Abgang ohne Vorankündigung
Am 11. März 1999 legte Oskar Lafontaine das Amt des Bundesfinanzministers und gleichzeitig auch den SPD-Parteivorsitz nieder. Damit machte er den Weg frei für Gerhard Schröders Versuch, Gesellschaft und Wirtschaft gegen die Traditionen der eigenen Partei zu modernisieren. Sieben Jahre später trat Lafontaine endgültig aus der SPD aus. Heute ist er eine der Galionsfiguren der Linkspartei, die der SPD verschärft Konkurrenz macht.
"Das ist doch wirklich eine Vision vom Abend am 27. September: Gerhard Schröder hat die Mehrheit und Kohl sagt wie Trappatoni: Ich habe fertig!' und verabschiedet sich. Das ist doch das, was wir wollen!"
SPD-Wahlkämpfer Oskar Lafontaine im Spätsommer 1998. Im Frühjahr 1999 - Rot-Grün war nach 16 Jahren Daueropposition an der Regierung - verabschiedete sich der Finanzminister Oskar Lafontaine mit einem lapidaren Zweieinhalbzeiler aus dem Kabinett Schröder/Fischer. – Am 11. März 1999, 186 Tage im Amt, schrieb er: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, hiermit trete ich von meinem Amt als Bundesminister der Finanzen zurück. Mit freundlichen Grüßen"
Gleichzeitig legte Lafontaine auch den SPD-Vorsitz und sein Bundestagsmandat nieder. Kein Wort der Erklärung, kein Wort des Bedauerns. Und so belagerten ganze Kohorten von Journalisten Lafontaines Saarbrücker Eigenheim. Am 13. März 1999 zeigte der Ex-Minister sich endlich am Gartentor:
"Herr Lafontaine, warum sind Sie zurückgetreten?
Ich gebe keine Interviews. (...)
Haben Sie schon mit Schröder telefoniert? (...)
Es gibt keine Interviews. Ihr habt jetzt hier all die Photos, mehr kann ich nicht für Euch tun. Ich bin Privatmann, öffentliche Leute, die müssen Interviews geben, ich nicht."
Absurdes Medientheater. Erst Tage später erläuterte Lafontaine seine Sicht der Dinge im ARD-Fernsehen:
"Der Grund meines Rücktritts ist das schlechte Mannschaftsspiel, das wir in den letzten Monaten geboten haben. (...) Während wir die Mittelständler um fünf Milliarden entlasten, diskutiert die Mannschaft darüber, ob wir eine wirtschaftsfeindliche Politik machen. Das verstehe, wer will. Wenn die Mannschaft nicht mehr gut zusammenspielt, muss man eine neue Mannschaftsaufstellung suchen. Dazu ist mein Schritt die Voraussetzung gewesen. (...) Ich wünsche der neuen Mannschaft mit Gerhard Schröder Erfolg bei ihrer Arbeit."
"Regieren macht Spaß!" befand die neue Mannschaft nach der Ära Kohl, hatte aber weder den Apparat in den Ministerien noch die eigenen Leute im Griff. Projekte wie die Ökosteuer, der Ausstieg aus der Atomwirtschaft oder die Besteuerung von 630-Mark-Jobs wurden den Bürgern schlecht vermittelt und verärgerten nicht allein Lobbyisten und Interessenverbände. Die Presse schrieb die neue Regierung bald erbarmungslos runter. Schröder und Lafontaine – im Wahlkampf als "Enkel" des sozialdemokratischen Übervaters Willy Brandt aufgetreten, zwischen die laut eigener Aussage "kein Blatt Papier" passte - entwickelten zunehmend Rivalitäten. Ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen gingen auseinander. – Gerhard Schröder schrieb darüber später in seinem Erinnerungsbuch "Entscheidungen":
"Oskar war entschlossen, sich im Kabinett als eine Art Schatzkanzler britischer Provenienz zu etablieren – nach dem Motto: Es ist mir gleich, wer unter mir Bundeskanzler ist."
Auch Oskar Lafontaine zeigte Nerven. Seine Kritik an der Deregulierung der internationalen Finanzmärkte, an Hedgefonds und Währungsspekulationen trug ihm selbst in den eigenen Reihen Spott ein. Als "Weltökonomen" ironisierte man den Finanzminister. - In der Kabinettssitzung vom 10. März 1999 verwahrte sich Kanzler Schröder ausdrücklich gegen "weitere wirtschaftsfeindliche Projekte". Das ging gegen den grünen Umweltminister Trittin, der eine neue Smog-Verordnung plante. Die Bild-Zeitung zitierte den Kanzler am nächsten Tag:
"Ich lasse mit mir keine Politik gegen die Wirtschaft machen. Es wird einen Punkt geben, wo ich die Verantwortung für eine solche Politik nicht mehr übernehmen kann."
Offenbar eine gezielte Indiskretion. Schröders Worte, so schrieb "Bild", seien auf Finanzminister Lafontaine gemünzt. In Wahrheit hatten sie Trittin gegolten. Lafontaine erwartete ein klares Dementi des Kanzlers. Als der nur den Regierungssprecher vorschickte, schrieb Lafontaine seinen Rücktrittsbrief. - Im Jahre 2005 verließ Lafontaine die SPD und trat der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" bei, die im Juni 2007 mit der PDS zur Partei "Die Linke" fusionierte. Lafontaine beim Gründungsparteitag:
"Es heißt nicht Freiheit statt Sozialismus, es heißt Freiheit und Sozialismus, besser noch: Freiheit durch Sozialismus. Das ist die Formel, hinter der wir uns versammeln."
Als Fraktionschef der Linkspartei kritisiert Lafontaine im Bundestag genüsslich die Politik der Sozialdemokraten. Im heimatlichen Saarland, wo er 13 Jahre Ministerpräsident war, führt er "Die Linke" in die diesjährige Landtagswahl. Immer ein Stachel im Fleisch der alten Genossen ...
SPD-Wahlkämpfer Oskar Lafontaine im Spätsommer 1998. Im Frühjahr 1999 - Rot-Grün war nach 16 Jahren Daueropposition an der Regierung - verabschiedete sich der Finanzminister Oskar Lafontaine mit einem lapidaren Zweieinhalbzeiler aus dem Kabinett Schröder/Fischer. – Am 11. März 1999, 186 Tage im Amt, schrieb er: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, hiermit trete ich von meinem Amt als Bundesminister der Finanzen zurück. Mit freundlichen Grüßen"
Gleichzeitig legte Lafontaine auch den SPD-Vorsitz und sein Bundestagsmandat nieder. Kein Wort der Erklärung, kein Wort des Bedauerns. Und so belagerten ganze Kohorten von Journalisten Lafontaines Saarbrücker Eigenheim. Am 13. März 1999 zeigte der Ex-Minister sich endlich am Gartentor:
"Herr Lafontaine, warum sind Sie zurückgetreten?
Ich gebe keine Interviews. (...)
Haben Sie schon mit Schröder telefoniert? (...)
Es gibt keine Interviews. Ihr habt jetzt hier all die Photos, mehr kann ich nicht für Euch tun. Ich bin Privatmann, öffentliche Leute, die müssen Interviews geben, ich nicht."
Absurdes Medientheater. Erst Tage später erläuterte Lafontaine seine Sicht der Dinge im ARD-Fernsehen:
"Der Grund meines Rücktritts ist das schlechte Mannschaftsspiel, das wir in den letzten Monaten geboten haben. (...) Während wir die Mittelständler um fünf Milliarden entlasten, diskutiert die Mannschaft darüber, ob wir eine wirtschaftsfeindliche Politik machen. Das verstehe, wer will. Wenn die Mannschaft nicht mehr gut zusammenspielt, muss man eine neue Mannschaftsaufstellung suchen. Dazu ist mein Schritt die Voraussetzung gewesen. (...) Ich wünsche der neuen Mannschaft mit Gerhard Schröder Erfolg bei ihrer Arbeit."
"Regieren macht Spaß!" befand die neue Mannschaft nach der Ära Kohl, hatte aber weder den Apparat in den Ministerien noch die eigenen Leute im Griff. Projekte wie die Ökosteuer, der Ausstieg aus der Atomwirtschaft oder die Besteuerung von 630-Mark-Jobs wurden den Bürgern schlecht vermittelt und verärgerten nicht allein Lobbyisten und Interessenverbände. Die Presse schrieb die neue Regierung bald erbarmungslos runter. Schröder und Lafontaine – im Wahlkampf als "Enkel" des sozialdemokratischen Übervaters Willy Brandt aufgetreten, zwischen die laut eigener Aussage "kein Blatt Papier" passte - entwickelten zunehmend Rivalitäten. Ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen gingen auseinander. – Gerhard Schröder schrieb darüber später in seinem Erinnerungsbuch "Entscheidungen":
"Oskar war entschlossen, sich im Kabinett als eine Art Schatzkanzler britischer Provenienz zu etablieren – nach dem Motto: Es ist mir gleich, wer unter mir Bundeskanzler ist."
Auch Oskar Lafontaine zeigte Nerven. Seine Kritik an der Deregulierung der internationalen Finanzmärkte, an Hedgefonds und Währungsspekulationen trug ihm selbst in den eigenen Reihen Spott ein. Als "Weltökonomen" ironisierte man den Finanzminister. - In der Kabinettssitzung vom 10. März 1999 verwahrte sich Kanzler Schröder ausdrücklich gegen "weitere wirtschaftsfeindliche Projekte". Das ging gegen den grünen Umweltminister Trittin, der eine neue Smog-Verordnung plante. Die Bild-Zeitung zitierte den Kanzler am nächsten Tag:
"Ich lasse mit mir keine Politik gegen die Wirtschaft machen. Es wird einen Punkt geben, wo ich die Verantwortung für eine solche Politik nicht mehr übernehmen kann."
Offenbar eine gezielte Indiskretion. Schröders Worte, so schrieb "Bild", seien auf Finanzminister Lafontaine gemünzt. In Wahrheit hatten sie Trittin gegolten. Lafontaine erwartete ein klares Dementi des Kanzlers. Als der nur den Regierungssprecher vorschickte, schrieb Lafontaine seinen Rücktrittsbrief. - Im Jahre 2005 verließ Lafontaine die SPD und trat der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" bei, die im Juni 2007 mit der PDS zur Partei "Die Linke" fusionierte. Lafontaine beim Gründungsparteitag:
"Es heißt nicht Freiheit statt Sozialismus, es heißt Freiheit und Sozialismus, besser noch: Freiheit durch Sozialismus. Das ist die Formel, hinter der wir uns versammeln."
Als Fraktionschef der Linkspartei kritisiert Lafontaine im Bundestag genüsslich die Politik der Sozialdemokraten. Im heimatlichen Saarland, wo er 13 Jahre Ministerpräsident war, führt er "Die Linke" in die diesjährige Landtagswahl. Immer ein Stachel im Fleisch der alten Genossen ...