Einer documenta-Stadt nicht würdig!
Das Abbruch-Team kam in den frühen Morgenstunden eines Feiertages, abgeschirmt von Polizeieinheiten: Der unangekündigte Abbau des d14-Obelisken von Olu Oguibe ist eine Ohrfeige für die Kasseler Kunst-Öffentlichkeit, sagt Korrespondent Ludger Fittkau.
Nicht dass der Obelisk von Olu Oguibe heute Morgen vom zentralen Kasseler Königsplatz verschwand, ist der Skandal. Denn es hatte sich den letzten Tagen schon abgezeichnet, dass sich das Kasseler Stadtparlament und der nigerianisch-amerikanische Künstler nicht über die Standortfrage zum Verbleib des wuchtigen "documenta 14"–Statements für eine menschenfreundliche Flüchtlingspolitik einigen konnten.
Aber: Wie der 16 Meter hohe Obelisk nun abgeräumt wurde, ist kaum zu fassen!
Ausgetrickste Öffentlichkeit
Das Abbruch-Team kam in den frühen Morgenstunden eines Feiertages, abgeschirmt von Polizeieinheiten, ohne das die Öffentlichkeit und offenbar auch die Kulturdezernentin der Stadt Kassel vorher informiert wurden. Die Begründung des Stadtsprechers, man habe diesen Zeitpunkt gewählt, um Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt zu vermeiden, verspottet die Debattenkultur der documenta-Stadt.
Denn: Noch im Sommer hatten Hunderte Kasselerinnen und Kasseler – unter ihnen der ehemalige deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD) – für einen Verbleib des Oguibe-Obelisken in der Stadt demonstriert. Auch diesmal wäre ein Abbau des Obelisken bei Tageslicht und mit vorheriger Ankündigung von Protesten begleitet gewesen.
Das hätte die documenta-Stadt Kassel aushalten müssen. Doch stattdessen trickste der amtierende Kasseler Oberbürgermeister und documenta-Aufsichtsratschef Christian Geselle (SPD) die Öffentlichkeit schlichtweg im Morgengrauen aus. Damit setzt er die Skandalgeschichte der documenta 14 weiter fort, die mit einem Millionenverlust vor allem am Standort Athen 2017 bereits einen unrühmlichen Höhepunkt erlebt hatte.
Das Parlament lehnte den Wunsch des Künstlers ab
Rechtlich wird man dem documenta-Aufsichtsratschef kaum am Zeug flicken können, denn der Vertrag zwischen der Stadt und Olu Ogiube war vor wenigen Tagen ausgelaufen. Der Künstler hatte mehrere Angebote für einen neuen Standort seines Obelisken abgelehnt. Das Kunstwerk sollte auf dem Königsplatz bleiben, befand er. Das wollte eine klare Parlamentsmehrheit aber nicht. Der Abbau war die Konsequenz.
Um es klar zu sagen: Es war jedoch kein Einknicken vor der Kasseler AfD, deren Stadtverordneter das Oguibe-Werk als "entstellende Kunst" diffamiert hatte und damit seine Nähe zur NS-Sprache offenlegte.
Nicht Rechtsradikale haben aber letztlich den Abbau des Obelisken vom Königsplatz erzwungen. Die Stadt hatte nämlich gute Argumente für die Wahl eines anderen Standortes. Denkmalschützer hatten sich gegen den Königsplatz ausgesprochen, weil für die zeitlich befristete documenta 14 die Skulptur auf dem kreisrunden Platz willkürlich verortet worden war. Die Kasseler Kulturverwaltung hatte überdies nachvollziehbar argumentiert, man brauche die zentrale Fläche auch für künftige Kunstaktionen – etwa im Rahmen der nächsten Weltkunstausstellung.
Imageschaden für eine demokratische Kulturstadt
Schließlich waren auch die Meinungen über die ästhetische Qualität des Obelisken geteilt. Doch das Werk wäre ja nicht aus dem öffentlichen Raum verschwunden, sondern hätte einen respektablen neuen Standort bekommen – wie zuvor auch schon andere documenta-Skulpturen, die räumlich versetzt wurden. Das aber wollte der Künstler nicht und verzichtete letztlich auf den Erlös aus dem Verkauf an die Stadt Kassel. Man kam eben nicht zusammen – bedauerlich, aber letztlich kein Problem.
Scharfe Kritik verdient jedoch das Wie der Demontage des Kunstwerks. Das ist einer documenta-Stadt ganz und gar nicht würdig! Denn Kunst – und auch ihr umstrittener Abbau – muss gerade in Kassel Teil des öffentlichen Diskurses bleiben. Herren des Morgengrauens wie der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle passen ganz und gar nicht ins Bild einer demokratischen Kulturstadt!