Wo Literatur Oase und Gefahr ist
17:08 Minuten
Richtig bekannt wurde der deutsch-irakische Schriftsteller Abbas Khider 2019 mit einer Satire über das Deutsche. Der neue Roman "Palast der Miserablen" spielt Ende der 80er im Irak und erzählt von einem Jungen, der für die Literatur sein Leben riskiert.
Abbas Khider stammt aus dem Irak, lebt seit 20 Jahren in Deutschland und schreibt Bücher auf Deutsch. Vor allem durch das satirische Buch "Deutsch für alle" erhöhte sich seine Bekanntheit im vergangenen Jahr. Darin beschrieb er die Mühsal, die man auf sich nehmen muss, wenn man diese Sprache lernen will. Jetzt ist sein fünfter Roman erschienen: "Palast der Miserablen". In diesem Buch erzählt Khider von Shams Hussein – einem Jungen, der während der Golfkriege mit seiner Familie in den Slums von Bagdad aufwächst, das Lesen und die Bücher entdeckt. Sie verändern sein Leben komplett, im Guten wie im Schlechten. So landete er etwa unter Saddam Hussein im Gefängnis, wird schwer gefoltert.
Leben in Nachkriegszeit, Diktatur und Embargo
Er schreibe in dem Buch auch über sein Leben und seine Erfahrung, sagt Khider. Daneben seien aber auch Lebensereignisse anderer Menschen eingeflossen. Wobei es schwierig sei zu sagen, wo die Realität aufhört und die Fiktion beginnt.
Über die Zeit, in der der Roman spielt, sagt Khider: "Die irakische Gesellschaft befindet sich in einer Nachkriegszeit, in einer Diktatur und unter einem Embargo." Das seien "drei unvorstellbare Zustände". In seinem Buch versuche er zu beschreiben, wie Menschen unter solchen Umständen leben.
Neue Welt auf dem Büchermarkt in Bagdad
Ein zentraler Aspekt ist für Khider die Bedeutung der Literatur für seinen Protagonisten Shams Hussein. Der wird durch das Lesen erwachsen und schließt sich einer Art Literaturzirkel, dem "Palast der Miserablen" an.
Den gebe es tatsächlich, erklärt Abbas Khider. Er heiße Suk al-Sarai. Immer freitags träfen sich dort Journalisten, Schriftsteller, Intellektuelle, Studenten, Literaturliebhaber. "Das ist wie eine Oase in Bagdad, da vergisst man wirklich die Welt." Ein besonderer, lebendiger Ort, bei dem man immer das Gefühl habe, etwas mitzunehmen. Im Roman spiele er eine große Rolle, sagt Khider. Denn sein Protagonist komme aus dem armen Blechviertel, in dem es weder Strom noch fließendes Wasser gibt. Und plötzlich entdecke er diesen Ort: etwas Neues, eine neue Welt.
Literatur als Spiel mit Leben und Tod
Und gleichzeitig zeigt der Roman, wie gefährlich es in dieser Welt ist, sich mit Büchern zu umgeben. So leben etwa die Mitglieder des titelgebenden "Palasts der Miserablen", eine Gruppe von Literaturinteressierten und Dichtern, in dem Buch in ständiger Gefahr.
Da zeige sich der Unterschied zwischen einer demokratischen Gesellschaft und anderen Gesellschaftsformen wie etwa einer Diktatur. "Dort ist die Poesie, ist die Literatur ein Spiel mit Leben und Tod", sagt Khider. "Lesen an sich ist wie eine revolutionäre Tat." Mit Blick auf sich selbst erklärt er: "Die Literatur ist wie eine Rettung, wie eine Zuflucht." Auch für ihn persönlich sei das damals im Irak so gewesen.
(abr)