Auch Fiat steckt bei Dieselgate mit drin
Erst wetterte Fiat gegen VW, jetzt steht der italienische Autokonzern selbst unter Verdacht, Abgastest manipuliert zu haben. Die italienische Regierung gibt Rückendeckung. Kommt Fiat ungestraft davon?
Die nordamerikanische Autoshow im Januar 2016. Es war die ganz große Bühne, die Sergio Marchionne – Chef des US-italienischen Herstellers Fiat-Chrysler – wählte, um mächtig gegen Konkurrent Volkswagen auszuteilen. Der Schaden, den die Wolfsburger angerichtet hätten, sei für die Branche immens. Dabei sei Diesel als Kraftstoff in Ordnung. Das Problem seien diejenigen, die sich nicht an die Regeln hielten.
Und dazu, so die Botschaft Marchionnes, gehöre Fiat-Chrysler nicht. Genau dieser Vorwurf wurde gegen den Turiner Konzern aber bald darauf erhoben – ausgerechnet von deutscher Seite. Nach den Manipulationen bei VW hatte das Kraftfahrt-Bundesamt Abgastests bei Dieselautos durchgeführt. Im Mai 2016 stellte das Amt bei mehreren Fiat-Modellen zu hohe Abgaswerte fest. Greg Archer von der Organisation Transport & Environment, der den Fall beobachtet, erklärt, warum:
"Bei Fiat ist es so, dass sich bei den entsprechenden Modellen die Abgasreinigung nach genau 22 Minuten abschaltet. Und zwar deswegen, weil die Tests nur etwa 20 Minuten dauern. Damit erzielt Fiat schöne Ergebnisse in Laboren, aber bei allen Fahrten auf der Straße – die länger als 22 Minuten dauern – verpestet es die Luft gewaltig."
Für Archer ist klar: Fiat-Chrysler habe ähnlich wie VW eine illegale Software benutzt, um Abgaswerte zu manipulieren – und sei damit nicht weniger schuldig.
Fiat unter dem Schutz der italienischen Regierung
Diesen Vorwurf erhebt auch das Bundesverkehrsministerium. Bei einer Anhörung im EU-Parlament bekräftigte Minister Alexander Dobrindt:
"Die Auffassung unserer Untersuchungskommission ist hier klar: Es handelt sich um unzulässige Abschalteinrichtungen. Wir haben dies auch gegenüber der italienischen Zulassungsbehörde deutlich gemacht."
Dobrindts Problem: Die italienische Seite sieht das völlig anders. Bei eigenen Tests habe man keine Vergehen festgestellt, sagte Verkehrsminister Delrio. Fiat-Chrysler-Boss Marchionne legte mit markigen Worten nach: Sein Konzern habe nichts Illegales begangen – wer Fiat mit VW vergleiche, habe vielmehr etwas Illegales geraucht. Greg Archer wundern diese Aussagen nicht:
"Wir haben festgestellt, dass diese Tests in Fiats eigenen Laboren durchgeführt wurden und weniger als 20 Minuten gedauert haben. Man kann also sehen: Die Untersuchungen waren mehr als fehlerhaft, und es zeigt uns, dass die italienische Regierung Fiat eindeutig schützt."
Unabhängige Kontrollen durch die EU gefordert
Die Organisation Transport & Environment verlangt deshalb eine Reform der Fahrzeugzulassung in der EU. Bislang sind dafür die nationalen Behörden zuständig. Zusätzlich solle eine unabhängige europäische Aufsicht darüber wachen. Ein Vorschlag, den auch die europäischen Grünen unterstützen – und über den Anfang April das EU-Parlament abstimmen wird.
Im Streit mit Rom forderte Verkehrsminister Dobrindt einen Rückruf der betroffenen Fiat-Modelle und schaltete auch die EU-Kommission ein. Diese drohte mit einem Vertragsverletzungsverfahren, falls die italienischen Behörden die Vorwürfe gegen Fiat-Chrysler nicht zufriedenstellend ausräumen könnten. Konkrete Schritte hat die Kommission gegen Italien bislang aber nicht eingeleitet. Stattdessen gab es zwei Vermittlungstermine, bei denen sich Berlin und Rom zunächst auf folgendes geeinigt haben:
"Italien hat Updates der Fiat-Modelle in Deutschland angekündigt, die das Abschalten der Abgasreinigung nach 22 Minuten entfernen sollen. Das Kraftfahrt-Bundesamt untersucht die Updates."
Teilt das deutsche Verkehrsministerium auf Anfrage dieses Senders mit.
Welche Konsequenzen der Fall für Fiat-Chrysler haben wird, ist noch nicht abzusehen. Vonseiten der Aufsichtsbehörden in Italien dürfte der Hersteller kaum Strafen befürchten. Dagegen wirft die US-Umweltbehörde EPA dem Hersteller seit Januar vor, gegen dortige Umweltgesetze verstoßen zu haben. Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, könnte es für Fiat-Chrysler noch sehr unangenehm werden. Zur Erinnerung: VW musste für seine Abgasmanipulationen in den USA über 20 Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen zahlen.