Abenteurer und Kartographen
Im thüringischen Gotha wurden im 19. Jahrhundert die weltweit besten Karten Palästinas produziert. Dorthin zu reisen und zu kartographieren war nicht nur ein sehr mühsamer, sondern manchmal auch ein lebensgefährlicher Job. Eine faszinierende Ausstellung zu den damals besten Karten ihrer Zeit ist jetzt zu sehen.
"Palästina ist nie ein wichtiges Land wegen der natürlichen Schätze, ökonomischen Sachen gewesen. Es war Okay, das war das Heilige Land. Das war die Wichtigkeit, und deswegen war es interessant für die Welt und die Tatsache, dass mehrere Pilgerziele in diesem Land existieren."
Haim Goren ist Historischer Geograph und Vizepräsident des Tel-Hai Colleges in Nord-Galliläa. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit der Forschung rund um Palästina. Es ist jene Region, die als Teil des Osmanischen Reiches seit 1516 in das Blickfeld europäischer Interessen geriet:
"Als der Suezkanal gebaut wurde, ist Palästina nochmals wichtig für die Mächte gewesen, am Rande des Suezkanals. Aber seit dem 16. Jahrhundert als die Portugiesen den Weg nach Indien fanden, war die ganze Ostküste schon nicht mehr wichtig für Handel zwischen Asien und Europa. Denn es ging um Afrika herum."
Palästina aber blieb – mitten im Osmanischen Reich - als Ort der biblischen Stätten mystisch, interessant und anziehend nicht nur für christliche Pilger. Doch was waren das für Wege, die jene unbequem Reisenden erwarteten?
Eselskarren auf staubigen Wegen, Pilger, die vor allem muslimische Stätten aufsuchten und im Strom der Massen zu Moscheen und Orten wie dem Felsendom pilgerten. Reisende unterwegs nach Indien, in den Jemen. Namen wie Aleppo tauchen in Reisebeschreibungen auf. Jerusalem, Nazareth oder das heutige Tiberias sind in mittelalterlichen Landkarten eingezeichnet.
Wissenschaftler wie der israelische Forscher Haim Goren und Bruno Schelhaas, Geograph am Leibnitz-Institut für Länderkunde, haben sich zur Aufgabe gemacht, das historische Kartenmaterial zu sichten und zu analysieren. Mehrere hundert Karten sind allein in der Sammlung des ehemaligen Justus Perthes Verlages in Gotha vorhanden:
"Also was wir hier auf diesen Karten sehen ist der Versuch, die heilige Schrift in eine moderne Karte zu bringen mit wissenschaftlich exakten Methoden. Die Bibel wurde als wahrhaftige Quelle angesehen, als geographisches Buch gelesen und im 19. Jahrhundert, wo diese Karten entstanden sind, war die Technik so weit, um ein modernes Kartenbild zu erzeugen."
Sagt Bruno Schnelhaas vom Leipziger Institut. Im 19. Jahrhundert konnten die Kartografen bereits mit Hilfe von Technik vermessen. Das Besondere sei:
"Dass die deutsche Kartografie eine ganz herausragende Rolle spielt für die internationale Forschung. Die deutschen Kartografen, die Orientforscher allgemein, spielen die führende Rolle im 19. Jahrhundert in Palästina."
Jerusalem war zweifelsohne schon damals der Ort für Pilger. Drei Religionen vereinte die Stadt. Es war der Mittelpunkt Palästinas. Seit dem Mittelalter wurde die Stadt gezeichnet und auf Karten abgebildet. Nach 1830 begann die moderne Erkundung der Stadt. Englische Ingenieure machten sich in den 40er Jahren daran, die Stadt zu vermessen und archäologisch zu erkunden. Einer der besten Kenner und Forscher der Stadt war damals ein Schweizer Arzt namens Titus Tobler:
Vier Mal bereist er Mitte des 19. Jahrhunderts Palästina. Sein dritter Reisebericht erscheint 1859 im Gothaer Perthes Verlag. Er nimmt Vermessungen vor, erklärt, beschreibt und analysiert – seine Arbeit bildet die Basis für weitere Karten aus dem Gothaer Verlagshaus – zum Beispiel jene des Malers und Kartografen van de Velde. Es entsteht – englisch und deutsch verlegt – die Map of the Holy Land – ein Standardwerk in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts.
Damals führt August Petermann hauptsächlich die Fäden in Gotha zusammen und publiziert die Neubearbeitungen. Der Perthes-Verlag war gewissermaßen ein global Player – sagt Bruno Schelhaas vom Leibnitz-Institut für Länderkunde:
"Der Perthes-Verlag war schon vor August Petermann ein sehr bekannter Fachverlag für Geografie und Kartografie. Aber mit August Petermann konnte für mehrere Jahrzehnte dieser Erfolg gesichert und ausgebaut werden, und es war so, dass internationale Forscher ganz bewusst nach Gotha gekommen sind, um hier die Karten produzieren zu lassen. Sie sind nicht nach England gegangen, nicht nach Frankreich, nein, ins kleine beschauliche Residenzstädtchen Gotha, weil dieser Ruf sich wirklich durchgesetzt hat, hier werden die besten Karten produziert, die überhaupt auf dem Markt zur Verfügung stehen."
Manch einer der mutigen Reisenden kehrte allerdings nie zurück und riskierte sein Leben im Heiligen Land. So wie Ulrich Jasper Seetzen. Von Gotha gesponsert zog er los, als Muslim verkleidet, im Herzen war er Kartograf, doch das durfte niemand bemerken. Er reihte sich ein in eine Pilgergruppe, die 1811 auf dem Weg nach Mekka war. Dort verliert sich seine Spur für immer. 40 Jahre später erscheint in Gotha sein umfangreicher Reisebericht, Beschreibungen, Dokumente, Bilder, Skizzen. Denn mehrere Kisten mit Material, eigenem und erworbenen, schickte er im Laufe der vielen Monate des Reisens nach Gotha. Er zeichnete heimlich, vor allem aber höchst genau, vermaß das Land in Koordinaten, um später Karten zu skizzieren. Als Erster gelang ihm ein genaues Bild vom Toten Meer.
Das sei wirklich beachtlich, sagt Haim Goren, israelischer Wissenschaftler:
"Es ist die erste Karte, die zeigt das ganze Jordantal von oben von der Quelle des Jordans durch die zwei kleineren Seen und dann bis zum Toten Meer und dann mit vielen Namen. Ich warte noch für einen guten Doktorstudent, das wird eine gute Doktorarbeit über diese Karte machen."
Denn: Die Forschung steht noch am Anfang. Hunderte Karten zum Heiligen Land: Palästina, Libanon, Syrien gibt es allein in der Sammlung Perthes. Mindestens ebenso viele auch in der Israelischen Nationalbibliothek.
Hinweis:
Die Ausstellung "Das Heilige Land in Gotha" ist im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek Gotha noch bis zum 13. Oktober zu besichtigen. Öffnungszeiten jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.
Haim Goren ist Historischer Geograph und Vizepräsident des Tel-Hai Colleges in Nord-Galliläa. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit der Forschung rund um Palästina. Es ist jene Region, die als Teil des Osmanischen Reiches seit 1516 in das Blickfeld europäischer Interessen geriet:
"Als der Suezkanal gebaut wurde, ist Palästina nochmals wichtig für die Mächte gewesen, am Rande des Suezkanals. Aber seit dem 16. Jahrhundert als die Portugiesen den Weg nach Indien fanden, war die ganze Ostküste schon nicht mehr wichtig für Handel zwischen Asien und Europa. Denn es ging um Afrika herum."
Palästina aber blieb – mitten im Osmanischen Reich - als Ort der biblischen Stätten mystisch, interessant und anziehend nicht nur für christliche Pilger. Doch was waren das für Wege, die jene unbequem Reisenden erwarteten?
Eselskarren auf staubigen Wegen, Pilger, die vor allem muslimische Stätten aufsuchten und im Strom der Massen zu Moscheen und Orten wie dem Felsendom pilgerten. Reisende unterwegs nach Indien, in den Jemen. Namen wie Aleppo tauchen in Reisebeschreibungen auf. Jerusalem, Nazareth oder das heutige Tiberias sind in mittelalterlichen Landkarten eingezeichnet.
Wissenschaftler wie der israelische Forscher Haim Goren und Bruno Schelhaas, Geograph am Leibnitz-Institut für Länderkunde, haben sich zur Aufgabe gemacht, das historische Kartenmaterial zu sichten und zu analysieren. Mehrere hundert Karten sind allein in der Sammlung des ehemaligen Justus Perthes Verlages in Gotha vorhanden:
"Also was wir hier auf diesen Karten sehen ist der Versuch, die heilige Schrift in eine moderne Karte zu bringen mit wissenschaftlich exakten Methoden. Die Bibel wurde als wahrhaftige Quelle angesehen, als geographisches Buch gelesen und im 19. Jahrhundert, wo diese Karten entstanden sind, war die Technik so weit, um ein modernes Kartenbild zu erzeugen."
Sagt Bruno Schnelhaas vom Leipziger Institut. Im 19. Jahrhundert konnten die Kartografen bereits mit Hilfe von Technik vermessen. Das Besondere sei:
"Dass die deutsche Kartografie eine ganz herausragende Rolle spielt für die internationale Forschung. Die deutschen Kartografen, die Orientforscher allgemein, spielen die führende Rolle im 19. Jahrhundert in Palästina."
Jerusalem war zweifelsohne schon damals der Ort für Pilger. Drei Religionen vereinte die Stadt. Es war der Mittelpunkt Palästinas. Seit dem Mittelalter wurde die Stadt gezeichnet und auf Karten abgebildet. Nach 1830 begann die moderne Erkundung der Stadt. Englische Ingenieure machten sich in den 40er Jahren daran, die Stadt zu vermessen und archäologisch zu erkunden. Einer der besten Kenner und Forscher der Stadt war damals ein Schweizer Arzt namens Titus Tobler:
Vier Mal bereist er Mitte des 19. Jahrhunderts Palästina. Sein dritter Reisebericht erscheint 1859 im Gothaer Perthes Verlag. Er nimmt Vermessungen vor, erklärt, beschreibt und analysiert – seine Arbeit bildet die Basis für weitere Karten aus dem Gothaer Verlagshaus – zum Beispiel jene des Malers und Kartografen van de Velde. Es entsteht – englisch und deutsch verlegt – die Map of the Holy Land – ein Standardwerk in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts.
Damals führt August Petermann hauptsächlich die Fäden in Gotha zusammen und publiziert die Neubearbeitungen. Der Perthes-Verlag war gewissermaßen ein global Player – sagt Bruno Schelhaas vom Leibnitz-Institut für Länderkunde:
"Der Perthes-Verlag war schon vor August Petermann ein sehr bekannter Fachverlag für Geografie und Kartografie. Aber mit August Petermann konnte für mehrere Jahrzehnte dieser Erfolg gesichert und ausgebaut werden, und es war so, dass internationale Forscher ganz bewusst nach Gotha gekommen sind, um hier die Karten produzieren zu lassen. Sie sind nicht nach England gegangen, nicht nach Frankreich, nein, ins kleine beschauliche Residenzstädtchen Gotha, weil dieser Ruf sich wirklich durchgesetzt hat, hier werden die besten Karten produziert, die überhaupt auf dem Markt zur Verfügung stehen."
Manch einer der mutigen Reisenden kehrte allerdings nie zurück und riskierte sein Leben im Heiligen Land. So wie Ulrich Jasper Seetzen. Von Gotha gesponsert zog er los, als Muslim verkleidet, im Herzen war er Kartograf, doch das durfte niemand bemerken. Er reihte sich ein in eine Pilgergruppe, die 1811 auf dem Weg nach Mekka war. Dort verliert sich seine Spur für immer. 40 Jahre später erscheint in Gotha sein umfangreicher Reisebericht, Beschreibungen, Dokumente, Bilder, Skizzen. Denn mehrere Kisten mit Material, eigenem und erworbenen, schickte er im Laufe der vielen Monate des Reisens nach Gotha. Er zeichnete heimlich, vor allem aber höchst genau, vermaß das Land in Koordinaten, um später Karten zu skizzieren. Als Erster gelang ihm ein genaues Bild vom Toten Meer.
Das sei wirklich beachtlich, sagt Haim Goren, israelischer Wissenschaftler:
"Es ist die erste Karte, die zeigt das ganze Jordantal von oben von der Quelle des Jordans durch die zwei kleineren Seen und dann bis zum Toten Meer und dann mit vielen Namen. Ich warte noch für einen guten Doktorstudent, das wird eine gute Doktorarbeit über diese Karte machen."
Denn: Die Forschung steht noch am Anfang. Hunderte Karten zum Heiligen Land: Palästina, Libanon, Syrien gibt es allein in der Sammlung Perthes. Mindestens ebenso viele auch in der Israelischen Nationalbibliothek.
Hinweis:
Die Ausstellung "Das Heilige Land in Gotha" ist im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek Gotha noch bis zum 13. Oktober zu besichtigen. Öffnungszeiten jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.