Abgeordnete mit Heimvorteil

    Von Wolf-Sören Treusch |
    Den Bundestag habe sie nie als fremdes Raumschiff empfunden, sagt Eva Högl. Kein Wunder, denn die SPD-Politikerin lebt in Berlin-Mitte. In ihrem Kiez kämpft sie um jede einzelne Stimme, um erneut das Direktmandat zu holen.
    Die Arminius-Markthalle in Berlin-Moabit. Draußen herrscht sengende Hitze, drinnen ist kaum etwas los. Kein Problem für Eva Högl, die SPD-Direktkandidatin im Kiez. Zielstrebig und selbstbewusst steuert sie den ersten Verkaufsstand an.

    "Hallo. Ich bin Ihre Bundestagsabgeordnete."
    "Ach, Sie sind das."
    "Ja, ich bin das. Genau. Die von dem Foto."

    "Wahlkampf ist toll, und wenn ich es nicht mögen würde, wäre ich ein bisschen falsch in der Politik. Denn Wahlkampf gehört dazu."

    "Hallihallo. Erinnern Sie sich noch an mich? Wir haben mal übersetzt, als der Japaner da war."
    "Ja, genau."

    Blonde Haare, roter Lippenstift, dazu ihr dynamisches und freundliches Auftreten: Vor vier Jahren feierte Eva Högl damit einen Erfolg von gar historischem Ausmaß.

    "Jetzt stehe ich ein bisschen auf dem Schlauch."

    Mit 26,0 Prozent der Erststimmen erzielte sie das niedrigste Wahlergebnis, mit dem in der Bundesrepublik jemals ein Direktkandidat in den Bundestag gewählt wurde.

    "Das zeigt, dass dieser Wahlkreis sehr hart umkämpft ist, und vor allen Dingen, dass ich wirklich um jede einzelne Stimme kämpfen muss."

    "Sie gehen ja bestimmt auch zur Wahl, oder?"
    "Aber natürlich."
    "Freue mich natürlich, wenn Sie mit zwei Stimmen die SPD wählen."

    Innerhalb kürzester Zeit verteilt Eva Högl ihre Flyer an den Verkaufsständen. Denn eines hat sie in vier Jahren Bundestag gelernt: Politik ist das Bohren dicker Bretter, schön und gut, aber hin und wieder zählt einzig und allein die Schnelligkeit.

    "Wie auf Mallorca"
    "Das ist ja wie auf Mallorca, genau. Das war nämlich mein erster Eindruck, dass bei wichtigen Debatten, die im Fernsehen nicht nur übertragen wurden, sondern auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern gesehen wurden, die Kolleginnen und Kollegen ganz früh morgens kommen und einen bunten Schal über den Sitz werfen oder eine Tasche drapieren, und dann noch mal eben frühstücken gehen. Und das fand ich sehr lustig, das hätte ich nicht gedacht, dass das im Bundestag auch ist, dass der Kampf um die fernsehgerechten Plätze so groß ist."

    Und so blieben für Eva Högl in den ersten Monaten nur die hinteren Sitzbänke übrig. Doch das hat sich mittlerweile geändert.

    "Ich denke, dass ich mich ein bisschen nach vorne gearbeitet habe, weil ich ja jetzt die Sprecherin der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss war und dadurch auch bekannter geworden bin, öffentlich wahrnehmbar war durch die Präsenz in den Medien auch, bis zur Tagesschau."

    Und wichtige Reden gehalten hat sie im Deutschen Bundestag: zu den Themen Rechtsextremismus und Frauenquote. Für Eva Högl ist klar: Davon will sie noch mehr.

    "Es gibt nämlich einen Riesenvorteil, den ich habe als Berliner Bundestagsabgeordnete: Ich bin immer hier. Ich bin hier zuhause, das ist unglaublich privilegiert im Verhältnis zu meinen anderen Kolleginnen und Kollegen, die von Flensburg oder aus dem Allgäu immer anreisen müssen, und deswegen habe ich eine besondere Situation und habe den Bundestag nie so als Raumschiff empfunden."

    "Eva Högl mein Name, ich bin ihre Bundestagsabgeordnete."
    "Hallo."
    "Von der SPD."
    "Freut mich."
    "Genau."

    Innenpolitische Themen stehen auch in der kommenden Legislaturperiode ganz oben auf ihrer Agenda. Erstens: die Arbeit von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz grundlegend reformieren – das ist das Ergebnis ihrer Mitarbeit im NSU-Untersuchungsausschuss. Zweitens: das Thema Miete. Wohnraum soll bezahlbar bleiben. Damit trifft sie den Nerv ihrer potenziellen Wähler. Bestätigt der Blumenhändler.

    "Das ist doch alles Wahnsinn, nicht. Wenn Sie heute die Mieten von früher rechnen, da kann doch keener mehr die Rente …, wenn das so weitergeht, liegen bald alle auf der Straße. Mein Laden, der war ja hier in der Bredowstraße, da bin ich mal rein gezogen mit ner Drei-Zimmer-Wohnung und habe 240 Mark bezahlt. Jetzt bin ich raus gegangen im Oktober und habe bloß für den Laden vorne 600 bezahlt. Euro."

    "Das ist kein leichtes Thema, es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Wir wollen – und das sage ich ganz klar als Politikerin, die für den Wedding Politik macht – eine Aufwertung bestimmter Kieze. Es gibt Kieze, die müssen schöner werden. Da müssen bessere Geschäfte hin, die Wohnungen müssen renoviert werden, und das hat auch Verdrängung zur Konsequenz. Wir müssen nur aufpassen, dass das nicht im großen Stil passiert."

    In den kommenden vier Jahren wird die Abgeordnete zeigen müssen, was sie in dieser Frage drauf hat. Auch wenn es mit dem Direktmandat nicht klappen sollte – Eva Högl wird wieder in den Bundestag einziehen: Sie steht auf Listenplatz 1 der Landes-SPD.

    "Gut, dann lassen wir sie jetzt in Ruhe und wünschen noch einen schönen Nachmittag, und bis bald mal wieder. Tschüss."


    Links:
    Homepage von Eva Högl

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