Abenteuer aus der Provinz
Michail Bulgakows "Arztgeschichten" sind in erster Linie Abenteuererzählungen aus dem Leben eines jungen Arztes in der tiefsten, meist auch tief verschneiten russischen Provinz - fernab der Zivilisation, wo das Licht aus Petroleumlampen kommt.
An zwei Stellen dieser "Arztgeschichten" findet sich ein jeweils winziger Hinweis auf den amerikanischen Schriftsteller James Fenimore Cooper. Das ist natürlich kein Zufall, sondern eine Art Programmatik, die Michail Bulgakow mit größter Konsequenz einlöst. Seine "Arztgeschichten" sind in erster Linie Abenteuererzählungen, getragen von einem Spannungsbogen, der jede ihrer Zeilen gleichsam vibrieren lässt. Die Herausforderung war enorm. Denn was könnte es Öderes geben als die Erlebnisse eines blutjungen Arztes in der tiefsten, meist auch tief verschneiten russischen Provinz, fernab der Zivilisation, wo das Licht aus Petroleumlampen kommt, die Wärme ausschließlich mit Holz erzeugt wird und Nachrichten von der übrigen Welt kaum eintreffen?
Bulgakows Ich-Erzähler, Absolvent der Moskauer Universität, strandet wie einst Robinson Crusoe (auch der wird erwähnt) auf diesem Eiland und ist gezwungen, seine allernächste Umgebung zu erkunden. Das beginnt bei Wetterphänomenen und Entfernungen, wie sie der Großstädter natürlich nicht kannte und die er erlebt und notiert mit genau jenem Erstaunen, wie es ein Polarforscher oder Teilnehmer einer Urwaldexpedition empfunden hätte. Es setzt sich fort in der Begegnung mit Menschen, die praktisch einer anderen Welt angehören. Bauern ohne jegliche Bildung, deren geistiger Horizont sich auf ihren engen Lebensradius beschränkt, bevölkern den Landstrich. Vor allem aber sind es die Herausforderungen seines Berufs, die den jungen Landarzt immer wieder in komplizierte Situationen geraten lassen. Dass er einen sehr erfahrenen und überaus geachteten Vorgänger hatte, macht dem Anfänger den Einstieg natürlich nicht leichter.
Beinamputationen oder schwerste Kopfverletzungen, komplizierte Geburten oder Zahnextraktionen, unerklärliche Wucherungen an einem Auge oder die Syphilis – der Ich-Erzähler, der im Grunde alles zum ersten Mal macht, findet sich immer wieder Umständen ausgesetzt, die ihn komplett überfordern und unter höchsten Druck setzen. Oft genug steht das Leben eines Patienten auf dem Spiel, gelegentlich auch sein eigenes, und die atemberaubende Bedrängnis, die sich in solchen Momenten entfaltet, transportiert Bulgakow meisterhaft, wobei er den Leser meist mit einem glücklichen Ausgang der Geschichte belohnt. Dies, aber auch der selbstironische Schub, den sich der Ich-Erzähler in Phasen der Niedergeschlagenheit, Verzweiflung oder gar Depression zu versetzen weiß, verhindern einen allzu dunklen Ton über der Szenerie.
Besprochen von Gregor Ziolkowski
Michail Bulgakow: "Arztgeschichten"
Aus dem Russischen von Thomas Reschke
Sammlung Luchterhand, München 2009
143 Seiten, 8,00 Euro
Bulgakows Ich-Erzähler, Absolvent der Moskauer Universität, strandet wie einst Robinson Crusoe (auch der wird erwähnt) auf diesem Eiland und ist gezwungen, seine allernächste Umgebung zu erkunden. Das beginnt bei Wetterphänomenen und Entfernungen, wie sie der Großstädter natürlich nicht kannte und die er erlebt und notiert mit genau jenem Erstaunen, wie es ein Polarforscher oder Teilnehmer einer Urwaldexpedition empfunden hätte. Es setzt sich fort in der Begegnung mit Menschen, die praktisch einer anderen Welt angehören. Bauern ohne jegliche Bildung, deren geistiger Horizont sich auf ihren engen Lebensradius beschränkt, bevölkern den Landstrich. Vor allem aber sind es die Herausforderungen seines Berufs, die den jungen Landarzt immer wieder in komplizierte Situationen geraten lassen. Dass er einen sehr erfahrenen und überaus geachteten Vorgänger hatte, macht dem Anfänger den Einstieg natürlich nicht leichter.
Beinamputationen oder schwerste Kopfverletzungen, komplizierte Geburten oder Zahnextraktionen, unerklärliche Wucherungen an einem Auge oder die Syphilis – der Ich-Erzähler, der im Grunde alles zum ersten Mal macht, findet sich immer wieder Umständen ausgesetzt, die ihn komplett überfordern und unter höchsten Druck setzen. Oft genug steht das Leben eines Patienten auf dem Spiel, gelegentlich auch sein eigenes, und die atemberaubende Bedrängnis, die sich in solchen Momenten entfaltet, transportiert Bulgakow meisterhaft, wobei er den Leser meist mit einem glücklichen Ausgang der Geschichte belohnt. Dies, aber auch der selbstironische Schub, den sich der Ich-Erzähler in Phasen der Niedergeschlagenheit, Verzweiflung oder gar Depression zu versetzen weiß, verhindern einen allzu dunklen Ton über der Szenerie.
Besprochen von Gregor Ziolkowski
Michail Bulgakow: "Arztgeschichten"
Aus dem Russischen von Thomas Reschke
Sammlung Luchterhand, München 2009
143 Seiten, 8,00 Euro