liegt es nahe, ihn zur Ordnung zu rufen, das rechte Maß zu beachten, eben "halblang zu machen" (das wie lange und worüber er spricht). Man kann ihn auch ironisch fragen: "Geht’s vielleicht ‘ne Nummer kleiner?"
Mit fliegenden (wehenden) Fahnen (zu jemandem übergehen)
Die Fahne gehört zu den wichtigsten Feldzeichen neuzeitlicher Heere, wobei es die herrscherliche gibt, die für alle gilt, später auch die für jede einzelne Abteilung. Sie zu verteidigen, sich um sie zu scharen, die gegnerische zu erbeuten und später im Triumphzug zu zeigen, galt als höchstes Ziel. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich zu prächtigen Stickkunstwerken, doch zu Beginn zeigten sie einfach die Wappenfarben, weshalb man gleichbedeutend von "Fahne" und den "Farben" sprechen konnte. Im Englischen gibt es deshalb den Ausdruck "with flying colours", den man wörtlich übersetzen kann "mit wehenden Fahnen (Farben)" , wobei gemeint ist "mit Glanz und Gloria", "mit Bravour". Die alljährliche Parade zu Ehren der Königin heißt denn auch "Trooping the Colour", also das Vorbeimarschieren der Farben / Fahnen, womit die Regimenter mit ihren Fahnen gemeint sind.
Freilich macht es einen großen Unterschied, warum die Fahne weht. Die stehende Wendung "mit fliegenden (also durch die Bewegung flatternden, wehenden) Fahnen zu jemandem übergehen" bedeutet, plötzlich seinen Standpunkt zu ändern, die Seiten zu wechseln, als eile man mit seinem Feldzeichen auf die andere Seite der Front. "Mit fliegenden Fahnen untergehen" bezeichnet dagegen einen todesmutigen Kampf bis zum bitteren Ende.
Von der Hand in den Mund leben
Wer nichts besitzt, ganz arm ist, der muss, was er irgend zu essen auftreiben kann, gleich verzehren, hat er doch weder Aufbewahrungsmöglichkeiten noch Gelegenheit, sich je satt zu essen. So lebt er stets von der Hand in den Mund. In dieser Hinsicht wäre die Redensart mitleidig gemeint, doch wenn jemand ein Sparunwilliger ist, dann gibt er gleich wieder aus, was er verdient: In dieser, verbreiteteren Variante schilt man den Verschwender, der nicht an ein Morgen denkt, wo ihm Vorräte gut täten.
Das schlägt dem Fass den Boden aus
Fässer gehören fast schon zum Kunsthandwerk, so aufwendig sind sie herzustellen. Bei der Fertigung müssen die exakt gehobelten Fassdauben unter Wasserdampf gebogen werden, zusammengefügt und durch das Aufschlagen der eisernen Reifen in dichte Form gebracht werden. Schlägt der Böttcher, so heißen die Fassmacher, den Reifen zu fest auf, so lässt der hohe Druck den Boden herausspringen, und die ganze Arbeit muss mühsam wiederholt werden. Doch eine weitere alte Sitte steckt hinter der gut fünfhundert Jahre schon beliebten Redensart: Wenn jemand schlechte Ware auf dem Markt feilbot oder ohne Erlaubnis eingeführte oder ohne Verkaufsrecht, dann strafte man ihn da, wo es ihn am empfindlichsten traf. Man schlug kurzerhand den Fässern – in denen nicht nur flüssige Ware verkauft wurde – den Boden aus, wie viele Quellen bezeugen. Dann ergossen sich Wein, Essig, Fische, Bier über den Markt. Benahm sich jemand unbotmäßig, konnte man also empört auf diese Bestrafungspraxis und auf die zu groben Schläge des Fassmachers hinweisen.
Es ist (die) höchste Eisenbahn
Das war einmal ein geflügeltes Wort. Es unterscheidet sich dadurch von der Redensart oder dem Sprichwort, dass man es als Zitat eines Autors aus einem Werk kennt. Vor gut hundert Jahren wusste man noch, woher "höchste Eisenbahn" stammt. Aus dem Theaterstückchen Adolf Glasbrenners (1810-1876) "Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße". Mit einem billigen, aber wirkungsvollen Spleen stattet Glasbrenner dort seine Figur Bornike, von Beruf Postbote, aus: Er vertauscht gerne Satzteile. So sagt er eben auch: "Es ist die allerhöchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen." Das gefiel dem Berliner Publikum, und so verwendete man es erst als lustiges Zitat, bis sich das flugfreudige geflügeltes Wort ganz verselbständigt hatte und ganz ohne witzigen Charakter Dringlichkeit bezeichnen konnte. Ach, das geflügelte Wort heißt übrigens so, weil die Wendung "und er sprach die geflügelten Worte" bei Homer (in der Voss-Übersetzung) oft vorkommt und Georg Büchmann unter diesem Titel berühmte Zitate in Buchform veröffentlichte.
Die Kurve kratzen
Wenn jemand sehr schnell abhaut, dann kann er auf Kurvenradien keine Rücksicht mehr nehmen, vielmehr schneidet er sie, was man umgangssprachlich schon mit "kratzen" bezeichnen könnte. Gleichzeitig spielt die Vorstellung hinein, bei der schnellen fluchtartigen Fahrt kratze, schramme man am Bordstein entlang.
Auf den Mund gefallen sein
Unser Spracherzeugungswunderwerk im Kopf hat so seine Tücken. Beispielsweise ist es nicht besonders gut um seinen Schutz bestellt. Fällt jemand auf die Fresse oder bekommt er eins auf die Schnauze oder fällt einfach hin, dann kann seine Sprechfähigkeit deutlich beeinträchtigt sein. Die beliebte Wendung zur Bezeichnung unfähiger Sprecher lockte das Gegenwort förmlich hervor, weshalb man heute fast mehr den Lobspruch hört: "Der ist nicht auf den Mund gefallen."
Was ist denn das hier für ein Saftladen
Den Gerstensaft kennt jeder. Verhüllend oder ironisch sprach man auch sonst vom Alkohol als Saft und von Kneipen, Wirtschaften, Likörstuben etc. als "Saftläden", und zwar durchaus leutselig positiv. Erst um 1920 verschlechterte sich der Ruf der Bars und Likörstuben in Berlin so sehr, dass man von da an den netten ironischen Ton in einen aggressiv-verächtlichen wandelte und fortan "Saftladen" nur als Schimpfwort für schlecht geführte Betriebe gebrauchte.
Senf macht blöd
Paracelsus sagte sehr richtig: "Die Dosis allein macht das Gift." Senf in normalen Mengen hat keine empirisch nachweisbaren Fehlwirkungen auf das Denken. Im Gegenteil, scharfer Senf regt den Kreislauf an, befreit die Nebenhöhlen und gibt so vielleicht sogar Anlass zu besserem Denken. Den Spruch zu erklären, hilft es, wenn man die negative Bewertung des Senfs im Sinn hat. Der galt lange Zeit als eine übertriebene, eigentlich unnötig scharfe Würzung, weshalb ja auch u. a. "seinen Senf dazugeben" abschätzig gemeint war. Nicht unmöglich ist, dass der einfache Mostrich mit einfachen, einfältigen Menschen in Beziehung gesetzt wurde. Eine weitere These geht davon aus, dass gerade Kinder vom übermäßigen Senfgebrauch abgehalten werden sollten: Erstens schmeckte sonst alles und nur noch nach Senf und zweitens war der auch nicht umsonst.
Einen Mordsspaß (-gaudi) haben
Der Verstärkungsteil "Mord-" in Wörtern wie "Mordskerl", "Mordsapparat", "Mordstrummannsbild" rührt von der besonders großen emotionalen Aufladung des Wortes her. Das abscheulichste Verbrechen war ein Extremwert, und die Extreme kann man, was in der Sprache oft vorkommt, umdrehen ins Positive. Man denke nur an "Teufelskerl". Auch hier ist das extrem Böse als Verstärkungsvokabel angewendet, die hier positiv, aber in anderer Verbindung ("Satansbraten") auch negativ verwendet werden kann. Mit dem Tschechischen und dem dort vorkommenden Wort "moc", gesprochen "mots", das "viel, sehr" bedeutet, hat das nichts zu tun.
Wenn man kategorisch einen Schlusspunkt setzt, alle nach Hause schickt, sie ärgerlich fortscheucht, dann verwendet man den Ausdruck ganz gern, der angeblich aus den 1770er Jahren stammt, denn damals kämpften über dem Großen Teich die aufständischen amerikanischen Kolonisten gegen ihr ungeneröses Mutterland Großbritannien, das ihnen zwar Steuern abverlangte, aber keine politische Vertretung gönnte ("No taxation without representation!" war denn auch ein Protestruf der Zeit). Weil England seine eigenen Landeskinder schon auf mancherlei Weise ausnützte, als Schiffsbesatzungen für die Marine beispielsweise, suchte man nach Söldnern. Am billigsten bekamen sie die in Hessen, wo der repräsentationsfreudige Fürst Ebbe in der Kasse hatte und deshalb seinen Landeskindern die Fahrt nach Übersee zumutete. Presstrupps zogen über Land, holten Bauernburschen vom Feld und überhaupt jeden, der nicht rasch genug davonlief. Die brachte man dann zu Sammelpunkten, von denen einer Kassel war. Soweit klingt die Geschichte gut, schade nur, dass es keinen einzigen Beleg für diese Redensart aus dem 18. oder frühen 19. Jahrhundert gibt. Erst nach dem deutschen Sieg über die Franzosen wird "Ab nach Kassel" greifbar. Der geschlagene Kaiser Napoleon III. musste nämlich ins deutsche Exil. Wohin? Nach Kassel-Wilhelmshöhe! Damals entstand eine Karikatur, die populär wurde. Sie zeigte den deprimierten Franzosenherrscher, links und rechts von ihm Moltke und Bismarck, am Wegesrand eine Tafel, auf der "Cassel" (die Jahrhunderte gebräuchliche Form) stand und darunter die Textzeile: "Ab nach Cassel!". Sicher setzte sich dadurch die Redensart durch. Freilich las ich im "Simplicissimus" Grimmelshausens, der im 17. Jahrhundert schon entstand, auch "Ab nach Cassel". Vielleicht gibt es hier also noch Forscherlorbeeren zu ernten.
Jemanden auf die Palme bringen
Die Palme, die so heißt, weil ihre Blätter der Handfläche (lateinisch "palma") ähneln sollen gehört zu den urbeliebten Bäumen. In der Bibel preist man sie alle Naselang, im Koran sowieso und danach in allen möglichen Büchern und Bildern. So wurde sie auch in manchen Wendungen beliebt. "Die Siegespalme davontragen" sagte man zum Beispiel, viel später auch noch "sich einen von der Palme schütteln".
So lag es durchaus nahe, wenngleich nicht auf der Hand, sie mit einem Sprachbild zu verknüpfen, das sich im Zusammenhang mit den neuen, hochpotenten Sprengstoffen im späten 19. Jahrhundert herausbildete. Wenn jemand zornig wurde, wütend, ärgerlich und das plötzlich, sagte man nun: "er geht in die Luft", "er explodiert", "er geht hoch" und dachte dabei an Bomben und Sprengladungen. Das "Hochgehen" wiederum nahm man wörtlich, als ginge da jemand einen Baum hoch, wobei die Palme, wie gesagt, gerade recht kam.
Nu mach mal halblang
Da macht ein Großsprecher viel Wesens von sich, erzählt möglicherweise ohne Punkt und Komma viel zu lang oder von seinen Unternehmungen, seiner Beute (Angler!) in einer angeberischen, vergrößernden Weise. Da liegt es nahe, ihn zur Ordnung zu rufen, das rechte Maß zu beachten, eben "halblang zu machen" (das wie lange und worüber er spricht). Man kann ihn auch ironisch fragen: "Geht’s vielleicht ‘ne Nummer kleiner?"
Mit fliegenden (wehenden) Fahnen (zu jemandem übergehen)
Die Fahne gehört zu den wichtigsten Feldzeichen neuzeitlicher Heere, wobei es die herrscherliche gibt, die für alle gilt, später auch die für jede einzelne Abteilung. Sie zu verteidigen, sich um sie zu scharen, die gegnerische zu erbeuten und später im Triumphzug zu zeigen, galt als höchstes Ziel. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich zu prächtigen Stickkunstwerken, doch zu Beginn zeigten sie einfach die Wappenfarben, weshalb man gleichbedeutend von "Fahne" und den "Farben" sprechen konnte. Im Englischen gibt es deshalb den Ausdruck "with flying colours", den man wörtlich übersetzen kann "mit wehenden Fahnen (Farben)" , wobei gemeint ist "mit Glanz und Gloria", "mit Bravour". Die alljährliche Parade zu Ehren der Königin heißt denn auch "Trooping the Colour", also das Vorbeimarschieren der Farben / Fahnen, womit die Regimenter mit ihren Fahnen gemeint sind.
Freilich macht es einen großen Unterschied, warum die Fahne weht. Die stehende Wendung "mit fliegenden (also durch die Bewegung flatternden, wehenden) Fahnen zu jemandem übergehen" bedeutet, plötzlich seinen Standpunkt zu ändern, die Seiten zu wechseln, als eile man mit seinem Feldzeichen auf die andere Seite der Front. "Mit fliegenden Fahnen untergehen" bezeichnet dagegen einen todesmutigen Kampf bis zum bitteren Ende.
Von der Hand in den Mund leben
Wer nichts besitzt, ganz arm ist, der muss, was er irgend zu essen auftreiben kann, gleich verzehren, hat er doch weder Aufbewahrungsmöglichkeiten noch Gelegenheit, sich je satt zu essen. So lebt er stets von der Hand in den Mund. In dieser Hinsicht wäre die Redensart mitleidig gemeint, doch wenn jemand ein Sparunwilliger ist, dann gibt er gleich wieder aus, was er verdient: In dieser, verbreiteteren Variante schilt man den Verschwender, der nicht an ein Morgen denkt, wo ihm Vorräte gut täten.
Das schlägt dem Fass den Boden aus
Fässer gehören fast schon zum Kunsthandwerk, so aufwendig sind sie herzustellen. Bei der Fertigung müssen die exakt gehobelten Fassdauben unter Wasserdampf gebogen werden, zusammengefügt und durch das Aufschlagen der eisernen Reifen in dichte Form gebracht werden. Schlägt der Böttcher, so heißen die Fassmacher, den Reifen zu fest auf, so lässt der hohe Druck den Boden herausspringen, und die ganze Arbeit muss mühsam wiederholt werden. Doch eine weitere alte Sitte steckt hinter der gut fünfhundert Jahre schon beliebten Redensart: Wenn jemand schlechte Ware auf dem Markt feilbot oder ohne Erlaubnis eingeführte oder ohne Verkaufsrecht, dann strafte man ihn da, wo es ihn am empfindlichsten traf. Man schlug kurzerhand den Fässern – in denen nicht nur flüssige Ware verkauft wurde – den Boden aus, wie viele Quellen bezeugen. Dann ergossen sich Wein, Essig, Fische, Bier über den Markt. Benahm sich jemand unbotmäßig, konnte man also empört auf diese Bestrafungspraxis und auf die zu groben Schläge des Fassmachers hinweisen.
Es ist (die) höchste Eisenbahn
Das war einmal ein geflügeltes Wort. Es unterscheidet sich dadurch von der Redensart oder dem Sprichwort, dass man es als Zitat eines Autors aus einem Werk kennt. Vor gut hundert Jahren wusste man noch, woher "höchste Eisenbahn" stammt. Aus dem Theaterstückchen Adolf Glasbrenners (1810-1876) "Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße". Mit einem billigen, aber wirkungsvollen Spleen stattet Glasbrenner dort seine Figur Bornike, von Beruf Postbote, aus: Er vertauscht gerne Satzteile. So sagt er eben auch: "Es ist die allerhöchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen." Das gefiel dem Berliner Publikum, und so verwendete man es erst als lustiges Zitat, bis sich das flugfreudige geflügeltes Wort ganz verselbständigt hatte und ganz ohne witzigen Charakter Dringlichkeit bezeichnen konnte. Ach, das geflügelte Wort heißt übrigens so, weil die Wendung "und er sprach die geflügelten Worte" bei Homer (in der Voss-Übersetzung) oft vorkommt und Georg Büchmann unter diesem Titel berühmte Zitate in Buchform veröffentlichte.
Die Kurve kratzen
Wenn jemand sehr schnell abhaut, dann kann er auf Kurvenradien keine Rücksicht mehr nehmen, vielmehr schneidet er sie, was man umgangssprachlich schon mit "kratzen" bezeichnen könnte. Gleichzeitig spielt die Vorstellung hinein, bei der schnellen fluchtartigen Fahrt kratze, schramme man am Bordstein entlang.
Auf den Mund gefallen sein
Unser Spracherzeugungswunderwerk im Kopf hat so seine Tücken. Beispielsweise ist es nicht besonders gut um seinen Schutz bestellt. Fällt jemand auf die Fresse oder bekommt er eins auf die Schnauze oder fällt einfach hin, dann kann seine Sprechfähigkeit deutlich beeinträchtigt sein. Die beliebte Wendung zur Bezeichnung unfähiger Sprecher lockte das Gegenwort förmlich hervor, weshalb man heute fast mehr den Lobspruch hört: "Der ist nicht auf den Mund gefallen."
Was ist denn das hier für ein Saftladen
Den Gerstensaft kennt jeder. Verhüllend oder ironisch sprach man auch sonst vom Alkohol als Saft und von Kneipen, Wirtschaften, Likörstuben etc. als "Saftläden", und zwar durchaus leutselig positiv. Erst um 1920 verschlechterte sich der Ruf der Bars und Likörstuben in Berlin so sehr, dass man von da an den netten ironischen Ton in einen aggressiv-verächtlichen wandelte und fortan "Saftladen" nur als Schimpfwort für schlecht geführte Betriebe gebrauchte.
Senf macht blöd
Paracelsus sagte sehr richtig: "Die Dosis allein macht das Gift." Senf in normalen Mengen hat keine empirisch nachweisbaren Fehlwirkungen auf das Denken. Im Gegenteil, scharfer Senf regt den Kreislauf an, befreit die Nebenhöhlen und gibt so vielleicht sogar Anlass zu besserem Denken. Den Spruch zu erklären, hilft es, wenn man die negative Bewertung des Senfs im Sinn hat. Der galt lange Zeit als eine übertriebene, eigentlich unnötig scharfe Würzung, weshalb ja auch u. a. "seinen Senf dazugeben" abschätzig gemeint war. Nicht unmöglich ist, dass der einfache Mostrich mit einfachen, einfältigen Menschen in Beziehung gesetzt wurde. Eine weitere These geht davon aus, dass gerade Kinder vom übermäßigen Senfgebrauch abgehalten werden sollten: Erstens schmeckte sonst alles und nur noch nach Senf und zweitens war der auch nicht umsonst.
Einen Mordsspaß (-gaudi) haben
Der Verstärkungsteil "Mord-" in Wörtern wie "Mordskerl", "Mordsapparat", "Mordstrummannsbild" rührt von der besonders großen emotionalen Aufladung des Wortes her. Das abscheulichste Verbrechen war ein Extremwert, und die Extreme kann man, was in der Sprache oft vorkommt, umdrehen ins Positive. Man denke nur an "Teufelskerl". Auch hier ist das extrem Böse als Verstärkungsvokabel angewendet, die hier positiv, aber in anderer Verbindung ("Satansbraten") auch negativ verwendet werden kann. Mit dem Tschechischen und dem dort vorkommenden Wort "moc", gesprochen "mots", das "viel, sehr" bedeutet, hat das nichts zu tun.