Abenteuerurlaub im Nahen Osten

Rezensiert von Pieke Biermann |
Not macht kreativ. Der israelische Tourismus ist in arger Not, seit da kein Mensch mehr hin will, weil einem in Bus und Bar die Bombensplitter um die Ohren fliegen können. Nicht mal christliche Fundamentalisten aus den USA haben noch Bock auf Bibelland.
So was zwingt die ärgsten Konkurrenten zusammen: Uri Rosman, Inhaber eines Reisebüros im schäbigeren Teil von Jerusalem und versehen mit einem Kunstknie (ägyptischer Heckenschütze, Yom-Kippur-Krieg 1973) und Riad Abu Aziz, Inhaber der "Orient Tours Jerusalem", ein braunes echtes, ein grünes Glasauge (israelisches Schrapnell, Sechstagekrieg 1967).

Frustriert hocken sie in einem Hotel in Nashville, Tennessee, im Fernsehen läuft "Dschungelcamp", und da kommt Abu Aziz die Erleuchtung: "Vergesst Jesus! Vergesst Religion und das Heilige Land! Diese kindischen Amerikaner wollen Action, also geben wir ihnen Action!" Das Reiseangebot "zwei Wochen körperliche und seelische Folter im Nahen Osten, der gefährlichsten Gegend der Welt" ist geboren.

Der Rest ist Organisation. Denn natürlich haben sowohl Uri wie Riad ihre Verwandten und Bekannten in den entscheidenden Positionen - der eine bei jüdischen Siedlern und der Armee, der andere bei den radikalen Palästinensern und der Fatah. Und die werden alle eingebunden.

Auch die erste Reisegruppe ist schnell gefunden: unter anderem ein unterforderter Security-Mann und ein Buchhändler aus Salt Lake City, ein japanischer Firmenchef, der in Bagdad bauen soll, ein Pariser Ehepaar mit Blumenladen, ein gewaltloser buddhistischer Mönch aus Indien, eine friedliebend-feministische jüdische Politikertochter aus New Jersey und eine Eva Braunschweig aus Deutschland. Nazi-Kind natürlich und besessen von der fixen Idee, wenn sich ein Jude in sie verlieben würde, dann wäre ihre Seele gerettet.

Kurz: ausnahmslos alle Schachfiguren in dieser aberwitzigen Partie haben irgendeinen Sprung in der Schüssel. Und daraus blitzt und funkelt es pausenlos. Katz schmeißt die Figuren durcheinander, dass es eine Wonne ist, und schlachtet heilige Kühe in Serie, auch die für jüdische Israelis allerheiligste: Zahal - die Armee. Bei Katz eine Mélange aus Schlawinern und Klotzköpfen. Seine jüdischen Israelis sind allesamt rüde, überheblich und rassistisch, und selbstverständlich stehen ihnen die Araber - ob Israelis oder Palästinenser - da in nichts nach. Ebenso wenig wie in Gewitztheit und Überlebensklugheit.

Was alles passiert und wie dann die realen Konflikte in den Abenteuerurlaub reinleuchten, das kann man nicht kurz zusammenfassen. Das muss man lesen. Verraten sei nur, dass am Ende alles x-fach verdreht ist und man sich auf einen "musikpolitischen Schlussgag" freuen darf, der allen Fans von Mars Attacks Tränen in die Augen treibt.

Der Roman ist ein Experiment in jedem Sinn. Erstens: das Prosadebüt eines Sachbuchautors. Eran Katz, Jahrgang 1965, aufgewachsen in Haifa, in Israel berühmt aus Funk und Fernsehen, als Autor von Bestsellern namens "Secrets of a Super Memory" oder "The Jewish Way to Brain Power" und als Trainer für internationale Top-Firmen, nach eigenen Angaben schon als Teenager durch überragende Leistungen auf den Gebieten Gedächtnis und Intelligenz auffällig geworden (er kannte, als er im Kibbuz jobbte, jede Kuh mit Namen und bewies seiner Philosophie-Lehrerin, dass er gar nicht existiert, was die mit einer Eins quittierte), schreibt keinen Ratgeber, sondern Fiction.

Nur, diesen Roman gibt es gar nicht auf Hebräisch und nicht in Israel. Es gibt ihn aber auch nicht auf Englisch, in das Katz selbst ihn, wie sein deutscher Verlag sagt, übersetzt hat. Es gibt diesen Roman, Experiment Nr. Zwei, bisher nur auf Deutsch.

Es gibt allerdings, so verspricht Eran Katz’ eigene Website, bald auf Englisch einen Roman mit dem Titel The richest man in Jerusalem, und in dem tauchen ein gewisser Uri Rosman und diverse andere Figuren auf. Nur ist jener Roman in Ich-Form geschrieben...

Drittens versucht dieser "ultimative Nahost-Friedensplan", so ungefähr alles, was an ätzendem Witz und respektlosem Blick in Richtung "Naher Osten und Frieden" seit Jahren durch die (nicht nur) jüdischen Blogs und Websites kariolt, in einen Plot mit plausiblen Figuren und Ereignissen zu gießen. Das womöglich riskanteste Experiment. Und ein gelungenes und ausgesprochen vergnügliches.


Eran Katz: Der überaus großartige ultimative Nahost-Friedensplan
Roman, aus dem Englischen von Edith Beleites,
Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 2005,
243 Seiten, € 19,90