Abenteuerroman, Spionagegeschichte und furioser Thriller
William Boyd spielt in seinem neuen Roman mit Fakten und Fiktion. Er erzählt darin die Geschichte eines britischen Spions um die Zeit des Ersten Weltkriegs. Ihm gelingt dabei das Kunststück, die Zeit des Anbruchs der Moderne in Gesten, Sprache und Farben lebendig werden zu lassen.
Wien 1913, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Eine Zeit kulturellen Aufbruchs. Freud erkundet die Abgründe der Psyche. Bei einem seiner Schüler sucht der junge Engländer Lysander Reif Hilfe wegen seines gestörten Sexuallebens. Zudem verliebt sich der Schauspieler unsterblich in die junge Künstlerin Hettie, stürzt sich, obwohl sie bereits liiert ist, in einen amour fou, der sein Leben auf den Kopf stellen wird. Die junge Frau, von ihrem Partner zur Rede gestellt, behauptet, von Lysander vergewaltigt worden zu sein. Ihm drohen Prozess und Gefängnis. Mit Hilfe zweier britischer Diplomaten gelingt ihm die Flucht aus Wien.
Doch die Unterstützung gab es nicht umsonst. Einige Monate später, der Ersten Weltkrieg ist inzwischen ausgebrochen, Lysander hat sich freiwillig zur Armee gemeldet, kommen seine Retter auf ihn zu. Der britische Geheimdienst bittet den Schauspieler, im Vaterlandsinteresse eine neue Rolle einzuüben: Er soll getarnt als Schweizer Bahnangestellter einen Spion entlarven, der die Deutschen mit detaillierten Informationen über britische Truppenbewegungen versorgt. Dazu reist Lysander erst einmal offiziell an die Front, um dann dort bei nächtlichem Spähdienst als vermisst gemeldet untertauchen zu können. Als Schauspieler fällt es ihm nicht allzu schwer, in der Schweiz mit neuer Identität aufzutauchen.
William Boyd spielt in seinem neuen Roman mit Fakten und Fiktion. Er erzählt darin die Geschichte eines britischen Spions um die Zeit des Ersten Weltkriegs. Ihm gelingt dabei das Kunststück, die Zeit des Anbruchs der Moderne in Gesten, Sprache und Farben lebendig werden zu lassen.
Doch dann überstürzen sich die Ereignisse. Es soll hier nur noch so viel verraten werden: Es gibt einen Mord, der nicht geplant war. Lysander gelingt es zwar, einen geheimen Code zu knacken, aber er muss überstürzt fliehen, wird dabei schwer verletzt, gerettet, nach England gebracht. Kaum wiedergenesen nimmt ihn der Geheimdienst erneut in die Pflicht, den Verräter in den eigenen Reihen zu überführen. Eine abenteuerliche Suche beginnt, die den Schauspieler in schwere Gewissensnöte stürzt, kommt doch seine eigene Mutter mit ins Spiel.
William Boyd beginnt seinen Roman sehr ruhig und gelassen. Doch dann forciert er die Ereignisse. Der anfangs ruhige, weit ausholende Erzählfluss beschleunigt sich, die Dramatik nimmt zu und es kommt zu einer ersten Klimax. Dann baut er erneut einen Spannungsbogen auf.
Aus einer verrückten Liebesaffäre, die Lysander bis zum Ende des Romans immer wieder einholt und in Konflikte stürzt, wird ein Abenteuerroman, der sich zu einer Spionagegeschichte und schließlich zu einem furiosen Thriller auswächst. Diese Vermischung der Genres macht den Roman zu einer ebenso amüsanten wie unterhaltsamen Lektüre. Der Schriftsteller schlüpft wie sein Held in verschiedene Rollen. An einer Stelle des Romans heißt es denn auch: Wir spielen schließlich alle Theater, oder nicht? Fast pausenlos – jeder von uns.
William Boyd gelingt das Kunststück, eine längst vergangene Epoche - immerhin die Zeit des Anbruchs der Moderne - in Gesten, Sprache und Farben so heraufzubeschwören, dass wir sie lebendig vor uns sehen. Das ist nicht zuletzt seinem Sinn für atmosphärische Details sowie seinen glaubwürdigen Charakterzeichnungen zu verdanken.
Besprochen von Johannes Kaiser
William Boyd: Eine große Zeit. Roman
Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Berlin Verlag, Berlin 2012
446 Seiten, 22,99 Euro
Doch die Unterstützung gab es nicht umsonst. Einige Monate später, der Ersten Weltkrieg ist inzwischen ausgebrochen, Lysander hat sich freiwillig zur Armee gemeldet, kommen seine Retter auf ihn zu. Der britische Geheimdienst bittet den Schauspieler, im Vaterlandsinteresse eine neue Rolle einzuüben: Er soll getarnt als Schweizer Bahnangestellter einen Spion entlarven, der die Deutschen mit detaillierten Informationen über britische Truppenbewegungen versorgt. Dazu reist Lysander erst einmal offiziell an die Front, um dann dort bei nächtlichem Spähdienst als vermisst gemeldet untertauchen zu können. Als Schauspieler fällt es ihm nicht allzu schwer, in der Schweiz mit neuer Identität aufzutauchen.
William Boyd spielt in seinem neuen Roman mit Fakten und Fiktion. Er erzählt darin die Geschichte eines britischen Spions um die Zeit des Ersten Weltkriegs. Ihm gelingt dabei das Kunststück, die Zeit des Anbruchs der Moderne in Gesten, Sprache und Farben lebendig werden zu lassen.
Doch dann überstürzen sich die Ereignisse. Es soll hier nur noch so viel verraten werden: Es gibt einen Mord, der nicht geplant war. Lysander gelingt es zwar, einen geheimen Code zu knacken, aber er muss überstürzt fliehen, wird dabei schwer verletzt, gerettet, nach England gebracht. Kaum wiedergenesen nimmt ihn der Geheimdienst erneut in die Pflicht, den Verräter in den eigenen Reihen zu überführen. Eine abenteuerliche Suche beginnt, die den Schauspieler in schwere Gewissensnöte stürzt, kommt doch seine eigene Mutter mit ins Spiel.
William Boyd beginnt seinen Roman sehr ruhig und gelassen. Doch dann forciert er die Ereignisse. Der anfangs ruhige, weit ausholende Erzählfluss beschleunigt sich, die Dramatik nimmt zu und es kommt zu einer ersten Klimax. Dann baut er erneut einen Spannungsbogen auf.
Aus einer verrückten Liebesaffäre, die Lysander bis zum Ende des Romans immer wieder einholt und in Konflikte stürzt, wird ein Abenteuerroman, der sich zu einer Spionagegeschichte und schließlich zu einem furiosen Thriller auswächst. Diese Vermischung der Genres macht den Roman zu einer ebenso amüsanten wie unterhaltsamen Lektüre. Der Schriftsteller schlüpft wie sein Held in verschiedene Rollen. An einer Stelle des Romans heißt es denn auch: Wir spielen schließlich alle Theater, oder nicht? Fast pausenlos – jeder von uns.
William Boyd gelingt das Kunststück, eine längst vergangene Epoche - immerhin die Zeit des Anbruchs der Moderne - in Gesten, Sprache und Farben so heraufzubeschwören, dass wir sie lebendig vor uns sehen. Das ist nicht zuletzt seinem Sinn für atmosphärische Details sowie seinen glaubwürdigen Charakterzeichnungen zu verdanken.
Besprochen von Johannes Kaiser
William Boyd: Eine große Zeit. Roman
Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Berlin Verlag, Berlin 2012
446 Seiten, 22,99 Euro